13. Studienwoche Literatur- und Medienwissenschaft 2018

Thema „Außenseiter in Literatur und Film“

Termin: 4.-8. Juni 2018

Mit der Studienwoche wendet sich das Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft an alle Studierenden des Faches Literatur im B.A. Kulturwissenschaften und im M.A. Europäische Moderne: Geschichte und Literatur. Dabei ist es natürlich gleichgültig, ob Sie das Fach Literatur als Schwerpunkt studieren oder nicht. Auch Studierende aus dem Akademie-Studium können an der Studienwoche teilnehmen.

Wie in den Studienwochen der vergangenen Jahre (vgl. Sie dazu unser Archiv der Studienwochen seit 2008) bieten die Lehrenden des Instituts eine Ringvorlesung, sechs Seminare und eine Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten an. Ein öffentlicher Abendvortrag rundet das Programm ab. Während der Studienwoche besteht darüber hinaus die Gelegenheit zu persönlicher Studienberatung in den Sprechstunden der Lehrenden des Instituts.

Videos der Ringvorlesungen und des Abendvortrags der 13. Studienwoche Literatur- und Medienwissenschaft

Programm

  • Ohne Außenseiter geht es nicht. Es gibt sie in allen Bereichen und sie erfüllen eine notwendige Funktion in jeder Kultur. Jemand kann sich ungewollt in die Position des Außenseiters versetzt sehen, jemand kann sich entscheiden, ein Außenseiter sein zu wollen. Die Frage ist immer, wie man damit umgeht. Für die Bearbeitung dieser Frage stellen Erzählungen und Darstellungen in Literatur und Medien die entscheidenden Modelle bereit. So kann der Außenseiter in verschiedener Weise zum Opfer werden oder aber zum Helden. Denn auch Helden (und Heldinnen) sind Außenseiter. Die Weltliteratur kennt daher viele große Außenseiterfiguren: von Kassandra bis Michael Kohlhaas, von Bartleby bis zum Käthchen von Heilbronn. Nicht minder der Film. Man denke an Citizen Kane von Orson Welles oder Belle de Jour von Luis Bunuel. Aber nicht nur auf der Ebene der Figuren, sondern auch auf der Ebene der Produzenten – der literarischen und filmischen Autoren – gibt es berühmte Außenseiter wie etwa Friedrich Hölderlin oder Karoline von Günderode, Franz Kafka oder Rainer Werner Fassbinder.

    Die Studienwoche wird sich – unter Berücksichtigung beider Ebenen – einer Auswahl von Außenseitern widmen. Dabei soll der Blick – was die Figuren betrifft – freilich nicht nur auf die großen unzweifelhaften Außenseiter gerichtet werden, sondern auch auf die weniger offensichtlichen Gestalten, deren Außenseiterposition erst durch die literarischen und filmischen Verfahren sichtbar gemacht und thematisiert wird.

  • ‚Außenseiter‘: Außenseiten und Innensichten einer Figur in Literatur und Film

    Professor Dr. Johannes F. Lehmann (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)

    Termin: Dienstag, 5. Juni 2018, 19:15 Uhr

    Außenseiter gibt es in und außerhalb der Literatur schon sehr lange, Hans Mayer hat das in seinem 500-seitigen „Essay“ Außenseiter (1975) ausgehend von Bibeltexten, Shakespeare, Marlowe und anderen breit gezeigt. Wort und Begriff des Außenseiters gibt es dagegen noch nicht sehr lange, im Grimmschen Wörterbuch gibt es das Lemma 1854 noch nicht. Die ersten Belege des Wortes erscheinen erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und – sie finden sich nicht im Feld der Sozialpsychologie, sondern im Kontext von Sport und Kartellrecht. Ich möchte in meinem Vortrag das Phänomen des Außenseiters zum einen von dieser Vorgeschichte seiner Begriffsverwendung her begreifen und zum anderen das im Begriff implizierte Verhältnis von Innen und Außen wörtlich nehmen und es im Hinblick auf spezifische narrative und ästhetische Darstellungsverfahren in Literatur und Film perspektivieren. Dabei werde ich unter anderem auf Texte von Kleist, Büchner, Flaubert, Musil und Fatma Aydemir eingehen sowie auf Filme von David Lynch, Brian di Palma und Nic Balthazar.

