Präsenzveranstaltung

Thema:
Der Lebensborn und seine Kinder in der (ost-)deutschen Erinnerungskultur - ausgebucht!
Veranstaltungstyp:
Online-Seminar
Adressatenkreis:
BA KuWi: Modul G5;
Ort:
online
Adresse:
Online
Termin:
05.11.2021 bis
06.11.2021
Zeitraum:
05.11.21: 16:00 - 20:00 Uhr
06.11.21: 9:00 - 17:00 Uhr
Leitung:
Dr. Dorothee Neumaier
Anmeldefrist:
05.10.2021
Anmeldung:
Anmeldestart ca. 07.09.21

Im Dezember 1935 gründete Heinrich Himmler den Lebensborn als eingetragenen Verein, der organisatorisch in die SS eingegliedert wurde. Insbesondere ledige Frauen sollten unterstützt werden, um die Zahl der Abtreibungen zu reduzieren und die Geburtenrate zu erhöhen. Im Vorfeld wurden „rassische und erbbiologische“ Faktoren ausführlich überprüft, damit die Eltern den SS-Auslesekriterien entsprachen. Eigene Melde- und Standesämter ermöglichten, fern von Wohn- und Arbeitsort, eine geheime Entbindung. Die vermeintliche Fürsorge des Lebensborn beschränkte sich jedoch nur auf gesunde Kinder. Neben Entbindungs- und Kinderheimen im Deutschen Reich eröffnete der Lebensborn auch in den besetzen Gebieten entsprechende Einrichtungen, insbesondere in Norwegen. Ebenso war der Lebensborn an der gezielten Verschleppung von Säuglingen und Kindern, entsprechend äußerlicher Merkmale als „arisch“ klassifiziert, aus den besetzten europäischen Gebieten beteiligt.

Die mediale Darstellung des Lebensborn als „Bordell für SS-Männer“ prägte nahezu vier Jahrzehnte die öffentliche Erinnerungskultur und erschwerte eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung. Publizistische deutsche Veröffentlichungen der Nachkriegsdekaden kolportierten die Vorstellungen der „Lebensborn-Zuchtanstalten“ in der Bevölkerung nachhaltig. Auffallend in diesem Zusammenhang ist die starke Polarität: Einerseits gelten die Heime des Lebensborn bisweilen immer noch als „Begattungsheime“, in denen SS-Männer gezielt mit blonden Frauen zusammengeführt worden sein sollen, um „dem Führer ein Kind zu schenken“. Andererseits hat sich durch juristische Fehlurteile die Vorstellung etabliert, dass der Lebensborn ein sozialer Verein mit karitativen Zügen gewesen sei.

Obwohl der mit zahlreichen Mythen behaftete SS-Verein bereits unmittelbar nach dem Krieg auf das rege Interesse der Öffentlichkeit gestoßen war, wurde ein erster wissenschaftlich-historisch gehaltvoller Forschungsbeitrag erst Mitte der 1980er Jahre geliefert. Die umfassende Integration autobiographischer Berichte von Lebensbornkindern in die Erinnerungskultur fand jedoch verzögert statt.

Die Seminareinführung behandelt zunächst die maßgeblichen strukturellen Grundlagen des SS-Vereins, anschließend liegt der Fokus auf dem Lebensborn und seinen Kindern in West- und Ostdeutschland. In diesem Kontext werden Erinnerungszeugnisse unterschiedlicher Formate, beispielsweise Videointerview-Ausschnitte oder autobiographische Texte, herangezogen und ausgewertet. Somit werden nicht nur problembehaftete Aufarbeitungsprozesse, sondern auch erinnerungskulturelle Entwicklungsprozesse vergegenwärtigt.

Um entsprechende Grundlagenkenntnisse zu erlangen, stehen für die Seminarteilnehmenden zu Beginn des Wintersemesters 2021/2022 auf der Moodle-Umgebung „Der Lebensborn und seine Kinder in der (ost-)deutschen Erinnerungskultur“ Materialien bereit, deren selbstständige Lektüre als Seminarvorbereitung erwartet wird.

Eva Engelhardt | 20.10.2021