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Verleihung des Dimitris Tsatsos-Preises an spanischen Minister Prof. Dr. Iñigo Méndez de Vigo y Montojo

Termin: 20.10.2015 / 14:00 Uhr

Ort: Campus der FernUniversität, TGZ-Gebäude, Ellipse, Raum 3, EG Universitätsstr. 1/11 58097 Hagen

Den Dimitris Tsatsos-Preis hat der spanische Minister für Bildung, Kultur und Sport, Prof. Dr. Iñigo Méndez de Vigo y Montojo, am 20. Oktober in der FernUniversität in Hagen verliehen bekommen. Damit würdigten das Dimitris-Tsatsos-Institut für Europäische Verfassungswissenschaften der FernUniversität (DTIEV) und das Centre for European Constitutional Law (CECL) seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Europäischen Verfassungswissenschaften. Besondere Verdienste um die europäische Einigung hatte sich der ehemalige Staatssekretär für die Europäische Union im spanischen Außenministerium 1992 bis 2011 als Mitglied des Europäischen Parlaments erworben. Mit dem nicht dotierten Preis ehren die Themistokles und Dimitris Tsatsos-Stiftung (CECL) und das DTIEV Persönlichkeiten, die sich wissenschaftlich oder politisch-praktisch herausragend um die europäische Einigung verdient gemacht haben.

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Dimitris Tsatsos-Preis für „wahren Europäer“

Auszeichnung für spanischen Minister in der FernUniversität

Den Dimitris Tsatsos-Preis hat der spanische Minister für Bildung, Kultur und Sport, Prof. Dr. Iñigo Méndez de Vigo y Montojo, am 20. Oktober in der FernUniversität in Hagen verliehen bekommen. Damit würdigten das Dimitris-Tsatsos-Institut für Europäische Verfassungswissenschaften der FernUniversität (DTIEV) und das Centre for European Constitutional Law (CECL) seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Europäischen Verfassungswissenschaften. Besondere Verdienste um die europäische Einigung hatte sich der ehemalige Staatssekretär für die Europäische Union im spanischen Außenministerium 1992 bis 2011 als Mitglied des Europäischen Parlaments erworben. Mit dem nicht dotierten Preis ehren die Themistokles und Dimitris Tsatsos-Stiftung (CECL) und das DTIEV Persönlichkeiten, die sich wissenschaftlich oder politisch-praktisch herausragend um die europäische Einigung verdient gemacht haben.

Foto: FernUniversität
Prof. Dr. Spyridon Tsantinis (Vorstandsmitglied des (CECL, li.) und Prof. Dr. Peter Brandt (Direktor des DTIEV, re.) überreichten Minister Prof. Iñigo Méndez de Vigo y Montojo die Urkunde, Foto: FernUniversität

„Wir wussten, wem man als überzeugtem Europäer vertrauen konnte. Zu dieser Gruppe gehörte Iñigo Méndez de Vigo y Montojo“, betonte der Rechtswissenschaftler und langjährige Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Jürgen Meyer bei seiner Laudatio in Hagen. Als Delegierte im Europäischen Grundrechtekonvent 1999/2000 und im Verfassungskonvent 2002/2003 arbeiteten sie gemeinsam an einer europäischen Verfassung, die am 1. Dezember 2009 als „Vertrag von Lissabon“ in Kraft trat.

Konstitutionalisierung Europas mit Geduld und Beharrlichkeit verfolgt

Iñigo Méndez de Vigo verfolgte das Konzept der Konstitutionalisierung Europas über viele Jahre mit Geduld und Beharrlichkeit. Gemeinsam mit Dimitris Tsatsos war er Berichterstatter des federführenden Institutionellen Ausschusses des Europäischen Parlaments zum Vertrag von Amsterdam 1997/98, der die Integration der EU vertiefen, ihre demokratische Qualität steigern und eine institutionelle Ordnung entwickeln sollte, die auf Freiheit und Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Solidarität und nicht zuletzt dem Subsidiaritätsprinzip baute. Und er war als einziger Europaabgeordneter auch Berichterstatter bei allen folgenden Verträgen, Nizza (2001), Laeken (2001), Verfassungsvertrag (2004) und Lissabon (2008), die schließlich zum Vertrag von Lissabon führten.

Foto: FernUniversität
Prof. Dr. Iñigo Méndez de Vigo y Montojo mit dem Laudator Prof. Dr. Jürgen Meyer, Foto: FernUniversität

Als Koordinator der EVP-Fraktion im federführenden Ausschuss des Europäischen Parlamentes (EP) verband er stets politische Weitsicht mit der Fähigkeit zum Ausgleich, zitierte Prof. Meyer einen Beobachter. So habe er auf die konstitutionelle Politik des EP einen weit über seine Fraktion hinausreichenden gestalterischen Einfluss ausüben können. Als Sitzungsleiter erwarb er durch seine disziplinierte, geistreich-elegante und gleichwohl bescheidene Leitung schnell das Vertrauen und die Wertschätzung der anderen Teilnehmenden.

Meyer lernte ihn als freundlichen, jedoch beharrlichen Arbeitsgruppenvorsitzenden kennen, der durch neue Gesetze das komplexe Gebilde der EU nicht noch intransparenter machen wollte. Deshalb sollte die Subsidiaritätskontrolle den bestehenden Parlamenten auf nationaler-und EU-Ebene übertragen werden, die dadurch gleichzeitig gegenüber der Kommission gestärkt würden: „Und so entstand das wesentlich von Méndez de Vigo erfundene neuartige ‚Frühwarnsystem‘, in dem die nationalen Parlamente ihre Bedenken gegen geplante Gesetzesinitiativen der Kommission frühzeitig einbringen können und … ein Klagerecht zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) erhalten haben.“

Eine weitere wichtige Kompetenz Méndez de Vigos: „Wer andere Delegierte überzeugen wollte, tat gut daran, zunächst einmal deren Grundeinstellung zu verstehen und dann möglichst von dieser Grundlage aus zu argumentieren.“ Das war u.a. erfolgreich, als beide den Artikel 1 des Grundgesetzes zur Unantastbarkeit der Menschenwürde in die Charta der Grundrechte der EU aufgenommen sehen wollten.