  • Vorlesung: „Partituren des Nonkonformismus“. Jakob Michael Reinhold Lenz oder: Warum wir die Außenseiter lieben

    Professor Dr. Uwe Steiner

    Termin: Dienstag, 5. Juni 2018, 11:15 - 12:45 Uhr

    In der Meinung, Nonkonformismus sei dem Konformismus vorzuziehen, gehen wir heute alle mehr oder weniger konform. Jedwedes Zentrum erschließt sich für uns allein von seiner Peripherie her. Erst die Abweichung, erst der Außenseiter, darin kommt man heute überein, ermöglicht uns die rechte Sicht aufs Innen. Das war nicht immer so, dieser Glaube musste erst etabliert werden. Und zwar pflegt man die Überzeugung, die Norm würde erst von ihrer Ausnahme her sichtbar, seit dem späten 18. Jahrhundert. Hier beginnt die kulturelle Adlung der Außenseiterposition zum Ort einer Wahrheit, die aus der Konvention, aus dem Innen, aus dem Bereich des Etablierten heraus, niemals zu erlangen wäre. Die Vorlesung versucht das an einem konkreten Fall darzustellen. Jakob Michael Reinhold Lenz, neben dem jungen Goethe der wichtigste Autor des Sturm und Drang, hat gewiss die Biographie eines Außenseiters geführt, insofern er nie so recht ins bürgerliche Leben finden konnte, es auch nicht wollte, und am Ende auch elend scheiterte. Zuvor jedoch lassen sich in seiner Literatur wie in seiner Existenzweise Strategien einer Inszenierung des Abweichlertums finden, in deren Folge der Außenseiter zum Rollenmodell avanciert. Das hat viel damit zu tun, dass die Stürmer und Dränger, als literarische Gruppe, eine Sozialform repräsentieren, die man später, seit dem 19. Jahrhundert, als Bohème bezeichnen wird. Schon damals, im 18. Jahrhundert, verhalten sich der (so nicht benannte) Bohèmien und der Bürger wechselseitig parasitär zueinander. Diverse literarische Projekte Lenzens künden nicht nur vom Projekt, die „Exklusionsindividualität“ (Luhmann) genieästhetisch zu überhöhen. Sie erheben dabei den nicht eben bescheidenen Anspruch, aus ihrer Position heraus das Ganze, so z.B. die Nation oder die Republik, zu reformieren. Das „Volk muß […] geführt werden“, meint Lenz, weil es andernfalls „in seinem Geschmack eben so unbestimmt und schwankend sein würde“ wie in „seinen Handlungen“. Das Ästhetische erlangt Autonomie, gewiss, aber damit, in den Augen der Stürmer und Dränger, eine privilegierte Zuständigkeit fürs Ganze. Der Außenseiter will draußen, zugleich aber ganz drinnen sein.


    Vorlesung: Der Leser als Außenseiter

    Dr. Peter Risthaus

    Termin: Mittwoch, 6. Juni 2018, 11:15 - 12:45 Uhr

    In seiner Eloge auf den "langen Sommer der Theorie", hat Philipp Felsch die wichtige Geschichte eines Verlags verfasst, der wie kein anderer die theoretische 'Sonne' hat aufgehen lassen: der Merve-Verlag aus Berlin. Dessen Verleger wird hier als Leser dargestellt, der seine Bücher nur herausgeben konnte, weil er nicht schreibt und sich jener "Lust am Text" hingibt, die Roland Barthes in seinem gleichnamigen Buch untersucht hat. Dabei wird der Leser als Außenseiter und Anti-Held schlechthin bezeichnet. In der Vorlesung werden wir dieser These durch Theorie wie Literatur, von Barthes bis Oblomow folgen und zuletzt fragen, ob nicht der wissenschaftliche Leser der Außenseiter par excellence ist.


