Governance im Mehrebenensystem ("multi-level governance")
ist der Gegenstand der vier Kurse des Moduls. Mit diesem
Begriff bezeichnet die Politikwissenschaft neuerdings
die Tatsache, dass die Aufgaben und Entscheidungen der
lokalen, regionalen, nationalen und internationalen
Politik interdependent sind und daher zwischen diesen
Ebenen gesteuert und koordiniert werden müssen.
Diese Erkenntnis ist genauso wenig neu wie die Tatsache,
auf die sie sich bezieht. In der deutschen Föderalismusforschung
wurde schon in den 1960er Jahren der Begriff "Politikverflechtung"
geprägt, um die Beziehungen zwischen Bund, Ländern
und Gemeinden zu charakterisieren. Die europäische
Integration hat die Verflechtung im deutschen Bundesstaat
um eine weitere Ebene erweitert, und in diesem Kontext
ist inzwischen eine intensive Diskussion um das Konzept
und das Phänomen "multi-level governance"
entstanden.
Der Kurs 03220 „Kooperativer Föderalismus und Politikverflechtung“ stellt die Vielfalt der Verflechtungsformen im deutschen Bundesstaat systematisch dar. Institutionell verankert ist die Verflechtung in der Gesetzgebung, wenn die Länderregierungen über den Bundesrat ein Zustimmungsrecht ausüben können, sowie in den Gemeinschaftsaufgaben, darüber hinaus gibt es nicht explizit geregelte, aber dauerhaft angelegte Kooperationsformen in der Exekutive. Schließlich arbeiten Vertreter des Bundes und der Länder aus der Exekutive, den Parlamenten und den Parteien auch informell zusammen. Vergleichbare „horizontale“ Verflechtungsformen bestehen zwischen den Ländern. Darüber hinaus sind vielfach auch die Gemeinden in die Politikverflechtung einbezogen. All diese Strukturen werden inzwischen durch die Ebene der Europäische Union erweitert, die einerseits die Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden beeinflusst, andererseits eine weitere Form der Politikverflechtung bildet. Neben der Empirie der Politikverflechtung gibt Ihnen der Kurs auch einen Einblick in Theorien und Kontroversen zum Regieren und zur Demokratie im kooperativen Bundesstaat. Der klaren negativen Bewertung, die sich in der öffentlichen Diskussion inzwischen durchgesetzt hat, stehen in der Politikwissenschaft differenziertere Positionen gegenüber, die auf theoretischen Überlegungen und empirischen Untersuchungen gestützt werden können. Unbestritten ist, dass Politikverflechtung das demokratische Regieren erschwert, wobei die Schwierigkeiten je nach Form der Verflechtung unterschiedlich ausfallen. Sie erhalten damit eine Einführung in ein wichtiges Themengebiet, die neben der aktuellen Entwicklung der Politikverflechtung auch den Stand der Forschung bilanziert.
Im Kurs 03222 "Mehrebenenverflechtung in Deutschland
und der EU" werden wichtige Theorien und
Begriffe erklärt, die für die Analyse von
Governance in Mehrebenensystemen genutzt werden können.
Ziel des Kurses ist es, Sie mit der aktuellen Theoriediskussion
und mit den Analysekategorien vertraut zu machen. Am
Beispiel der Mehrebenenpolitik im deutschen Bundesstaat
sowie in der Europäischen Union wird die Anwendung
der Analysekategorien für unterschiedliche Formen
von Mehrebenensystemen illustriert.
Der Kurs 33220 "Regieren in Bundesstaaten - Vergleichende
Analysen" weitet das Thema aus und führt Sie
anhand von neueren Texten in die vergleichende Föderalismusforschung
ein. Das Governance-Konzept wird in diesem Kontext bislang
kaum aufgegriffen. Die Beiträge konzentrieren sich
aber auf Aspekte der demokratischen Legitimation und
der Steuerung und Leistungserbringung in unterschiedlichen
Bundesstaaten und greifen damit die zentralen Begriffe
zur Bewertung von Governance im Mehrebenensystem auf.
In den Beiträgen sollen Sie lernen, dass Mehrebenensysteme
in Bundesstaaten erhebliche Unterschiede aufweisen.
Ein hinreichend differenziertes Konzept zur Analyse
von Governance im Mehrebenensystem sollte geeignet sein,
diese Unterschiede zu berücksichtigen. Versuchen
Sie bei der Lektüre des Kurses, Kontexte, die Sie
in den ersten beiden Kursen kennen gelernt haben, auf
ihre Anwendbarkeit auf unterschiedliche Bundesstaaten
zu prüfen.
Der Kurs 33221 "Europäische Umweltpolitik"
befasst sich am Beispiel der Umweltpolitik mit Governance
im Mehrebenensystem der EU. Der Kurs führt sie
zunächst in ein konkretes Poli-tikfeld der europäischen
Politik ein und zeigt die Komplexität von Steuerung
und Koordinierung, aber auch die Ausdifferenzierung
von Governance-Modi, für welche die Umweltpolitik
ein besonders gutes Beispiel liefert. Der Kurs erweitert
zudem die Analyse von Mehrebenenpolitik, da er neben
der Programmformulierung auch die Implementation berücksichtigt.
Letztere beruht ja nicht allein auf dem formalen Vollzug
von Recht oder auf rein "technischem" Vollzug
von Anordnungen, sondern wirft selbst ein Mehrebenenproblem
auf, das mit unterschiedlichen Governance-Modi bewältigt
werden kann.
Die Kurse beinhalten Theorien sowie Informationen über
die Empirie von Governance im Mehrebenensystem. Versuchen
Sie, sich die Beziehungen zwischen Theorie und Empirie
klar zu machen und das, was sie über Politikfelder
und Prozesse lernen, mit den Begriffen, die in den Darstellungen
von Theorien und Analyseansätzen enthalten sind,
zu erfassen. Auf diese Weise lernen Sie am besten das
analytische Handwerkszeug, das ihnen die Kurse vermitteln
sollen.
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