Collective Intelligence

Ansprechpartner: A. Kornrumpf

Collective Intelligence als Forschungsthema

Collective Intelligence (CI) bezeichnet umgangssprachlich die Fähigkeit von Gruppen, gemeinsam intelligent zu handeln, und so Ergebnisse zu erzielen, die von einzelnen Individuen mithilfe herkömmlicher Methoden nicht hätten erreicht werden können (Aulinger, 2009). CI ist damit sowohl ein sehr altes als auch ein hochaktuelles Phänomen (Malone, 2008). Die Aktualität des Themas liegt auch darin begründet, dass CI von Beginn an eine Begleiterscheinung des sogenannten Web 2.0 war (O’Reilly, 2007). Die neuen Web-Technologien ermöglichen die gezielte Nutzbarmachung der CI durch sozio-technische Mensch-Computer Systeme, sogenannte Collective Intelligence Systems (CIS) (Kapetanios, 2008) (Lykourentzou, Vergados & Loumos, 2009).

Aus der Sicht der Wirtschaftsinformatik (WI) sind dabei aktuell zwei Forschungsrichtungen von besonderem Interesse. Die erste ist die Erforschung der Lösung zu einzelnen Problemen oder Problemklassen aus der realen Welt mittels CIS. Die verschiedenen Aspekte dieser Forschungsrichtung, nicht zuletzt die tatsächliche Erzeugung neuer Informationssysteme zum Zweck der Problemlösung, entsprechen im Kern dem Erkenntnisgegenstand der gestaltungsorientierten WI bzw. dem sogenannten Design Science Ansatz (Österle et al., 2010) (Hevner, March, Park & Ram, 2004). Als zweite Forschungsrichtung lässt sich die Erforschung von CI und CIS als solche identifizieren. Diese Richtung räumt ein, dass trotz inzwischen etablierter begrifflicher Grundlagen (Aulinger, 2009), eine allgemeine Theorie der CI fehlt. Ebenfalls ganz im Sinne des Design Science Ansatzes muss also eine theoretische Grundlage für das Design von CIS geschaffen werden und gleichzeitig aufgezeigt werden, wie das Design wieder um die Theorie informieren kann.

Das zentrale, und derzeit ungelöste, Forschungsproblem in den Feldern CI und CIS, ist somit die Entwicklung einer allgemeinen Lösung für das sogenannte inverse Problem der CI: gegeben eine Klasse von Problemen oder Aufgaben, finde ein CIS, welches diese Klasse von Problemen lösen kann (Wolpert & Tumer, 2000). Die Bearbeitung dieses Forschungsproblems kann dabei sowohl die Lösung konkreter Instanzen des Problems als auch die Entwicklung allgemeiner Modelle und Methoden zu dessen Lösung beinhalten.

Collective Intelligence am Lehrstuhl für Informationsmanagement

Der Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Informationsmanagement (B*IMA) an der FernUniversität in Hagen hat seinem Selbstverständnis nach eine interdisziplinäre Ausrichtung mit Fokus auf die Schnittstelle von Wirtschaft und Informatik (B*IMA, 2010). Durch dieses Selbstverständnis und einen theoriegeleiteten Forschungsansatz ist der B*IMA Lehrstuhl ein ideales Umfeld für die CI Forschung. Daher ist es nicht verwunderlich, dass CI schon kurz nach dessen Gründung zu einem ausgewiesenen Forschungsschwerpunkt des B*IMA-Lehrstuhls wurde.

In einem Forschungsprojekt unter der Leitung von Ulrike Baumöl und Henrik Ickler wurden die Möglichkeiten zur Wertschöpfung durch webbasierte CI eingehend erforscht und systematisiert. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes entstanden neben einer Dissertationsschrift (Ickler, 2012) auch diverse Publikationen (Ickler, 2010b) (Ickler & Baumöl, 2010) (Ickler, 2010a) (Ickler & Baumöl, 2011) zum Thema CI. Die COLLIN 2010, ein internationales Symposium zur CI, fand in Hagen statt und Ulrike Baumöl ist Mitherausgeberin zweier einschlägiger Tagungsbände in der renommierten Reihe ,Advances in Intelligent and Soft Computing’ (Bastiaens, Baumöl & Krämer, 2010) (Altmann, Baumöl & Krämer, 2011).

