Wissen aus Fernstudium in Tansania praktisch angewendet

Kristin Kautsch studiert an der FernUniversität Psychologie. Bei ihrem berufsorientierten Praktikum in Afrika warteten interessante Eindrücke, Vertrauen und Verantwortung auf sie.


Ein Praktikum nicht in Deutschland absolvieren, sondern in der Ferne? Warum nicht? Auch die FernUni-Studentin Kristin Kautsch wollte ihren Horizont erweitern und arbeitete sechs Wochen lang in Tansania. Sie schilderte für uns ihre Erfahrungen.

Vier Personen, eine Frau mit weißer Hautfarbe und eine mit schwarzer sowie zwei schwarzhäutige Männer stehen nebeneinander vor einem Gebäude. Foto: Rainbow Garden Village / Masoud Amani
Kristin Kautsch (r.) mit ihrer Kollegin und ihren Kollegen in der psychologischen Beratungsstelle: zwei Bachelor-Studenten und eine Master-Studentin.

„Ich studiere seit 2011 an der FernUniversität im Studiengang Psychologie, habe dies aber für einige Zeit wegen meines gleichzeitigen Präsenzstudiums der Zahnwissenschaft ‚auf Eis legen‘ müssen. Am FernUni-Studium reizte mich, zwei Studiengänge parallel studieren zu können. Zudem kann ich es komplett selbst planen. Das erfordert zwar sehr viel Disziplin, ist aber sehr flexibel, während das Studium der Zahnmedizin sehr verschult ist. Beide Studiengänge ergänzen sich meiner Meinung nach sehr gut, da ich im zahnärztlichen Bereich die vielen Patienten gerne optimal behandeln möchte.

Drittes Praktikum in Afrika

Nach meinen zahnmedizinischen Abschlussprüfungen Ende 2018 entschloss ich mich, vor meinem Eintritt in das Arbeitsleben mein berufsorientiertes Praktikum für das Psychologie-Studium in Angriff zu nehmen.

Während meines zahnmedizinischen Studiums hatte ich zwei jeweils dreiwöchige Praktika in Kenia und Ghana gemacht. Daher wollte ich auch mein Psychologie-Praktikum in Afrika absolvieren und die afrikanische Kultur noch besser kennenlernen. Mich interessierte sehr, welchen Stand die Psychologie dort hat. Ich hatte gelesen, dass viele Patienten erst dann psychologische Hilfe in Anspruch nehmen, wenn es bereits zu spät ist. Weil viele gar nicht wissen, dass es psychologische Erkrankungen gibt, glauben sie, verhext zu sein und gehen zuerst zu einem Medizinmann.

Bei meinen Online-Recherchen stieß ich auf eine deutsche Organisation, die diverse Praktika in Afrika und in Asien anbietet. Zusammen mit ihr plante ich, zirka sechs Wochen in einer psychologischen Beratungsstelle inmitten der tansanischen University of Iringa zu arbeiten. Sie bietet Erst- und Folgegespräche mit ausgebildeten Psychologinnen und Psychologen sowie Studierenden der Psychologie an. Anfang Januar konnte dort mit meiner Arbeit beginnen. Betreut wurde ich von dem Dekan der Psychologie und mehreren Psychologen.

Ein kleines dreirädriges Fahrzeug fährt um einen kleinen Turm herum. Foto: Kristin Kautsch
TukTuks, in Thailand produzierte Fahrzeuge, brachten auch Kristin Kautsch und das Beratungsteam zu ihrer Arbeit.

Vielfältige Aufgaben, interessante Eindrücke

Meine Aufgaben waren sehr vielfältig. Ich habe unter Aufsicht selbst Einzelgespräche mit mehreren Patienten durchgeführt, beispielsweise mit Flüchtlingen aus Ruanda. Sie hatten schreckliche Dinge in den Flüchtlingscamps von Tansania erlebt und wollten daher nicht mit einem tansanischen Psychologen darüber sprechen. Mehrmals bin ich auch mit einem anderen Studierenden in eine Suchtklinik gefahren. Dort haben wir mit den Patienten gesprochen und sie eingeladen, zu uns in die Beratung zu kommen.

Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Durchführung eines studentischen Seminars, das „Personal Growth“ genannt wurde. Es dient der persönlichen Entwicklung von Erstsemestern der Psychologie. Zudem habe ich Studierenden des ersten Semesters Nachhilfe gegeben und bin mit ihnen ihre Unterlagen durchgegangen. So erhielt ich interessante Einblicke in die Inhalte des Studiums an der Universität in Tansania.

Deutsche Ausbildung gut und richtig

Persönlich habe ich viel von dem Praktikum mitnehmen können. Am wichtigsten war für mich die Erkenntnis, dass unser System in Deutschland hinsichtlich der Psychotherapeuten-Ausbildung gut und richtig ist. In Iringa dürfen bereits Bachelor-Studierende Patienten und Patientinnen behandeln und betreuen, oftmals sogar ohne Aufsicht. Mir ist dabei aufgefallen, dass viele der unerfahrenen Studierenden den Patienten wenig Raum für eigene Gefühle lassen und sie zusätzlich mit ihren eigenen Erlebnissen belasten.

Genau dies wird mit einer fundierten Ausbildung zu Psychotherapeuten vermieden.

Wissen und Können nie in Frage gestellt

Ich selbst konnte bereits sehr viel Gelerntes aus dem Fernstudium anwenden. Zahlreiche Patienten wollten zum Beispiel gerne etwas in Tansania verändern und dafür eine Organisation gründen. Viel Wissen, gerade aus der Sozialpsychologie, konnte ich in solchen Gesprächen anwenden. Und ebenso einiges aus der Entwicklungspsychologie, wenn etwa Eltern mit ihren Kindern zur Beratung kamen.

Im Gegensatz zu Praktika in Deutschland hat man mir sehr viel Verantwortung übertragen, mein Wissen oder Können wurden nie in Frage gestellt. Die Einzelgespräche fanden zwar unter Aufsicht statt, jedoch habe ich diese komplett alleine geführt. Ich habe auch mehrere Patienten mehrmals betreut und dadurch einen eigenen Patientenstamm aufgebaut. Studierende der Psychologie zu unterrichten oder ihnen Nachhilfe zu geben, waren interessante Erfahrungen. Mit diesen Aufgaben ‚bin ich gewachsen‘.

Ich empfehle allen, die gerne ein Auslandspraktikum machen möchten, diese Erfahrung zu wagen.

Kristin Kautsch

Sinnvolle Zeit-Investition

Dass kulturelle Unterschiede oftmals Probleme verursachen, muss man sich immer vor Augen halten. Bestimmte Lösungsansätze sind in unserer Kultur akzeptiert, in anderen jedoch nicht. So wollte ein Patient seine homosexuellen Empfindungen loswerden: In Tansania wird Homosexualität mit 17 Jahren Gefängnis bestraft. Daher musste ich diese Gesprächstherapie abbrechen, um ihn nicht in Gefahr zu bringen.

Ich empfehle allen, die gerne ein Auslandspraktikum machen möchten, diese Erfahrung zu wagen. Es lohnt sich, während des Studiums Zeit dafür zu investieren und zu schauen, wie die Psychologie in anderen Ländern funktioniert. Und sich vor allen Dingen komplett auf eine neue Kultur einzulassen.“

Gerd Dapprich | 15.03.2019