Statement von Prof. Dr. Josef Schrader

Foto: Lichtenscheidt

Von New Learning sollten wir erst dann sprechen, wenn nicht allein die medialen Formate „neu“ im Sinne von „digital“ sind, sondern auch die didaktischen Arrangements, die sie prägen. Die empirische Forschung zeigt nachdrücklich, dass Lernprozesse und Lernergebnisse nur dann verbessert werden, wenn digitale Medien (fach-)didaktisch klug mit aktivierenden und individualisierten Lernumgebungen „orchestriert“ werden. Die Kompetenz des pädagogischen Personals ist daher der „Schlüsselfaktor“ für die Weiterentwicklung des Bildungssystems.

Der Nationale Bildungsbericht 2020 konstatiert für Deutschland einen erheblichen Entwicklungsbedarf, um die Potenziale digitaler Medien zukünftig besser auszuschöpfen. Das betrifft zunächst die Kompetenzen des pädagogischen Personals und der Lernenden sowie auch die digitalen Infrastrukturen, vor allem aber überzeugende Konzepte einer integrierten Personal- und Organisationsentwicklung in den Bildungseinrichtungen. Die Offenheit gegenüber digitalen Medien variiert erheblich zwischen den Bildungsbereichen: Neben einer großen Zurückhaltung beim pädagogischen Personal insbesondere in der frühen Bildung zeigt sich im Schulbereich, in der beruflichen Bildung, der Hochschule und der Erwachsenen- und Weiterbildung zwar eine größere Verbreitung digitaler Medien, die aber noch zu häufig analoge Arbeitsweisen und Lernmaterialien bloß kopieren. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland hinterher. Zudem nutzen die Lernenden - von den Schülerinnen und Schülern über die Studierenden bis zu den Teilnehmenden der Weiterbildung - digitale Medien häufig intensiver und kreativer als die Beschäftigten des Bildungssystems.

Neue Organisationsformen für das Lernen im digitalen Wandel erfordern die Bereitschaft und Fähigkeit von Politik, Administration, aber auch von Leitungskräften der Bildungseinrichtungen und in Träger- und Berufsverbänden, nicht nur verlässliche Infrastrukturen zu schaffen, sondern auch das pädagogische Personal durch fundierte und flexibel nutzbare Qualifizierungs- und Beratungsangebote zu unterstützen. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung technischen und didaktischen Wissens, sondern auch um Gelegenheiten zum Üben und zum kollegialen Austausch. Nur auf diese Weise lässt sich Professionalität fördern.


Über Prof. Dr. Josef Schrader

Wissenschaftlicher Direktor/Vorstand des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung. Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V.

Josef Schrader ist/war an folgenden Forschungsprojekten und Publikationen beteiligt. Sie thematisieren, wie Lehrkräfte der Erwachsenen- und Weiterbildung durch digitale Lern- und Bildungsmedien in ihrer Tätigkeit unterstützt werden können.

  • Schrader, J., & Brandt, P., Metavorhaben “Digitalisierung im Bildungsbereich“. BMBF, 2018 – 2023.
  • Schrader, J., Schröter, H., Meurers, D., & Becker-Mrotzek, M. Kompetenzadaptive, nutzerorientierte Suchmaschine für authentische Sprachlerntexte (KANSAS) - Entwicklung und Evaluation eines Instruments zur Unterstützung von Lehrkräften der Alphabetisierung und Grundbildung sowie Deutsch als Zweitsprache /BMBF, 2017–2020.
  • Schrader, J. & Brandt, P. RetroPro 2 – Retrodigitalisierung und Vervollständigung des Volkshochschul-Programmarchivs. DFG, 2017–2019.
  • Schrader, J. & Hannes Schröter, H. COLD - Competencies of school teachers and adult educators in teaching German as a second language in linguistically diverse classrooms. Leibniz-Wettbewerb, 2019-2022.
  • Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Maaz, K., Artelt, C., Brugger, P., Buchholz, S., Schrader, J. et al. (2020). Bildung in Deutschland 2020: Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung in einer digitalisierten Welt. Bielefeld: wbv Publikation.

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