Aktuelles

Chorographie zwischen Mimesis und Metrik

[27.03.2017]

Handgezeichnete regionale Landkarten in Westfalen (1450-1650)

Chorographie zwischen Mimesis und Metrik - Handgezeichnete regionale Landkarten in Westfalen (1450-1650)


Weitere Informationen

Ab Mitte des 15. Jahrhunderts sind in Westfalen handgezeichnete regionale Karten greifbar. Im Unterschied zu den im selben Zeitraum entstehenden gedruckten Karten handelt es sich i.d.R. um Unikate, die aus einem bestimmten Anlass oder für eine spezielle Verwendung angefertigt wurden. Mit ihnen kam ein neuartiges Medium auf, das auf eine Region bezogenes (aber nicht nur räumliches) Wissen in Bild und Text darstellte, vermittelte und speicherte. Verwendet wurden solche Karten in der Rechtsprechung, in einer Zeit zunehmender Territorialisierung aber auch für herrschaftliche Interessen und Belange, teils verknüpft mit der Darstellung naturräumlicher Gegebenheiten. Heute finden sich diese Karten in Archivbeständen, wo sie häufig in einen Aktenzusammenhang eingebettet sind. Das Promotionsprojekt betrachtet Karten und zugehörige Akten, um Grundlegendes zu den Anfängen regionaler Kartographie in Westfalen zu erarbeiten.
Aus der Beobachtung, dass ganz unterschiedliche Formen und Ausgestaltungen der Karten gleichzeitig erscheinen, von einer linearen Fortentwicklung also keine Rede sein kann, ergibt sich die Grundannahme des Promotionsvorhabens, dass mit diesen neuartigen Karten seit dem ersten Aufkommen im Spätmittelalter bis weit ins 17. Jahrhundert hinein experimentiert wurde, solange noch keine Konventionen und festen Vorgaben existierten. Es liegt nahe, dass die an der Kartenerstellung Beteiligten ihr bisheriges technisches, handwerkliches und künstlerisches Knowhow weiterhin nutzten und daher mittelalterliche Gestaltungstraditionen, die über die Darstellung räumlicher Gegebenheiten hinausreichten und weitere Bedeutungsebenen (z.B. zeitliche Elemente) einbezogen, in frühe regionale Karten einbrachten. Gleichzeitig werden sie ihre Voraussetzungen aber durch Einbindung neuartiger Kenntnisse (z.B. Vermessung) modifiziert, neue Darstellungsmöglichkeiten ausprobiert haben, um ein Instrument zu liefern, das den Erfordernissen der Zeit besser entsprach, weil es aufgrund veränderter Bedingungen (z.B. Auftraggeberinteressen) Vorteile brachte - letztlich mit der Folge, dass die graphische Darstellung die Raumbeschreibung in Textform, wie sie im Mittelalter üblich war, zurückdrängte.
Anhand ausgewählter Karten und Akten aus westfälischen Archiven sollen Voraussetzungen, Entstehungskontext, Herausbildungsprozesse und Bedeutung handgezeichneter regionaler Karten aus Westfalen in dieser "Experimentierphase" am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit untersucht werden, um herauszufinden, weshalb "ihre Zeit" als Kommunikations- und Visualisierungshilfe plötzlich gekommen war.

Das Promotionsprojekt ist im Doktorandennetzwerk der Historischen Kommission für Westfalen eingetragen.

08.04.2024