Exzerpieren - Kompilieren - Transkribieren. Zeitwahrnehmung und Zeitorganisation in Kartularen des Mittelalters

Thema:
Exzerpieren - Kompilieren - Transkribieren. Zeitwahrnehmung und Zeitorganisation in Kartularen des Mittelalters
Veranstaltungstyp:
Online-Seminar
Zielgruppe:
BA KuWi: Modul G2; Modul G3; Modul G5; MA EuMo: Modul 2E; MA GeEu: Modul I; Modul II; Modul V; Modul VI;
Ort:
Online
Adresse:
Online über Zoom
Termin:
05.11.2021 bis
03.12.2021
Zeitraum:
5.11., 12.11., 19.11., 26.11. und 03.12.2021 - jeweils Freitags von 17 - 20 Uhr
Leitung:
PD Dr. Uta Kleine
Anmeldefrist:
(05)10.08.2021 - 03.09.2021
Anmeldung:
Online-Anmeldung
Auskunft erteilt:
uta.kleine , E-Mail: uta.kleine , Telefon: +49 2331 987-4324

Kartulare (auch: Chartulare bzw. Kopiare) sind Sammlungen mit Abschriften von Urkunden und anderen Dokumenten der Besitzverwaltung in Buchform. Es handelt sich um Kompilationen von Alltagsschriftgut, das zum Nutzen kommender Generationen transkribiert und bewahrt werden sollte. Die meisten Urkunden des Mittelalters und der Frühen Neuzeit sind nicht im Original, sondern in Kartularen überliefert.

Kartulare stammen mehrheitlich aus dem klösterlichen Umfeld und sind ein wichtiges Zeugnis für den Prozess der ‚réécriture‘, der Übertragung von älteren Dokumenten in Einzelblattform in das kompakte Medium des Kodex‘. Diese neuen „remembrance books“ stellen wichtige Instrumente der kollektiven Erinnerung dar.

In großer Zahl entstanden Kartulare seit ca. 1000, in der Folge von politisch-religiösen Umbrüchen, auf welche die geistlichen und weltlichen Institutionen mit Innovationen des Schriftgebrauchs und der Archivierungspraxis reagierten. Die Retextualisierung des älteren Materials impliziert ein Um- bzw. Überschreiben der Vergangenheit durch Selektion und kreative Rekombination von Inhalten, wodurch sich erhebliche Sinnverschiebungen ergeben. Aus dieser Perspektive sind Kartulare wichtige Zeugnisse für die Neuordnung und –bewertung von Vergangenheit im Lichte einer sich rasch verändernden Gegenwart. Die Zeit zwischen 1050-1215, die so genannte „Renaissance“ des (langen) 12. Jahrhunderts, gilt als Schlüsselepoche einer solchen schriftkulturellen Neukonfiguration.

Im Seminar soll am anhand von Beispielen des 12. und 13. Jahrhunderts aus dem Rhein-Maas-Moselraum (u.a. Trier, Echternach, Prüm).

Neben inhaltlichen werden auch die kodikologische Merkmale (Schriftformat, Seitengestaltung, Alter und Ordnung der tradierten Texte, graphische und ikonische Elemente, Marginalnotizen) mitberücksichtigt, denn sie liefern wichtige Hinweise auf die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte und die Funktion dieser Bücher. Daher werden wir auch mit Faksimilia bzw. Handschriftendigitalisaten arbeiten.

Einführende Literatur

Brandt, Ahasver von: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaften, 18. aktualisierte Aufl. (Urban-Taschenbücher 33), Stuttgart 2012

Vogtherr, Thomas: Einführung in die Urkundenlehre. 2. überarb. Aufl., Stuttgart 2017

Nolden, Reiner: „Das Goldene Buch von Prüm“ (Liber aureus Prumiensis, StBTrier, Hs 1709). Ein Kopiar mit Urkundenabschriften des 8. bis 12. Jahrhunderts (Kostbarkeiten der Stadtbibliothek Trier 4), Trier 2013

Nolden, Reiner (i.A. des Geschichtsvereins Prümer Land e.V.) (Hg.): Das „Goldene Buch“ von Prüm (Liber Aureus Prumiensis). Faksimile, Übersetzung der Urkunden, Einband), Prüm 1997

Kuhn, Hans Wolfgang: Das politische Programm des Liber aureus von St. Maximin (Trier): Untersuchungen über Chartular und Prachteinband aus dem 13. Jahrhundert, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 4 (1978), 81-128

Kartular (Liber aureus) von Echternach: https://dfg-viewer.de/show/?tx_dlf[id]=https%3A%2F%2Fdhb.thulb.uni-jena.de%2Fservlets%2FMCRMETSServlet%2Fufb_derivate_00011020%3FXSL.Style%3Ddfg&set[image]=1