Gespräche am Tor - Karlsruher Begegnungen zu Wissenschaft, Politik und Kultur

Karl Marx - Leben, Bild und Wirkung

Beatrix Bouvier im Vortrag Foto: Werner Daum
Beatrix Bouvier im Vortrag

9. Mai 2018, 18 Uhr

Prof. Dr. Beatrix Bouvier

Flyer zur Veranstaltung (PDF 1 MB)

Zum 200. Geburtstag von Karl Marx – eine Auseinandersetzung in den „Gesprächen am Tor“ über sein Leben, sein Bild und seine Wirkung

„Wer war Karl Marx über das uns bekannte Bild hinaus?“ Unter dieser Eingangsfrage zeichnete Prof. Dr. Beatrix Bouvier (Bonn) den von tiefer geistiger Auseinandersetzung und zahlreichen Ortswechseln gekennzeichneten Lebensweg des Gesellschaftstheoretikers und Philosophen nach. Aus Anlass des wenige Tage zuvor unter großer internationaler Aufmerksamkeit in Trier begangenen 200. Geburtstages von Karl Marx (1818-1883) hatte das Regionalzentrum Karlsruhe der FernUniversität in Hagen das interessierte Stadtpublikum zu Vortrag und Diskussion geladen.

Die Referentin, ausgewiesene Marx-Forscherin und als wissenschaftliche Leiterin an der großen rheinland-pfälzischen Landesausstellung zum Karl-Marx-Jahr 2018 maßgeblich beteiligt, machte anhand der unterschiedlichen biografischen Stationen – der Jugend im zugleich von Katholizismus und liberalem Aufklärungsdenken geprägten bürgerlichen Milieu Triers, der Studentenzeit in Bonn und Berlin, der journalistischen Tätigkeit in Köln und der Auslandsaufenthalte in Paris und Brüssel sowie des abschließenden Londoner Exils – die historische Figur Karl Marx verständlich. Diese Verortung des Denkers im Kontext seiner Epoche überraschte mit bisher eher unterbelichteten Facetten seiner Persönlichkeit, die sich – wie etwa die Neigung des jungen Marx für die romantische Poesie – durch Berührung mit den geistigen Strömungen des 19. Jahrhunderts herausbildete. Bouvier veranschaulichte ihre Ausführungen mit zeitgenössischen Porträts von Karl Marx, die ihre Persönlichkeitsstudie durch eine zweite narrative Ebene, die historische Ikonografie, bereicherten und zugleich für einen abschließenden Ausblick auf die Traditionsbildung um Karl Marx öffneten: So begründete unter der insgesamt überschaubaren Zahl an überlieferten Abbildungen gerade jene Fotografie aus der späten Lebensphase, die Karl Marx 1875 als Privatgelehrten mit überproportionalem Bartwuchs porträtierte, die posthum entstandene Ikone des „Propheten mit Bart“, an deren Zustandekommen der langjährige Freund und Nachlassverwalter Friedrich Engels einen maßgeblichen Anteil hatte.

In der sich an den Vortrag anschließenden regen Diskussion wurde deutlich, wie die noch von Engels selbst mit der Herausgabe der beiden Folgebände des „Kapitals“ begonnene wissenschaftliche Traditionsbildung der historischen Figur Karl Marx nicht gerecht wird – handelte es sich doch weitgehend um eine ideologisch-doktrinäre Vereinnahmung durch die realen Sozialismen des 20. Jahrhunderts. Die Referentin sprach sich vielmehr für eine Dekonstruktion dieser Traditionsbildung durch die Verortung Karl Marx‘ im Kontext seiner Epoche aus. Inwieweit ist aber auch der historische Marx für die erst nach seinem Ableben, zum Teil bis heute in seinem Namen begangenen Massenverbrechen verantwortlich zu machen? Diese grundsätzliche Streitfrage konnte auch an dieser Stelle nur angerissen werden und bedarf im Rahmen der künftigen Marx-Forschung sicherlich vertiefender ideen- und rezeptionsgeschichtlicher Abklärungen. Bouvier verwies indessen auf den Vorteil des von ihr gewählten Weges einer Historisierung Karl Marx‘, der nicht als Verherrlichung seiner Person misszuverstehen ist: Damit ließe sich der Wert von Marx‘ Werk für die heutigen gesellschaftspolitischen Fragen identifizieren und fruchtbar machen – ungeachtet der zu verurteilenden Irrtümer und Verbrechen von Marxismus und Sozialismus.

Beatrix Bouvier, Historikerin, lebt in Bonn. Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind die Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, deutsch-französische Beziehungen, Geschichte der Arbeiterbewegung, Geschichte der Bundesrepublik und vor allem der frühen und späten DDR. Bis 2009 Leiterin des Karl-Marx-Hauses Trier, Kuratorin der Ausstellung „Ikone Marx“. Zur Zeit des Vortrags war sie als wissenschaftliche Leiterin der Karl Marx 2018 - Ausstellungsgesellschaft mbH in Trier maßgeblich an der inhaltlichen Konzeption der rheinland-pfälzischen Landesausstellung im Karl-Marx-Jahr 2018 beteiligt.

Ausstellungshinweis:
Karl Marx 1818-1883. Leben. Werk. Zeit, Trier 05.05.–21.10.2018

Literaturhinweis:
Beatrix Bouvier, Karl Marx: Bildnis und Ikone, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 19-20 (2017): Das Kapital; auch online: <http://www.bpb.de/apuz/247639/karl-marx-bildnis-und-ikone?p=all> [18.05.2018].