Interview-Transkript Dr. Laura Froehlich HD-NRW Projekt „Aktivierung der Studierenden in Online- und Präsenzphasen“ Frage: Worum geht es in deinem Projekt? Wie bist du auf die Idee zu deinem Projekt gekommen?“ Antwort: In meinem Projekt ging es um die Aktivierung der Studierenden in der Online- und Präsenzlehre und das Projekt bestand aus zwei Teilen, weil ich nämlich auch in zwei unterschiedliche Lehr-Lernkontexte eingebunden war und ich das Thema halt dann auch in beiden Kontexten bearbeiten wollte in meinem Projekt. In dem ersten Teil da ging es um einen Online-Kurs, der in der Studieneingangsphase des Bachelor Psychologie drankommt. Da geht es um das Thema Psychologie und kulturelle Vielfalt. Inhaltlich geht es da um Gruppenzugehörigkeit, warum ist es Menschen wichtig Gruppen anzugehören. Aber dann auch um Stereotype und Diskriminierung über verschiedene Gruppen in der Gesellschaft und das ist ein Online-Kurs, wo sich jedes Jahr ungefähr 3000 Studierende neu einschreiben, d.h. also wir haben hier eine sehr große Anzahl an Studierenden und das Ganze geht ein ganzes Semester lang. Und der zweite Teil, das war eine Präsenzveranstaltung, das ist also quasi genau das Gegenteil, das ist eine relativ kleine Gruppe von maximal 25 Studierenden und das war dann schon in weiterführenden Semestern, also im Sozialpsychologie-Modul. Da ging es um kulturvergleichende Sozialpsychologie und das ist eine zweitägige Veranstaltung, wo dann die Studierenden zusammenkommen, um dann an diesem Thema zu arbeiten. Das heißt, das sind sehr unterschiedliche Kontexte und die Aktivierung war aber jetzt das verbindende Merkmal dabei. So hatten auch beide Kontexte unterschiedliche Herausforderungen, wie man jetzt mit der Aktvierung umgeht. Also in dem Online-Kurs ging es bei der Aktivierung nicht darum, dass die Studierenden bisher nichts gemacht haben, sondern eher darum, diese Aktivierung mehr zu strukturieren. Es geht da um sehr alltagsnahe Themen, von Diskriminierung in der Gesellschaft z.B. aufgrund von Ethnizität oder Geschlecht oder anderen sozialen Gruppenzugehörigkeiten. Da weiß man ja schon sehr drüber, wenn man einfach mal nur so die Nachrichten liest und hat auch schon eine gewissen Meinung dazu und wir hatten jetzt das Anliegen, dass wir das dann mehr strukturieren, weil da manche Diskussionen in Studierendenforen nicht ganz konstruktiv gelaufen sind. D.h. also da wollten wir die Aktivierung mehr lenken. Und in dieser Präsenzveranstaltung, da war es vorher so, dass das Ganze eher einen Repititoriumscharakter hatte, dieses Konzept vorher, dass da alle Inhalte, die in der Klausur dann irgendwann drankommen, an zwei Tagen wiederholt wurden. Da kann man sich dann schon vorstellen, dass einfach aufgrund der Menge des Stoffs das relativ vortragszentriert war und da wollten wir das eben auch ändern und die Studierenden dann dazu bringen, sich die Inhalte selbst zu erarbeiten. Frage: Welche Überlegungen lagen der Umsetzung des Projekts zugrunde? Antwort: Ja, also ich habe mir überlegt, dass ich dieses Thema „Aktivierung“ in drei verschiedenen Zielen angehen möchte. Das erste Ziel war, eine bessere Strukturierung hinzubekommen in diesen beiden Veranstaltungen, damit es auch für die Studierenden einfacher ist, zu schauen, was muss ich wann wie machen und wieweit bin ich jetzt auch schon. Das ist vor allem auch für die Studierenden in der Studieneingangsphase wichtig, wenn sie noch über wenig Fachwissen verfügen, dann die Struktur klar zu haben. Deswegen haben wir in diesem Online-Kurs dann die Kapitel so gegliedert, dass jedes Kapitel auch die gleiche Gliederung hat. Das war vorher so über die Zeit gewachsen und relativ unterschiedlich in den Kapiteln. Außerdem haben wir dann Lernfragen für die Studierenden entwickelt aufgrund der Bloomschen Lernzieltaxonomie, wo dann auch korrespondierende