Termin: 18.09.2019
Die Tragödie, so lautet eine naturgemäß umstrittene These, sei aus archaischen Opferkulten entstanden, der tragische Held als Kultursublimat des Sündenbocks zu verstehen. Im 18. Jahrhundert wird die tragische Position folgenreich umdefiniert: Sie geht eine enge Allianz mit der zeitgenössischen Anthropologie der Geschlechter ein. Das tragische Prestige kommt zunehmend unschuldigen weiblichen Opfern zu; zugleich mit seinem Geschlecht wird jetzt auch die Theatralität des Opfers markiert und einer dramaturgischen Grundlagenreflexion unterzogen. Die Dramen selbst bringen die Funktion des tragischen Helden/der tragischen Heldin mit der kulturellen Semantik der Geschlechter in Verbindung. Die Echos dieser Errungenschaft hallen bis heute nach.