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Neues BMBF-Projekt untersucht die politischen Rahmenbedingungen für den Zugang von Geflüchteten zu medizinischer Versorgung in Deutschland

[24.04.2018]

Neues BMBF-Projekt untersucht die politischen Rahmenbedingungen für den Zugang von Geflüchteten zu medizinischer Versorgung in Deutschland

Wissenschaftlerinnen an der FernUni in Hagen (Dr. Renate Reiter und Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller) warben - gemeinsam mit KollegInnen aus Bielefeld und Speyer - BMBF-Projekt für 3,5 Jahre ein.

Insbesondere im Kontext der im Vergleich zu den Vorjahren hohen Asylantragszahlen der Jahre 2015 und 2016 sind erhebliche Defizite, u.a. im Bereich der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung nach Deutschland geflüchteter Menschen deutlich geworden. Dabei wäre ein unkomplizierter Zugang zu solcher Versorgung gerade für Menschen mit Fluchterfahrung äußerst wichtig. Viele von ihnen haben vor und während ihrer Flucht traumatisierende Erfahrungen gemacht. Dazu zählen in der Heimat und auf der Flucht das Erleben von Krieg, Gewalt sowie u.U. auch von Folter und der Verlust von Freunden und Angehörigen. Im Aufnahmeland angekommen sind sie häufig weiteren Stressfaktoren ausgesetzt wie einem unsicheren Aufenthaltsstatus, beengten Wohnverhältnissen, Rassismus, Diskriminierung, und eingeschränkten gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten.

Laut aktueller Forschung ist die Häufung traumatisierender Erfahrungen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit verbunden, eine Traumafolgestörung zu entwickeln. Entsprechende psychische Erkrankungen treten bei Geflüchteten weitaus häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Diese Erkrankungen können nicht nur dazu führen, dass die Bewältigung des Alltags für die Betroffenen zur Qual wird, sondern auch zu einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit in wichtigen Lebensbereichen. „Eine adäquate psychosoziale Versorgung von Geflüchteten ist nicht nur ein humanitäres Gebot, sondern stellt zugleich eine wichtige Voraussetzung für die Integration dieser Gruppe in die deutsche Gesellschaft dar“, betont Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller von der FernUniversität in Hagen.

Erschwerte Zugangsvoraussetzungen

Allerdings sind die Defizite beim Zugang zu entsprechender Behandlung vielfältig. So haben Geflüchtete unter dem Regime des Asylbewerberleistungsgesetzes nur einen Anspruch auf eine Akutversorgung, zu der eine längerfristige Psychotherapie normalerweise nicht gehört. Unter dem Regime der gesetzlichen Krankenversicherung hingegen werden die Kosten für Sprachmittlungsdienste nicht übernommen. Auch führen z.B. komplexe rechtliche Regelungen immer wieder zu Verunsicherungen darüber, ob entsprechende Leistungen bei den Kostenträgern abgerechnet werden können oder nicht. „Der Zugang von Geflüchteten zu Gesundheitsleistungen ist in Deutschland sowohl vom Aufenthaltsstatus der Person, sowie – je nach Status – teilweise auch von ihrer Aufenthaltsdauer abhängig. Dazu kommt, dass rechtliche Hintergründe oft je nach Region unterschiedlich ausgelegt und angewandt werden, wodurch sie für die betroffenen Akteure nur schwer zu durchblicken sind“, so Dr. Renate Reiter, eine der beiden Projektleiterinnen. In der Praxis scheitern Behandlungen darüber hinaus oftmals an einer unzureichenden Vorbereitung der Versorgungseinrichtungen auf die Anforderungen einer kultur- und sprachsensiblen Behandlung. Therapien sind für die Betroffenen daher oft nur in extra spezialisierten Zentren möglich, deren Kapazitäten allerdings begrenzt sind. All das führt häufig dazu, dass psychisch erkrankte Geflüchtete entweder gar nicht, verspätet oder falsch behandelt werden. Die Frage, wie diese Versorgung institutionalisiert ist, wurde aber bislang nicht systematisch untersucht.

Das MIGEP-Projekt

Um diese Forschungslücken zu füllen, haben Dr. Renate Reiter und Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller zusammen mit KollegInnen in Bielefeld und Speyer das Projekt „Migration und Institutionenwandel im deutschen Gesundheitswesen im Feld der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung von Geflüchteten (MIGEP)“ beantragt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die Dauer von 3,5 Jahren gefördert wird und zum 1.5.2018 seine Arbeit aufnimmt.

Weitere Infos zum MIGEP-Projekt finden Sie hier und auf der Projekt-Homepage

08.04.2024