Interdisziplinäre Tagung zur politischen Kulturgeschichte der deutschen Teilstaaten und Österreichs nach 1945

Thema: „Mensch und Staat. Erfahrungs- und kommunikationsgeschichtliche Perspektiven“

am 19.- 20. September 2014, FernUniversität in Hagen, Seminargebäude Raum 4 und 5, Universitätsstraße 33 / KSW, 58097 Hagen

Als historischer Forschungsgegenstand haben Staaten eine lange Tradition, jedoch geriet der Staatsbürger erst im Laufe des 20. Jahrhunderts in den Fokus der Geschichtswissenschaft – und zwar vor allem als Objekt regierungs- und parteipolitischen sowie administrativen Handelns bzw. als politischer Akteur im Rahmen der Normen und Institutionen des Verfassungsstaats. Erst in jüngster Zeit bricht sich die Erkenntnis Bahn, dass politisches (wie überhaupt menschliches) Handeln im Spannungsfeld von Kognition und Emotion erfolgt. Rationalität und Irrationalität begleiten demnach den Menschen in seiner Begegnung mit dem Politischen – ob als Gestalter oder Betrachter, als aktiver Teilnehmer oder als passiver Beobachter.

Die „Kulturgeschichte des Politischen“ hat sich u.a. zum Ziel gesetzt, der Interdependenz von Herrschaft, Gesellschaft und Individuum nachzuspüren und hierzu bereits bedeutende Ergebnisse geliefert. Wichtige perspektivische Erweiterungen eröffnet ferner die neuere Zivilgesellschaftsforschung, die den Kreis der politischen Akteure vergrößert und die Frage des Verhältnisses zwischen Individuum und Staat neu bewertet. Freilich bleiben hier vorpolitische Grunddispositionen jenseits des aktiven zivilgesellschaftlichen (und damit politischen) Handelns meist unberücksichtigt. Die Wahrnehmungs- und (erfahrungsgeschichtliche) Verarbeitungsperspektive der relativ inaktiven, aber dennoch politisch reflektierenden Adressaten staatlichen Deklamierens und Handelns bleibt damit zu großen Teilen unerforscht.

Die Tagung „Mensch und Staat“ versucht dem Desiderat zu begegnen, indem erfahrungs- und kommunikationsgeschichtliche Perspektiven konsequent „von unten“ eingenommen werden. Ihr Programm ist der Erfahrungs- und Diskursgeschichte zugewandt. Die daran anschließenden Binnengliederungen folgen dem auf das Zusammenspiel kognitiver und mentaler Mechanismen gerichteten Erkenntnisinteresse und können dazu beitragen, den Wechselwirkungen zwischen lebensweltlicher und staatlicher Ebene empirisch auf die Spur zu kommen. In thematischer Hinsicht finden unter anderem erfahrungsgeschichtliche Aspekte der Schul- oder Militärzeit Berücksichtigung, ferner architektonisch-stadtplanerische Gestaltungen und künstlerische Verarbeitungen im Rahmen der Produktion und Rezeption staatlicher Sinnstiftung sowie als Elemente diskursiver Praxis.

Mit dem der Tagung unterlegten Vergleich zwischen Bundesrepublik, Deutscher Demokratischer Republik und zweiter österreichischer Republik werden drei unterschiedlich konfigurierte Gesellschafts-, Staats-und Regierungsformationen in den Blick genommen, die in der Nachkriegsepoche in besonderer Weise vor der Herausforderung der Neubildung und Umformierung politischer und staatlicher Identitätsstrukturen und einer Neugestaltung des Verhältnisses von Mensch und Staat standen.

Tagungsprogramm

Freitag, 19. September 2014

9:00 bis 9:15 Frank Hillebrandt (Prodekan der Fakultät Kultur- und Sozialwissenschaften): Tagungseröffnung

9:15 bis 9:45 Arthur Schlegelmilch: Einführung

Der Staat im lebensgeschichtlichen Erfahrungshorizont

9:40 bis 10:40 Christian Müller: Militär im Leben – Leben im Militär. Staatsbürger und Streitkräfte im geteilten Deutschland.

(30 Minuten Vortrag und anschließende Diskussion)

10:40 bis 11:00 Kaffeepause

11:00 bis 12:00 Peter Becker:„… der Beamte im Dienst hat – so wie der Papst in Glaubensfragen – immer recht.“ Die Ehre der Verwaltung und der Unmut der Bürger in der Zweiten Republik

(30 Minuten Vortrag und anschließende Diskussion)

12:00 bis 13:00 Steffen Otte: Rentner im Arbeiter- und Bauerstaat – Randgruppe in einer arbeitszentrierten Gesellschaft?

(30 Minuten Vortrag und anschließende Diskussion)

13:00 bis 14:00 Mittagessen

Der Staat als „Heimat“

14:00 bis 15:00 Johanna Gehmacher: "‚Österreichs Söhne‘ und die ‚Töchter der Zeit‘.

Geschichtspolitik und die Inszenierung nationaler Identität als Projekt politischer Eliten"

(30 Minuten Vortrag und anschließende Diskussion)

15:00 bis 16:00 Michaela Fenske: „Schreiben als Strategie der ´Selbst-Beheimatung`-

Briefe an Politiker und politische Institutionen in der Bundesrepublik nach 1945

(30 Minuten Vortrag und anschließende Diskussion)

16:00 bis 16:30 Kaffeepause

16:30 bis 17:30 Arthur Schlegelmilch: Die DDR als das „wahre Vaterland des Volkes“?

(30 Minuten Vortrag und anschließende Diskussion)

19:30 Gemeinsames Abendessen

Samstag, 20. September 2014

Der Konsum- und Wohlstandsstaat

9:00 bis 9:30 Kaspar Maase: "Die Freiheit, gut einzukaufen. Zum historischen Zusammenhang von Konsumkultur und Demokratieverständnis".

9:30 bis 10:00 Oliver Kühschelm: Österreich und seine Konsumenten. Eine Beziehungsgeschichte (1945-1980)

10:00 bis 10:30 Manuel Schramm: Die "Wende" von 1989 als Konsumrevolution

10:30 bis 11:00 Kaffeepause

11:00 bis 12:00 Diskussion

12:00 bis 13:00 Mittagessen

Architektur und Kunst als Kommunikationsräume zwischen Mensch und Staat

13:00 bis 13.30 Frank Hager: Architektur und Stadtplanung in der SBZ und frühen DDR. Kommunikationsräume im Spannungsfeld zwischen Mensch und Staat

13.30 bis 14.00 Paul Kaiser: Bilderstreit der Geltungskünste. Bildende Kunst als gesellschaftliche Integrationsmedium und staatliches Differenzsystem zwischen Ost und West (1945-2010)

14.00 bis 14.45 Diskussion

14.45 bis 15.00 Erfrischungspause

15.00 bis 16.00 Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussdiskussion

16.00 Tagungsende

Rückfragen: Prof. Arthur Schlegelmilch, Feithstr. 152, Villa, Tel.-Nr. 02331 9874007

Anmeldungen: eva.engelhardt@fernuni-hagen.de

08.04.2024