Nach Henrik Icklers erfolgreicher Promotion im Jahr 2011 übernahm Alexander Kornrumpf den Forschungsschwerpunkt CI am Lehrstuhl. Schon in einem ersten gemeinsamen Arbeitspapier identifizieren Alexander Kornrumpf und Ulrike Baumöl die Notwendigkeit, Emergenz und individuelle Motivation in CIS zu verstehen (Kornrumpf & Baumöl, 2012). Dies macht bis heute den Kern ihres gemeinsamen Forschungsinteresses aus. Ziel ist es dabei zu zeigen, wie Problemlösungsprozesse in CIS in Form von Markov-Entscheidungsprozessen bzw. einer Erweiterung derer, den stochastischen Spielen, zweckmäßig modelliert und simuliert werden können. Eine solche Simulation kann helfen, emergentes Verhalten vorherzusagen und passende Anreize zu gestalten.

Literatur

  • Altmann, J., Baumöl, U. & Krämer, B. J. (Hrsg.). (2011). Advances in collective intelligence 2011 (Bd. 113). Berlin / London: Springer.
  • Aulinger, A. (2009). Entstehungsbedingungen und Definitionen kollektiver Intelligenz. In A. Aulinger & M. Pfeiffer (Hrsg.), Kollektive Intelligenz (S. 23–60). Stuttgart: Steinbeis-Edition.
  • Bastiaens, T., Baumöl, U. & Krämer, B. J. (Hrsg.). (2010). On collective intelligence (Bd. 76). Berlin / Heidelberg: Springer.
  • Hevner, A. R., March, S. T., Park, J. & Ram, S. (2004). Design science in information systems research. MIS Quarterly, 28 (1), 75–105.
  • Ickler, H. (2010a). An approach for the visual representation of business models that integrate web-based collective intelligence into value creation. In T. Bastiaens, U. Baumöl & B. J. Krämer (Hrsg.), On collective intelligence (Bd. 76, S. 25–35). Berlin / Heidelberg: Springer.
  • Ickler, H. (2010b). Typologisierung von Geschäftsmodellen der webbasierten kollektiven Intelligenz. In K. Meißner & M. Engelien (Hrsg.), Virtual enterprises, communities & social networks (S. 257–270). Dresden: TUDPress.
  • Ickler, H. (2012). Wertschöpfung durch webbasierte kollektive Intelligenz: Geschäftsmodelle, Prozessarchitekturen und informationstechnische Umsetzung. Norderstedt: Books on Demand.
  • Ickler, H. & Baumöl, U. (2010). Swarm-based coordination of business networks: An approach for collaborative value creation of innovative goods and services. In Proceedings of the 43nd annual hawaii international conference on system sciences (S. 10 pages). Los Alamitos and CA: IEEE Computer Society.
  • Ickler, H. & Baumöl, U. (2011). Adding value with collective intelligence: A reference framework for business models for user-generated content. In J. Altmann, U. Baumöl & B. J. Krämer (Hrsg.), Advances in collective intelligence 2011 (Bd. 113, S. 37–55). Berlin / London: Springer.
  • Kapetanios, E. (2008). Quo vadis computer science: From turing to personal computer, personal content and collective intelligence. Data & Knowledge Engineering, 67 (2), 286–292.
  • Lykourentzou, I., Vergados, D. J. & Loumos, V. (2009). Collective intelligence system engineering. In Proceedings of the international conference on management of emergent digital ecosystems (S. 134–140). New York and NY: ACMPress.
  • Malone, T.W. (2008). What is collective intelligence and what will we do about it? In M. Tovey (Hrsg.), Collective intelligence (S. 1–4). Oakton and VA: Earth Intelligence Network.
  • O’Reilly, T. (2007). What is web 2.0: Design patterns and business models for the next generation of software. Communications & Strategies, 65 (1), 17–37. Verfügbar unter http://oreilly.com/web2/archive/what-is-web-20.html
  • Österle, H., Becker, J., Frank, U., Hess, T., Karagiannis, D., Krcmar, H. et al. (2010). Memorandum zur gestaltungsorientierten Wirtschaftsinformatik. Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 62 (6), 664–672.
  • Wolpert, D. H. & Tumer, K. (2000). An introduction to collective intelligence. In J. Bradshaw (Hrsg.), Handbook of agent technology. AAAI Press/MIT Press.
Lehrstuhl Baumöl | 09.04.2024