Wiederholungsfragen am Ende der Kapitel da waren, sodass die also auch einschätzen konnten, wie gut sie dieses Kapitel schon erarbeitet haben. Das war die eine Sache. Und in dem anderen Kurs, in der Präsenzveranstaltung, da haben wir die Struktur an dem Forschungsprozess orientiert, also das war eine forschungsorientierte Vertiefung. Dass wir also sozialpsychologische Inhalte forschungsorientiert behandeln und dann auch dieses Wissen, was die in der Studieneingangsphase schon erworben haben sollten über den Forschungsprozess auch mit den Inhalten verknüpfen, sodass wir dann immer wieder gesagt haben, was muss man denn wann wie machen, wenn man jetzt eine sozialpsychologische empirische Studie durchführen möchte. Und dann waren dazu während dieser zwei Tagen auch immer wieder Aktivitäten dazu. Das zweite Ziel, das betraf die Relevanz dieser ganzen Beschäftigung mit diesen Themen schon relativ früh im Studium. Wir wollten erreichen, dass die Studierenden sich auch schon mit ihrer Rolle als angehende Psychologinnen und Psychologen auseinandersetzen. Also gerade, wenn es um gesellschaftlich relevante Themen von Diversität geht, dann haben Personen da ja auch schon eigene Einstellungen dazu und im Laufe des Studiums sollten sie dann auch eine professionelle Haltung und Rolle entwickeln. Deswegen haben wir also da auf das allgemeine Gleichstellungsgesetz und die berufsethischen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie relativ früh verwiesen, sodass dann auch die Grundhaltung, die man dann später im Beruf als Psychologin oder Psychologe an den Tag legen sollte, da klar wurde. Und da haben wir dann auch affektive Lernziele mit gesetzt, um das zu unterstützen. Diese Herausbildung der professionellen Identität war dann auch dazu da, die Aktivierung der Studierenden in dem Kurs mehr in Bahnen zu lenken, sodass dann eben auch diese Auseinandersetzung mit den Mitstudierenden in Foren etwas auf empirischen Forschungsbefunden fundiert war, als wenn man einfach nur seine persönliche, privaten Ansichten äußert. Die Aktivierung in der Präsenzveranstaltung, die haben wir vor allem umgesetzt in Gruppenarbeiten, d.h. da wurden dann verschiedene Gruppenarbeitsphasen in diese zwei Tagen intergriert, sodass da nicht nur ich Vorträge gehalten habe, sondern die Studierenden in Gruppen Inhalte erarbeitet und sich gegenseitig präsentiert haben. Das war auch wichtig für die Studierenden, weil neben den inhaltlichen Aspekten auch die sozialen Aspekte wichtig sind. Die Studierenden haben ja gar nicht so oft die Gelegenheit, so viele anderen Studierende auf einmal dann zu treffen und ich habe da auch positive Rückmeldung bekommen darüber, dass Gruppenarbeiten in immer wieder unterschiedlichen Konstellationen zu machen dort auch sehr interessant für die Studierenden war. Das dritte Ziel war, sich mit eigenen Einstellungen über Diversität auseinanderzusetzen, denn das ist eben später auch wichtig für die berufliche Tätigkeit als Psychologin und als Psychologe. In dem Online-Kurs haben wir das so umgesetzt, dass wir uns gesellschaftliche Kontroversen überlegt haben zu den einzelnen Kapiteln, die aktuell sind. Also so etwas wie „Ist gendergerechte Sprache relevant oder sollte man die anwenden?“ oder „Wenn Sie eine Psychologin oder ein Psychologe wären, die in einer Schule eine Veranstaltung über sexuelle Vielfalt und sexuelle Orientierung organisieren müsste, was würden Sie dann machen?“ Da sollten die Studierenden aus der Sicht einer angehenden Psychologin oder eine angehenden Psychologen Stellung beziehen, dass diese Forschungsergebnisse, die sie in dem Kurs gelernt haben, auf ein alltägliches Problem angewendet werden und sie dann auch in dem Zuge überlegen können, wie denn eigentlich ihre eigenen Einstellungen sind und diese Inhalte, die sie gelernt haben. In der Präsenzveranstaltung gab es so etwas Ähnliches auch. Schon in der Vorstellungsrunde habe ich gefragt: „Welche interessanten interkulturellen Erfahrungen haben Sie gemacht?