    Vorlesung: Der Sexualmörder. Ein Phantasma unbeherrschter Männlichkeit

    Junior-Professorin Dr. Irina Gradinari

    Termin: Donnerstag, 7. Juni 2018, 11:15 - 12:45 Uhr

    Lustmörder, später Sexual- und Serienmörder, sind ein Faszinosum der westlichen Kultur. In den Narrativen, die von ihnen berichten, erscheinen sie jedoch zumeist als Außenseiter: In der Epoche der Kriminalanthropologie wird ihre Gewalt als Ausbruch einer normalerweise eingedämmten „Natur“, also als Ausfall der Kultur angesehen; in den späteren psychologischen Studien wird der Täter als ein in die Vaterordnung nicht integrierter Einzelgänger beschrieben, der in seinem inzestuösen Begehren der Mutter gefangen bleibt. Auch unter Gefängnisinsassen gelten Sexualverbrecher als Außenseiter, werden aus kriminellen Gruppierungen ausgestoßen. Nähert man sich dem Thema aus der Perspektive der Geschlechterforschung, erscheinen Lust- und Sexualmörder als diskursive Konstruktionen, die ohne ästhetische Darstellungsstrategien gar nicht möglich wären. Sie dienten lange Zeit (in Analogie zur Hysterie) als Ausschlussfiguren, um Abweichungen von der heteronormativen Ordnung fernzuhalten und die Norm zu stabilisieren. Daher ermöglichen sie im Umkehrschluss Aussagen über kulturelle Normalisierungsmechanismen und den herrschenden Gender-Diskurs. In der Vorlesung wird die Diskursgeschichte des Sexualmörders von der Entstehung des Mythos Ende des 19. Jahrhunderts bis zu seiner völligen wissenschaftlichen Diskreditierung in den 1980er Jahren verfolgt. In diesem Zusammenhang wird generell das Verhältnis zwischen Kriminologie und Literatur/Film und damit zwischen Faktizität und Fiktionalität diskutiert. Zudem wird die konstitutive Rolle literarischer und filmischer Medien in der Formierung und Modifizierung dieses Phantasmas analysiert.


    Vorlesung: Der Abenteurer (und die Abenteurerin)

    Professor Dr. Michael Niehaus

    Termin: Freitag, 8. Juni 2018, 11:15 - 12:45 Uhr

    In Abenteuer kann man geraten, man kann sie aber auch suchen. In diesem Fall ist man ein Abenteurer (oder eine Abenteurerin). Die Faszination, die von dieser ambivalenten Figur ausgeht, hängt damit zusammen, dass sie den Bereich der geordneten Verhältnisse von sich aus durchbricht und sich insofern selbst zum Außenseiter macht. Die Vorlesung wird, ausgehend von einer Phänomenologie des Abenteurers, anhand von Beispielen aus der Literatur fragen, wie es um ihn bestellt ist und warum ein Abenteurer etwas anderes ist als eine Abenteurerin.

  • Barbara Bollig, M.A.

    Termine: Montag, 4. Juni 2018, bis Donnerstag, 7. Juni 2018, jeweils 15:15 – 16:45 Uhr

    Erläuterungen:

    Das „Herz der Finsternis“ findet immer wieder Einzug in die literarischen Werke diversester AutorInnen unterschiedlichster zeitlicher und kultureller Kontexte – und die Ausgestaltung des afrikanischen Umfeldes, der dort Heimischen sowie derer, die es aus verschiedensten Gründen dorthin verschlägt, könnte vielseitiger nicht sein. Dennoch bildet sich in westlichen Literaturen (und damit auch in deutschsprachigen Texten) eine stark kolonialistisch geprägte Sicht auf ‚Afrika‘ heraus; eine Sicht, die verstellt, dass sich dieser Kontinent aus einer Vielzahl einizigartiger Länder und ebensolcher Menschen, kultureller Strömungen und politischer Entwicklungen konstituiert. Bis heute stellen Topoi wie Invasion, Ausbeutung und Genozid durch Imperialmächte oder aber Zuschreibungen von Barbarität und Korruption Hauptbestandteile der literarischen Auseinandersetzung mit Afrika dar; Chaos und soziale Anarchie stechen ebenso hervor wie Sexismus und Missionarsarbeit – letztere besonders im Rahmen sogenannter „humanitärer Interessen“.
    Postkoloniale Perspektiven und die Aufschlüsselung jener Mechaniken, die zur Darstellung Afrikas in der oben genannten Art und Weise führen, finden etwa seit den 1980er Jahren Einzug in die deutschsprachige Literatur, sowohl in Form von weniger einseitigen Darstellungen Afrikas als auch durch die moralische Reflexion bspw. kolonialgeschichtlicher oder humanitärer Interessen. Durchgeführt von ProtagonistInnen konstituieren eben diese Reflexionen und Evaluationen von Moral gegenüber Befehlsausführung AußenseiterInnen im Kontext des (post-)kolonialistischen Gegenwartsromans, die es kritisch zu beleuchten gilt.

