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„Naturschönes / Naturhässliches“

Geimeinsamer Vortrag von Dr. Jessica Güsken & Prof. Dr. Michael Niehaus

Termin: 17.11.2021

Während der Begriff Naturschönheit heute irgendwie angestaubt, geradezu antiquiert klingt, haben die mit ihm genuin zusammenhängenden Fragen unter anderen Vorzeichen seit einigen Jahren zusehends eine neue Dringlichkeit erlangt. Angesichts des menschengemachten Klimawandels, dem Rückgang der Artenvielfalt, der Zerstörung von Lebensräumen und Ökosystemen, sowie der Verschmutzung von Wasser, Luft und Erde fordern nicht nur Bewegungen wie „Fridays for Future“ eine radikale Änderung unserer Produktions- und Konsumierungsweisen. So rief im Anschluss an seit den 1980er Jahren geführte Theoriediskurse jüngst etwa Gernot Böhme in der Zeit zu einer „Änderung unserer Einstellungen zur Natur“ auf, wozu gerade „die Naturästhetik ihren Beitrag leisten“ könne, ja sogar „für die Bewältigung unserer aktuellen Probleme unerlässlich“ sei: Die ästhetische Erfahrung von Natur beinhalte nämlich nicht nur „die Forderung der Interesselosigkeit“ – d.h. dass das Gefallen an Landschaften, Tieren oder Pflanzen nicht an deren Zweckdienlichkeit hängt, folglich auch nicht an Kategorien ihrer Konsumierbarkeit als Aktionsobjekt. Überdies habe die „ästhetische Wertschätzung von Natur“ mit der Weise zu tun, wie wir in sie involviert bzw. engaged sind, d. h. mit einem „leiblichen Spüren“ als „grundlegender Sinn für die ästhetische Erfahrung von Natur als Umwelt“, nämlich, so der von Böhme geprägte Terminus, für die Atmosphäre als „gestimmter Raum“ und „Medium, in dem wir die objektiven Eigenschaften unserer Umgebung in affektiver Betroffenheit erfahren“ (Die Zeit, Nr. 28/2021).
Während die Erfahrung von Naturschönheit demnach also prinzipiell eine besondere Wertschätzung impliziert, klingt demgegenüber die Frage nach dem Naturhässlichen durchaus provokant: Gibt es auch Dinge, die von Natur aus hässlich sind? Wer darf sich anmaßen, ein solches Urteil zu fällen?
Seit die Ästhetik als philosophische Disziplin Einzug gehalten hat – das heißt, seit 1750 – ist das Naturschöne eines ihrer zentralen Probleme. Der Vortrag möchte dieses Problem entfalten, indem er sich mit einigen Beispielen beschäftigt, die immer wieder für Naturschönes, aber auch für Naturhässliches gegeben werden. Ist denn das Pferd wirklich schöner als das Faultier? Sind Ratten oder Spinnen ekelhaft? Müssen wir den Sternenhimmel schön nennen, das unbewegte Meer oder die Wüste aber öde? Kann eine zerstörte Landschaft schön sein? Gibt es schönere und weniger schöne Ethnien? Von Anfang an haben solche Fragen auch eine ethische Dimension, die uns bis heute vielleicht mehr heimsucht, als wir es gerne hätten.
videostreaming | 21.01.2022
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