“ Da ist es auch sehr interessant bei den Fernstudierenden, dass da so unterschiedliche Vorerfahrungen schon da sind, dass also Leute privat oder beruflich längere Zeit im Ausland verbracht haben oder auch in verschiedenen Kulturen aufgewachsen sind, also da einen reichen Erfahrungsschatz haben, mit dem man dann arbeiten kann und dann eben herausarbeiten kann, wenn man sich mit einem Kulturbegriff beschäftigt, inwieweit man sozialisiert ist in einer bestimmten Kultur, also so eine ‚Kulturbrille‘ aufhat und dann auch später in Kontexten, wo man z.B. in Beratungssituationen ist oder in internationalen Arbeitsgruppen arbeitet, dann eventuell die Perspektive übernehmen sollte von Leuten die anders kulturell sozialisiert sind. Frage: Welche Herausforderungen sind dir während der Planung und der Durchführung begegnet? Antwort: Bei dem Online-Kurs sind ja sehr viele Studierende eingeschrieben und das ist dann natürlich eine gewisse Herausforderung, da mit relativ begrenzten Betreuungsmöglichkeiten so etwas anzuleiten, d.h. also wir haben da versucht, eine hohe Strukturierung und Standardisierung herzustellen, damit auch ohne dass eine Eins-zu-Eins-Betreuung möglich ist bei 3000 Studierenden dann diese Ziele des Projekt oder der Überarbeitung umgesetzt werden können. Bei der Präsenzveranstaltung ist zwar die Gruppe kleiner, aber man weiß auch nicht unbedingt vorher, was das Vorwissen der Studierenden ist. Also, wenn man Gruppenarbeiten plant, z.B. Wieviel Zeit würde ich dann dort einplanen? Was haben die für ein Methodenwissen als Grundlage? oder auch Was haben die für Englischkenntnisse, um englischsprachige Texte zu erarbeiten? und da muss man halt überlegen, wieviel Zeit plane ich ein und habe ich vielleicht auch noch Vertiefungstexte in der Hinterhand, wenn manche Gruppen schon schneller fertig sind als andere. D.h. das war auch eine Herausforderung, wenn man das Anforderungsniveau nach der Zielgruppe bestimmen möchte. Frage: Wie war die Reaktion der Studierenden? Antwort: Die Studierenden haben positiv reagiert. Ich habe beide Kurse evaluiert. Zum einen sieht man bei offenen Fragen zu Lob und Kritik, dass die Studierenden auf diese Ziele, die ich mir selber gesetzt habe mit diesem Projekt, auch eingehen, also z.B. die Struktur hervorheben, dass die jetzt gut oder besser geworden ist, aber auch diese Aktivierung und die Reflexion der eigenen Position als positiv ansehen. Das Ganze kann man dann auch quantitativ auswerten, ich habe das dann auch in dem Online-Kurs mit dem Semester davor verglichen. Da hat man dann gesehen, dass in einigen Bereichen das jetzt auch besser eingeschätzt wurde, also z.B. was die Struktur angeht und das Tempo und die didaktischen Hilfsmittel. Bei den anderen Sachen hat es sich zumindest nicht verändert, also es ist auch nicht schlechter geworden. Deswegen bin ich damit zufrieden. Frage: Was planst du noch für die Zukunft im Zusammenhang mit dem Projekt? Antwort: Bei der Präsenzveranstaltung habe ich gesehen, dass ich da doch noch mehr Inhalte reinpacken kann, also dass teilweise die Zeit für die Gruppenarbeiten etwas großzügig bemessen war. Ich hatte jetzt schon die Chance, die Veranstaltung noch mal durchzuführen in der Zwischenzeit und habe da schon einiges verändert. Die Studierenden sind doch da sehr fit und können da auch mehr Inhalte in der Zeit bearbeiten. Außerdem möchte ich diese Veranstaltung immer relativ aktuell halten, also ich bespreche da immer kulturvergleichende Studien als Beispiel und dann kann man jedes Semester etwas Neues nehmen, weil immer wieder was Neues und Relevantes rauskommt. Das habe ich mir so als Ziel gesetzt, das immer wieder an die neueste Forschung anzubinden.