    Dieses Seminar behandelt zwei literarische Beispiele dieser Natur:
    Uwe Timms „Morenga“, ein historischer Roman, der akribische Recherche realhistorischer Fakten mit künstlerischer Imagination verbindet, stellt seinen Protagonisten Gottschalk während der sogenannten Hottentotten-Revolte in Deutsch-Südwestafrika (heute: Namibia) 1904 vor die entscheidende Frage der Befehlsausführung gegenüber der Desertion. Die Geschichte des Veterinärs, seine Wahrnehmung der afrikanischen Landschaft (und den mit dieser verknüpften Frauen) sowei sein Zusammentreffen mit Morenga, dem Anführer der aus deutscher Sicht ‚feindlichen‘ Afrikaner stellen eine Grundlage des Seminars dar. Eine zweite bietet Lukas Bärfuss‘ „Hundert Tage“, ein Roman, der den naiven Idealismus des schweizer Entwicklungshelfers David Hohl in Kontext des 1994 in Ruanda stattfindenden Genozids brutal dekonstruiert und die Frage nach der Involviertheit ‚weißer‘ Organisationen in die Korruption und den gewalttätigen Aufruhr in dem afrikanischen Land stellt. Es wird jedoch auch zu diskutieren sein, inwiefern der Protagonist sich kritisch mit kolonialen Klischees auseinandersetzt bzw. diese perpetuiert – auch hier spielt unter anderem die Beziehung zu einer afrikanischen Frau eine wichtige Rolle.

    Bitte bereiten Sie zur Diskussion im Seminar folgende Lektüren vor:

    • Lukas Bärfuss: Hundert Tage. München: btb 2010. (ISBN 9783442739035)
    • Uwe Timm: Morenga. München: dtv 2011. (ISBN 9783423127257)
  • Dr. Mirna Zeman

    Termine: Montag, 4. Juni 2018, bis Donnerstag, 7. Juni 2018, jeweils 15:15 – 16:45 Uhr

    Erläuterungen:

    Als »ZynikerIn« gilt jemand, der/die aus einer verneinenden Haltung heraus Ideale, Werte und Konventionen der Gesellschaft missachtet und/oder ins Lächerliche zieht. Den »ZynikerInnen«, sagt man, sei alles gleichgültig, nichts »heilig«.
    Begriffsgeschichtlich geht der Terminus »Zynismus« auf die antiken Kyniker zurück. Der prominenteste Held der anekdotisch überlieferten Geschichte der kynischen Lebensweisen und Tabubrüche ist Diogenes von Sinope mit dem Beinamen »Hund«.
    Im Seminar befassen wir uns mit der Figur des kynischen Provokateurs Diogenes und mit zahlreichen Varietäten der Außenseiter-Spezies »ZynikerIn«, die die europäische Literatur- und Kulturgeschichte zeichnen. Wir schauen uns literarische und filmische Charakterbilder von »ZynikerInnen« an, die mit bissig-satirischen und witzigen Sprüchen, allerlei praktischen Frechheiten und obszönen Provokationen gegen die Sitten, Gebräuche, Moden und Lifestyles des gesellschaftlichen Mainstreams vorgehen. Dabei geraten die Praktiken der unverblümten und »unverschämten« Kritik, offen-aggressive Dissensmarkierungen und Tabubrüche, die gemeinhin als »zynisch« gelten, in den Blick.

  • Nils Jablonski, M.A.

    Termine: Montag, 4. Juni 2018, bis Donnerstag, 7. Juni 2018, jeweils 17:15 – 18:45 Uhr

    Erläuterungen:

