Präsenzveranstaltung
- Thema:
- Opfer, Geschlecht und Drama im 19. Jahrhundert: Hebbel, Grillparzer, Wagner u.a.
- Veranstaltungstyp:
- Onlineseminar
- Adressatenkreis:
-
BA KuWi:
Modul L3;
MA NdL:
Modul MANDL 1;
Modul MANDL 2;
Modul MANDL 3;
Modul MANDL 4;
Modul MANDL 5;
und alle Interessierte - Ort:
- Online
- Termin:
- 07.05.2021
bis
28.05.2021 - Zeitraum:
- Freitag, 7.5.2021, 16.00 – 18.00 Uhr
Samstag, 8.5.2021, 10.00 -12.00 Uhr
Freitag, 14.5.2021, 17.30-19.00 Uhr
Freitag, 21.5.2021, 17.30-19.00 Uhr
Freitag, 28.5.2021, 17.30-19.00 Uhr - Leitung:
-
Prof. Dr. Uwe Steiner
Dr. Wim Peeters - Anmeldefrist:
- 18.04.2021
- Anmeldung:
- Das Seminar ist ausgebucht.
- Auskunft erteilt:
- E-Mail: Ann Sophie Kirchhof
Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
„Die tragische Dichtung ruht auf der Opferidee“, schreibt Walter Benjamin 1928 in seinem Buch über den Ursprung des deutschen Trauerspiels. Althistorische und kulturanthropologische Forschungen haben diese These weitgehend bestätigt. Die antike Tragödie ist aller Wahrscheinlichkeit nach aus opferkulturellen Ursprüngen entstanden, der tragische Held lässt sich als Sublimat der kulturellen Institution des repräsentativen Opfers, als Transformation des Sündenbocks begreifen. Im 18. Jahrhundert vollzieht sich nun auf der Theaterbühne eine folgenreiche Umcodierung der Position des tragischen Helden: Um der angestrebten Wirkung willen, der empathischen Identifikation der Zuschauer mit dem Schicksal des tragischen Opfers, besetzen im bürgerliche Trauerspiel, der Modegattung des späten 18. Jahrhunderts, ausschließlich tugendhafte Töchter diese Prestigeposition. Dabei wird die Theatralität des Opfers im Drama selbst zugleich markiert und einer dramaturgischen Grundlagenreflexion unterzogen wie sein Geschlecht. Am wirkungsmächtigsten sollte Lessings Emilia Galotti diese Umcodierung des tragischen Opfers und die Projektion von geschlechteranthropologische Schematismen auf Opfer- und Täterschaften vornehmen. Keine Dramatik, so kann man zumindest den Eindruck erhalten, kommt seither daran vorbei, explizit oder implizit auf diese Modelle zurückzugreifen. Wir wollen im Seminar verfolgen, wie das 19. Jahrhundert an dem von Lessing geschaffenen Paradigma laboriert: Friedrich Hebbels Judith, Franz Grillparzers Sappho und selbst noch Richard Wagners Götterdämmerung - sie alle bringen die Funktion des tragischen Helden/der tragischen Heldin mit der kulturellen Semantik der Geschlechter in Verbindung.
Zunächst werden wir mit Hilfe von René Girard und Walter Burkert die opferkulturellen Ursprünge der Tragödie vergegenwärtigen, bevor wir am Beispiel des tragischen Schlusses von Lessings Emilia Galotti die geschlechteranthropologische Überformung der tragischen Katastrophe analysieren.
Auf dem Programm stehen die folgenden Dramen:
G. E. Lessing: Emilia Galotti (Schluss)
Friedrich Hebbel: Judith
Franz Grillparzer: Sappho
Richard Wagner: Götterdämmerung
Die genannten Texte sind als Reclam-Ausgaben verfügbar. Elektronische Auszüge aus den folgenden Texten werden Ihnen zur Verfügung gestellt:
Walter Burkert: Griechische Tragödie und Opferritual, in ders.: Wilder Ursprung. Opferritual und Mythos bei den Griechen, Berlin 1990, S. 13-39.
René Girard: Das Heilige und die Gewalt, Frankfurt a. M. 1992.
Ders.: Der Sündenbock, Zürich/Düsseldorf 1998, insb. S. 7 – 23.
Christoph Kucklick: Das unmoralische Geschlecht. Zur Geburt der negativen Andrologie, Frankfurt a. M. 2008.
Weitere Empfehlungen:
Michael Niehaus /Wim Peeters (Hg.): Mythos Abraham. Texte von der Genesis bis Franz Kafka, Stuttgart 2009.
Dietrich Schwanitz: Systemtheorie und Literatur. Ein neues Paradigma, Opladen 1990, hier Kap. III: Das Drama.
Zur Vorbereitung und Einführung empfehle ich den gerade erschienenen Aufsatz:
Uwe C. Steiner: Gerechtigkeit für Odoardo Galotti. Ein Theatercoup mit Folgen: Wie Lessing das tragische Opfer geschlechteranthropologisch umwidmet und damit von Bodmer bis zur Gegenwart wirkt, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Jg. 95, Heft 1/März 2021, S. 43-80. http://link.springer.com/article/10.1007/s41245-021-00124-8