Globalisierung bedrängt Rechtskultur – Rechtskultur begrenzt Globalisierung

Die 57. Assistententagung Öffentliches Recht an der FernUniversität setzte sich mit aktuellen Fragestellungen sowie dem Spannungsverhältnis von Rechtskultur und Globalisierung auseinander.


Eine Gruppe steht zusammen auf einer Treppe: Rektorin Prof. Ada Pellert, Dekanin Prof. Gabriele Zwiehoff, Ex-Bundesverfassungsrichter Prof. Udo di Fabio, Bürgermeister Horst Wisotzki, und NRW-Justizminister Thomas Kutschaty freuen sich mit dem Organisationsteam auf die Tagung. (Fotos: FernUniversität)
Rektorin Prof. Ada Pellert, Dekanin Prof. Gabriele Zwiehoff, Ex-Bundesverfassungsrichter Prof. Udo di Fabio, Bürgermeister Horst Wisotzki, und NRW-Justizminister Thomas Kutschaty freuen sich mit dem Organisationsteam auf die Tagung. (Fotos: FernUniversität)

Der wissenschaftliche Nachwuchs aus dem Öffentlichen Recht tagte an der FernUniversität und in Hagen: Drei Tage beschäftigen sich die Juristinnen und Juristen in Panels und einer Podiumsdiskussion mit hochaktuellen Fragen zur „Rechtskultur und Globalisierung“. Mit dem Thema hatte das Organisationsteam der traditionsreichen 57. Assistententagung ein hochaktuelles gewählt.

Spannungsverhältnis

Die sieben jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der FernUniversität waren sich nach der Konferenz einig: „Globalisierung und Rechtskultur stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis. Durch die Globalisierung können sich zwar zum einen Universalwerte aus verschiedenen Rechtskulturen herauskristallisieren oder es kann mit der Zeit eine gemeinsame Rechtskultur erwachsen, wie es in den letzten 60 Jahren beispielsweise in Europa der Fall war – und hoffentlich weiter ist.“

Zum anderen setzten nationale Rechtskulturen der Globalisierung in gewisser Weise auch Grenzen: Wenn man sich etwa vor Augen führe, was die Verfassungsidentität eines Staates – also etwa einen unverrückbaren Kernbestand von Werten, Strukturen oder Institutionen – ausmache. „Auch der in einigen Staaten derzeit gegenläufige Renationalisierungstrend steht in diesem Kontext“, ergänzen die Juristinnen und Juristen.

Die Resonanz war groß: Junge Forschende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren für drei Tage nach Hagen gereist, um das Tagungsthema aus verschiedenen Perspektiven zu diskutieren. Zur Einstimmung kamen auch der NRW-Justizminister Thomas Kutschaty und der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio an die FernUniversität. Das Organisationskomitee freute sich gemeinsam mit FernUni-Rektorin Prof. Dr. Ada Pellert und der Dekanin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Gabriele Zwiehoff, über den prominenten Besuch.

Blick von hinten über vollbesetzte Stuhlreihen aufs Podium
Die Teilnehmenden füllten den Vortragssaal auf dem Campus.

Forum für junge Forschende

„Es ist ein wichtiges Forum für junge Forschende, die noch nicht habilitiert sind. Hier können Sie sich vernetzen für den wissenschaftlichen Austausch“, sagte Rektorin Ada Pellert zu Beginn. Sie freute sich über die Tagung, die eine wichtige Funktion für die gesamte FernUniversität habe: „Es ist eine Chance, unsere besondere Universität sichtbar zu machen.“

Justizminister Kutschaty lobte in seinem Grußwort die Fernuniversität als „Erfolgsmodell“ und ordnete das Thema der Tagung aus seiner Sicht ein: „Die deutsche Rechtsordnung ist eine der besten, allerdings müssen wir verstärkt mit mehreren Rechtsordnungen klarkommen. Es gilt, um die Rechtskultur zu werben.“

Die Dekanin und Hagens Bürgermeister Horst Wisotzki hatten in ihren Grußworten charmant auch auf die mitunter versteckten Reize der Stadt Hagen als „unterschätzte kleine Großstadt am Rande des Ruhrgebiets“ aufmerksam gemacht. Dazu passte das Angebot an Exkursionen in der Stadt, das die Konferenzleitung organisiert hatte.

Die Referate erscheinen als Tagungsband im Nomos-Verlag, herausgegeben vom Organisationskomitee: Dr. Sebastian Piecha (Vors.), Dr. Anke Holljesiefken, Dr. Yury Safoklov, Johanna Herberg, Jens Fischer, Stefanie Haaß und Dr. Stefan Kracht.

„Der Westen schwankt“

Als Festredner hob der ehemalige Bundesverfassungsrichter di Fabio auf „Das Recht der Weltgesellschaft: Ambivalenzen der Globalisierung“ ab. Der Jurist stieg konkret ein: „Der Westen schwankt, seine Institutionen geraten ins Wanken. Es rumort derzeit so gefährlich, dass ein neuer internationaler Konsens zu erwarten ist.“

In sieben Panels, die sich in den verschiedenen öffentlich-rechtlichen Teilbereichen bewegten, vertieften die Teilnehmenden etwa, in welchem Verhältnis europäische Werte und nationale Identitäten stehen, wie sich die Grundfreiheiten zu nationalen Regelungskompetenzen verhalten oder wie weit die Regelungsspielräume des deutschen Verwaltungsprozessrechts in Zeiten internationaler Verflechtungen reichen.

Die EU: eine Wertegemeinschaft?

Ein Höhepunkt der Konferenz war die Podiumsdiskussion in der Stadthalle Hagen, die sich um die Frage drehte: „Die Europäische Union: Wirtschaftsgemeinschaft, Wertegemeinschaft, Kulturgemeinschaft?“ Dort diskutierten der ehemalige Präsident des Europäischen Parlamentes, Prof. Dr. Klaus Hänsch, der Hamburger Europa- und Völkerrechtler Prof. Dr. Markus Kotzur sowie der Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Patrick Sensburg mit den Teilnehmenden aktuelle Fragen zum Zustand der Europäischen Union. Insbesondere, ob in aktuellen Zeiten noch eine gemeinsame Wertegemeinschaft ein Zukunftsmodell sein kann.

Klaus Hänsch konnte einen großen Bogen von den Anfängen der EU bis heute ziehen und sich mit Reformideen der anderen Teilnehmenden, etwa einem Zweikammerparlament für die EU, auseinandersetzen. Aber auch mit Mythen und Klischees wurde aufgeräumt: etwa mit der EU-Norm zur ,Gurkenkrümmung‘, die vor über zehn Jahren abgeschafft wurde.

Anja Wetter | 10.03.2017