    Der Vampir ist nicht nur ein ‚Medienliebling‘, wie es Claudia Pütz in ihrer Untersuchung zu dieser literarischen Figur herausstellt, er ist vor allem ein Außenseiter. Als solcher avanciert der blutsaugende Wiedergänger seit seiner Popularisierung durch Bram Stokers Dracula und die ersten Verfilmungen dieses Romans zur topischen Figur eines spezifischen Typus von Monster, der konstitutiv ist für das nach ihm benannte Subgenre des sog. ‚Vampirfilms‘. Aus einer medienästhetischen Perspektive sollen im Seminar filmische Inszenierungen des Vampirs in (aktuellen) Spielfilmen wie u.a. Shadow of the Vampire (USA/GB/LUX 2000, Regie: E. Elias Merhige), Twilight (USA 2008, Regie: Catherine Hardwicke), Let Me In (USA 2010, Regie: Matt Reeves) oder A Girl Walks Home Alone at Night (USA 2014, Regie: Ana Lily Amirpour) untersucht werden. Als gewissermaßen ‚automatisierte Folie‘ bildet Stokers Roman die gemeinsame Arbeitsgrundlage für die Seminardiskussion, weshalb die vorangehende Lektüre von Dracula die Voraussetzung für die Teilnahme am Seminar darstellt (Bram Stoker: Dracula, übersetzt von Andreas Nohl, München: dtv 2014). Die medienästhetische Untersuchung der verschiedenen Vampir-Inszenierungen und ihrer genrespezifischen Verfahren wird mit Bezug auf einschlägige Literatur (insbesondere der englischsprachigen Fantastikforschung) um eine kultursemiotische Perspektive erweitert. Diese macht im Außenseiter Vampir die Figuration eines ‚kulturellen Anderen‘ lesbar. Vor diesem Hintergrund lässt sich fragen, inwieweit die Funktion des untoten Revenants in der kollektiven Artikulation eines gewissermaßen ‚integrierenden Ausschlusses‘ von tabuisiertem Begehren und verdrängter Furcht liegt. Durch die Arbeit an und mit den filmischen Artefakten übt das Seminar in elementare literatur- und medienwissenschaftliche Arbeitsweisen ein und fundiert dabei die notwendigen terminologischen Voraussetzungen für eine neoformalistische Filmanalyse. Das Seminarprogramm einschließlich einer Bibliographie mit weiterführender Literatur wird rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn per E-Mail bekannt gegeben.

  • Jessica Güsken, M.A., und Fynn-Adrian Richter

    Termine: Montag, 4. Juni, bis Donnerstag, 7. Juni, jeweils 17:15 – 18:45 Uhr

    Erläuterungen:

    In Zeiten moderner Biotechnologien, der Erfindung artifizieller Intelligenzen und fortschreitender prothetischer Erweiterung feiert der Mensch einerseits emphatisch sein technologisches Enhancement und seine künstliche Reproduzierbarkeit. Andererseits phantasiert er in Literatur und Film aber auch immer wieder sein Ende als vermeintlicher dominium terrae: Die über-menschlich perfekten technischen Artefakte rufen sowohl eine „anthropologische Ungewissheit“ (J. Baudrillard) hervor, wie sie auch eine „Antiquiertheit des Menschen“ (G. Anders) vor Augen stellen. In auffälliger Weise verknüpft sich dabei mit dem topischen Motivkomplex des künstlichen Menschen/der künstlichen Intelligenz – man denke etwa an Pygmalions Galatea oder Mary Shelleys Frankenstein – auch die Verhandlung darüber, ob der Mensch selbst in die Position eines Außenseiters gegenüber seinen Maschinen gerät.

    Das Seminar widmet sich nun ausgewählten Filmen, die diese Außenseiter-Rolle reflektieren: So inszeniert Ridley Scott mit seinem stilbildenden Film Blade Runner (USA/Hongkong/GB, 1982) ein dystopisches Szenario, in dem der Mensch von seinen eigenen Schöpfungen (Replikanten) bedroht wird und stellt zugleich die Frage, ob diese Replikanten nicht gar ‚menschlicher als der Mensch‘ seien. In Spike Jonzes Her (USA, 2013) verliebt sich der Protagonist in sein Operating System (OS), muss aber nach einer Zeit ungebrochener Zweisamkeit mehr und mehr feststellen, dass seine Geliebte in einer digitalen Welt unbekannter Ausmaße millionenfache Beziehungen (er)lebt, zu der er als Mensch keinen Zugang haben kann. Alex Garlands Kammerspiel Ex Machina (GB, 2015) behandelt auf diegetischer Ebene eine Neuauflage des Turing-Tests, der die Grenzen zwischen Mensch und Android zu bestimmen versucht – und mündet in einer katastrophisch zu nennenden Überwindung des Menschen.

    Eine These von Ursula K. Heise abwandelnd kann man sagen, der Mensch erfinde sich in solchen posthumanen Szenarien als Außenseiter neu. Darüber hinaus aber stellen diese Ausgestaltungen gerade ein solches dichotomisches Denken aus und damit auch in Frage, und tragen so dem „Posthumanismus als Theorie-Paradigma“ (S. Herbrechter) Rechnung. So problematisieren jene Filme nämlich gleichzeitig tradierte anthropologische Gemeinplätze, wie z. B. diejenige Bestimmung des Menschen als homo faber, oder Kategorien wie ‚das Menschliche‘ an sich und erproben ein Denken einer gemeinsamen Verschränkung von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren – einer neuartigen „Anthropomedialität“ (C. Voss/L. Engell).

