Statement von Dr. Anja C. Wagner

Foto: Nicole Bauch

„New Learning“ hat als Begriff volles Potenzial, im Bullshit-Bingo-Ranking ganz nach oben zu gelangen. Positiv gefüllt ließe sich mit dem „Neuen Lernen“ jedoch die dringend benötigte kollektive Intelligenz entfachen. In Anlehnung an die New Work-Definition von Frithjof Bergmann ließe sich auch sagen, „New Learning” ermöglicht es, weniger auf die Erwerbsarbeit zu fokussieren, stattdessen mehr eine hochtechnologische Selbstversorgung im Sinne der Nachhaltigkeit zu ermöglichen und die Suche nach dem, „was man wirklich will” zu fördern.

Die VUCA-Welt trennt in ehemaligen Industrieländern die Menschen in a) High Profiler, die Innovationen voranbringen, b) eine erodierende Mittelschicht, die sich gegen die Automatisierung stemmt und c) eine wachsende prekäre Schicht, die Arbeit verrichtet, bei der Menschen (noch) günstiger sind als Maschinen. Das bedeutet, Lernen muss sich zwangsläufig wegbewegen von Bildungsstandards. Statt als Fleißbienchen Punkte und Zertifikate zu sammeln, gilt es heute eine resiliente Lernbegeisterung zu entfachen, um je nach Lebensphase sich ggf. immer wieder aufs Neue zu erfinden. Da die Gesellschaft nicht genügend sinnvolle Erwerbsarbeit bereitstellen kann, benötigen Menschen die Fähigkeiten und Rahmenbedingungen, um selbst initiativ werden zu können. Sich selbstbestimmt und selbstorganisiert lebenslang weiterzuentwickeln ist Grundvoraussetzung für das Neue Lernen am Puls der Zeit.

Mit dem Internet und der digitalen Transformation ist es heute längst möglich, sich regelmäßig informell oder non-formal weiterzubilden, so man denn weiß, wie das funktioniert. Die Aufgabe eines emanzipatorisch wirkenden Bildungssystems wäre es demnach, die Menschen vorzubereiten auf ihren digital unterstützten Lernpfad der Zukunft. Es geht dabei weniger um den konkreten Einsatz digitaler Medien oder Inhalte im Unterricht, sondern um neue Formen des selbstverständlichen Austausches im digital vernetzten Verbund. Der vielfältigen, multimedialen Wissenschaftskommunikation kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu. Ein bedingungsloses Lernguthaben, das allen Menschen zur Verfügung steht für persönliche Bildungsprojekte, wäre ein weiterer Schritt. Den digital vernetzten Lernraum im Internet mit vielen klugen Köpfen auszugestalten, das wäre ein Setting, in dem alle Menschen, die sich weiterentwickeln wollen, neu lernen können. Die bildungspolitische Macht muss den alten Gatekeepern, wie HRK, KMK, DIHK, BDA, DGB, BIBB, ZFU etc., entrissen werden!


Über Dr. Anja C. Wagner

Anja C. Wagner beschäftigt sich mit globaler Transformation im digitalen Wandel. Sie gilt als kreative Trendsetterin und bezeichnet sich selbst als Bildungsquerulantin. Inhaltlich kreist sie um User Experience, Bildungspolitik, Arbeitsorganisation und unsere Zukunft in einer vernetzten Gesellschaft. Mit dem Unternehmen FrolleinFlow GbR bietet sie heute Studien, Vorträge, Consulting und verschiedene Online-Projekte an. Weitere Infos unter https://frolleinflow.com

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