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Prof. Dr. Iñigo Méndez de Vigo y Montojo mit (v. li.) Prof. Dr. Andreas Haratsch (Stellvertretender Direktor des DTIEV), Prof. Dr. Peter Brandt, Alexia Tsatsou (Tochter von Dimitris Tsatsos), FernUni-Rektor Prof. Dr.-Ing. Helmut Hoyer und Prof. Dr. Spyridon Tsantinis, Foto: FernUniversität

Diese und weitere Beispiele Meyers zeigten unmittelbare Bezüge zur Aktualität: Iñigo Méndez de Vigo hat „überzeugend darauf hingewiesen“, dass Wege aus Finanz-, Griechenland- und Flüchtlingskrise nur durch mehr Integration zu finden waren und sind – „gemeinsam und unter Beachtung von Grundwerten wie Menschenwürde und Solidarität“. Wie Jürgen Habermas bereits feststellte: „Zur Herausbildung einer europäischen Identität gibt es nur eine Alternative: Der alte Kontinent verschwindet von der weltpolitischen Bühne.“ Diese Identität definiere sich nicht zuletzt durch die gemeinsame Werteordnung, wie sie in der Grundrechtecharta konkret beschrieben wird. Meyer: So wie der historische Satz „civis Romanus sum“ einmal eine klare Bedeutung hatte, möge „civis Europae sum“ eines Tages ein Bekenntnis zur europäischen Wertegemeinschaft sein. In diesem Sinne werde der Dimitris-Tsatsos-Preis „an den wahren Europäer Iñigo Méndez de Vigo verliehen.“

Dessen wissenschaftliche Laufbahn entfaltete sich in engem Zusammenhang mit seinem politischen Engagement. Nach einer Gastprofessur am Internationalen Institut für Menschenrechte von 1984 bis 1989 und einer anschließenden Professur für Gemeinschaftsrecht an der Europäischen Universität (CEU) San Pablo war er von 1999 bis 2003 Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls für Europäische Institutionen an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universidad Complutense in Madrid, wo er anschließend zum „Jean-Monnet-Professor ad honorem“ ernannt wurde. Seine zahlreichen Publikationen aus dieser Zeit befassen sich mit nationalen und europäischen Verfassungsfragen. Minister wurde er im Juni 2015.

Für seine wissenschaftlichen und politischen Verdienste erhielt er u.a. die Goldmedaille des Aktionskomitees der Europäischen Union 2007 und das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschlands 2010.

Humanität, Solidarität und Frieden durch den „European Way of Life“

Nach der Preisverleihung hielt Méndez de Vigo den Vortrag „Die Zukunft Europas“. In seinem Dank bekannte er, dass die „Tätigkeiten in den Konventen die wichtigsten in meinem politischen Leben“ waren: „Wir kämpften alle für Europa!“ Wenn auch Europa keineswegs perfekt sei, gebe es keine Alternative. Mut macht ihm, dass die Bürgerinnen und Bürger an den europäischen Entscheidungsprozessen teilhaben wollen: Die technologischen Revolutionen ermöglichen ihnen eine fundierte Meinungsbildung – jetzt wollen sie auch mitreden. Die Frage ist aber, welchen Sinn Europa hat: Den einen – wie Frankreich – ist die Verfassung zu liberal, den anderen – etwa Großbritannien – zu sozial. Das gibt Politikern in den einzelnen Staaten die Möglichkeit, bei schlechten Nachrichten, bei Eingriffen in die nationale Souveränität, mit dem Finger auf die Europäische Kommission zu zeigen: Wie wirkt sich die ständige Kritik an der EU aus der nationalen Politik auf die Identifizierung der Bürgerinnen und Bürger mit ihr aus? Méndez de Vigo fordert daher, sich nicht nur auf Negatives zu konzentrieren und mehr zu kommunizieren. Die Euro-Krise sei ja schon Vergangenheit, die Wahlbeteiligung zum ersten Mal seit 1979 wieder gestiegen, die Rolle der Kommission habe sich stabilisiert, sie sei stärker mit dem Rat verbunden. Und in der Globalisierung spiele Größe eine zentrale Rolle: „Europa kann nicht darauf verzichten, mit am Tisch zu sitzen, wenn die Regeln einer neuen Welt geschrieben werden – der ‚European Way of Life‘ ist am besten geeignet, für Humanität, Solidarität und Frieden zu sorgen!“

Es folgte eine Podiumsdiskussion mit Elmar Brok MdEP (Bielefeld), Axel Schäfer MdB (Bochum) und Prof. Dr. Spyridon Tsantinis (Athen): „Die Bedeutung der Griechenlandkrise für die EU“.

Dimitris Tsatsos

Dimitris Tsatsos war Professor in Hagen, Bonn, Thessaloniki und Athen und 1994 bis 2004 EP-Mitglied. Der Mitbegründer des Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften, das heute nach ihm benannt ist, setzte sich zeitlebens für die europäische Integration und die integrative Verfassungsentwicklung Europas ein. Er verstarb im April 2010.

Die Veranstaltung im Hagener Forschungsdialog der FernUniversität ist unter /videostreaming/rewi/dtiev/ als Stream abrufbar.

DTIEV | 08.04.2024