    Aus medienästhetischer, kultur- und filmwissenschaftlicher Perspektive wird im Seminar also nach der Inszenierung jenes Außenseiterstatus zu fragen sein: Wie wird vom ‚Außenseiter Mensch‘ erzählt, und kann er überhaupt als solcher in Szene gesetzt werden, d. h. auf der Leinwand zu sehen sein? Inwiefern wird die Narration dabei auch an nicht-menschliche Erzählinstanzen gekoppelt? Wie wird das der Rede vom Außenseiter immer schon eingeschriebene Verhältnis von Innen und Außen topographisch gestaltet? Und wie werden die Kategorien des Menschlichen und des Technischen aufgerufen, wo werden sie unterlaufen und damit problematisch?

    Die Teilnahme am Seminar setzt voraus, dass alle Teilnehmer*innen zuvor folgende Filme im Ganzen gesehen haben, die im Seminar gemeinsam anhand von Ausschnitten besprochen werden:

    • BLADE RUNNER (R. Scott, USA/Hongkong/GB 1982)
    • HER (S. Jonze, USA 2013)
    • EX MACHINA (A. Garland, GB 2015)

    Zur Vorbereitung auf die Seminardiskussion werden entsprechende Theorietexte den Teilnehmenden rechtzeitig per E-Mail bekannt gegeben.

    Zur Einführung in den Diskurs über das Posthumane empfohlen:

    • Rosi Braidotti: Posthumanismus. Leben jenseits des Menschen. Frankfurt/New York: Campus, 2014.
    • Stefan Herbrechter: „Kritischer Posthumanismus“, in: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung (ZMK) 7, 1, 2016. S. 61-67.
    • Stefan Herbrechter: Posthumanismus. Eine kritische Einführung. Darmstadt: WBG, 2009.
  • Dr. Christian Lück

    Termine: Dienstag, 5. Juni, bis Freitag, 8. Juni, jeweils 9:15 – 10:45 Uhr

    Erläuterungen:

    „Für mich ist auf Erden alles zu Ende. […] Ich habe in dieser Welt weder Nächsten, noch meinesgleichen, noch Brüder mehr. Ich bin wie aus der Welt, die ich bewohnte, auf einen fremden Planeten versetzt“, schreibt Jean-Jacques Rousseau in den Träumereien eines einsamen Spaziergängers, die in den letzten Monaten vor seinem Tod entstanden sind. Hier beschreibt jemand, der einst „in Mode“ war, aber auch schon in dieser Zeit eine Distanz und ein feines Unbehagen gegenüber engen Weggefährten gefühlt hat, seine Position als Außenseiter. Hat er sich in seinen früheren autobiographischen Schriften als absolut wahrhaftigen und einzigartigen, aber zugleich paradigmatischen Menschen dargestellt, so kann er auch als paradigmatischer Außenseiter gelten: Das extraterrestrische Außenseitertum bedeutet ihm letztlich – oder einmal mehr – die Möglichkeit, isoliert von „den Menschen“ sich selbst zu in den Blick zu nehmen: „Aber losgelöst von ihnen und von allem, was bin ich selbst? Das bleibt mir noch zu untersuchen.“ Hier geht er vor wie „die Physiker, wenn sie täglich den Zustand der Luft untersuchen“, indem er ein Barometer an seine Seele hält.

    Aber nicht nur das, was Rousseau nach eigner Überzeugung zum paradimatischen Außenseiter macht, soll in dem Seminar in den Blick genommen werden, sondern auch die vielen strukturalen Elemente, die bei späteren Außenseitern wiedergekehrt sind: der Gedanke einer Verschwörung, die in ihrem ganzen Umfang entdeckt wird; das Sich-Feien gegen Anfeindungen und Verletzungen zu einem Ich, das sich für so „unerschütterlich wie Gott selbst“ hält; der Rückblick auf eine Periode „vollkommenen Glücks“; die Momente, in denen sich all das selbst dementiert. Besonders wird die Frage nach der Stellung des autobiographisch schreibenden Subjekts zu stellen sein. Rousseaus Selbstauskunft zufolge schreibt er die Träumereien, anders als die Bekenntnisse nicht mehr aus dem Bedürfnis heraus, von seinen Mitmenschen oder sogar „einer anderen Generation“ „besser gekannt zu werden“ als von jenen, die ihn so verkennen und anfeinden. „[I]ch schreibe meine Träumereien nur für mich“, schreibt er. Tatsächlich ist das Manuskript, das er nicht mehr beenden konnte, erst posthum veröffentlicht worden. Man kann womöglich für sich selbst schreiben. – Aber kann man für sich allein schreiben? Nicht zuletzt wird auch nach dem Stellenwert des Spaziergangs zu fragen sein.

    Zu lesen:

    • Jean-Jacques Rousseau: Träumereien eines einsamen Spaziergängers. In: Schriften, hg. von Henning Ritter, Frankfurt/M. u.a.: Ullstein, 1981, Bd.2, S.637-760. [Oder jede andere Ausgabe]
    • ders.: Bekenntnisse, aus dem Franz. von Ernst Hardt, Frankfurt/M.: Insel, 1985. Daraus: Erstes Buch; siebentes Buch (nur die ersten 8 Absätze, ca. 3.5 Seiten), achtes Buch (nur bis zum Erfolg der Schrift „Der Dorfwahrsager“, nach ca. 25 Seiten).
    • optional zur Vorbereitung: Jean Starobinski: Rousseau. Eine Welt von Widerständen, aus dem Franz. von Ulrich Raulff, Frankfurt/M.: Fischer, 2003.
  • Dr. Irmtraud Hnilica und Dr. Vanessa Höving

    Termine: Dienstag, 5. Juni 2018, bis Freitag, 8. Juni 2018, jeweils 9:15 – 10:45 Uhr

    Erläuterungen:

    Immer wieder ist es der Literatur der Romantik um Ausnahmeexistenzen vom Künstler bis zum „Wechselbalg“ zu tun. In der Beschäftigung mit diesen Figuren wird ein Gegensatz von Kunst und Gesellschaft zunächst konstruiert, dann aber auch problematisiert. Im Seminar nehmen wir die komplexen romantischen Verhandlungen einer Programmatik der Weltabgewandtheit in den Blick; neben Auszügen aus Novalis‘ Blüthenstaub-Fragment sowie dem Heinrich von Ofterdingen sollen mit Klein Zaches genannt Zinnober und Der Sandmann zwei Erzählungen E.T.A. Hoffmanns im Zentrum der Seminardiskussion stehen. Die romantische Kunstreligion erschließen wir anhand von Tiecks und Wackenroders Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders.

    Auszüge aus Novalis‘ Blüthenstaub-Fragment sowie dem Heinrich von Ofterdingen werden im Seminar gestellt. Zur Vorbereitung sollen E.T.A. Hoffmanns Klein Zaches genannt Zinnober, E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann sowie die Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders von W.H. Wackenroder und Ludwig Tieck gelesen werden. Diese Texte sind auch in das Seminar mitzubringen, empfohlen wird die Anschaffung der jeweiligen Reclamausgabe.

    Darüber hinaus empfehlen wir zur grundlegenden Vorbereitung die Lektüre von:

    • Monika Schmitz-Emans: Einführung in die Literatur der Romantik, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 4. Aufl. 2016.

    Es besteht die Möglichkeit, Impulsreferate mit Bezug zu den oben angegebenen literarischen Texten zu halten. Bei Interesse setzen Sie sich bitte zur Absprache Ihrer Ideen in Verbindung mit Dr. Vanessa Höving (vanessa.hoeving) oder Dr. Irmtraud Hnilica (irmtraud.hnilica).

  • Dennis Götzen, M.A.; Kaja Ruhwedel, M.A.; Maximilian Busch, M.A.

    Termine: 5., 6. und 7. Juni 2018, jeweils 14:00 - 15:00 Uhr

    Zielgruppe: Primär Studierende des Bachelor-Studiengangs Kulturwissenschaften

    Erläuterungen:

    Die Übung macht u.a. mit den Recherchemöglichkeiten in Literaturdatenbanken, den Arbeitsstrategien und –techniken beim Verfassen von Hausarbeiten und den Standards des Zitierens und der bibliographischen Nachweise vertraut.

    Ablauf:

Anmeldung

Bitte beachten Sie bei Ihrer Anmeldung: Jeweils zwei Seminare werden zeitlich parallel angeboten (vgl. Zeitplan!). In diesen Fällen kann jeweils nur ein Seminar belegt werden.

29.04.2022