Präsenzveranstaltung

Thema:
Ist Ethik eine Wissenschaft? Ludwig Wittgensteins Vortrag über Ethik und die Folgen
Veranstaltungstyp:
Präsenz
Zielgruppe:
MA Phil: Modul 26401/I; Modul 26407/VII;
Ort:
Wien
Termin:
03.10.2025 bis
05.10.2025
Leitung:
Dr. Samuel Pedziwiatr
Anmeldefrist:
19.09.2025
Anmeldung:
Bitte melden Sie sich über die Online-Anmeldemaske an.
Auskunft erteilt:
Daniela Doliwa und Karin Gockel
E-Mail: medizinethik
Telefon: +49 2331 987-4123

Am 17. November 1929 hält Ludwig Wittgenstein vor der Heretics’ Society in Cambridge seinen ersten und einzigen öffentlichen Vortrag. Anstatt, wie zu erwarten, einen populärwissenschaftlichen Überblick über seine Forschungsschwerpunkte in der Logik oder Sprachphilosophie zu geben, wählt er ein scheinbar völlig anderes Thema: die Ethik.

Moralphilosophische Fragen, etwa nach richtigem und falschem Handeln, dem Wesen von Gut und Böse, der Geltung und dem Gehalt von Normen und Werten, oder den Grundlagen der Verantwortung, stellen seit jeher einen wichtigen Kernbereich der Philosophie dar. Wittgensteins Ansicht wirkt vor diesem Hintergrund besonders provokant: Er behauptet in seinem Vortrag, dass sich ethische Sätze nicht sinnvoll aussprechen lassen. Wittgenstein verortet den Gegenstandsbereich der Ethik – in starkem Kontrast zu den Naturwissenschaften – jenseits des sinnvoll Sagbaren.

Damals wie heute stößt der Vortrag über Ethik auf viel Unverständnis und Ablehnung. Will Wittgenstein wirklich sagen, es sei unmöglich, rational über Ethik zu sprechen? Sind die moralphilosophischen Bücher aus der Philosophiegeschichte, die seit der Antike ganze Bibliotheken füllen, letztlich unsinnig und inhaltsleer? Und wie soll man dann überhaupt mit moralischen Problemen umgehen, wenn sie sich nicht einmal sprachlich fassen lassen?

Im Seminar werden wir gemeinsam den Vortrag über Ethik intensiv lesen und versuchen, Wittgensteins Standpunkt kritisch nachzuvollziehen. In Auseinandersetzung mit relevanten Nachlassdokumenten, Vorlesungs- und Gesprächsmitschriften werden wir zentrale Gedankengänge im historisch-biographischen Kontext rekonstruieren. Wie wir sehen werden, geht es Wittgenstein keineswegs darum, das Ethische für obsolet zu erklären. Vielmehr nimmt er in seinem Denken und Leben vielfach Bezug auf religiös-moralische Motive aus philosophischen und literarischen Werken.

Das Seminar möchte vor diesem Hintergrund vor allem zur vertieften eigenständigen Auseinandersetzung mit ethischen Fragen anregen, die Wittgensteins Werk an- und umtrieben. Im Verlauf des Seminars werden wir gemeinsam die aktuelle Relevanz der Lecture of Ethics für die systematische Moralphilosophie diskutieren und dabei ausgewählte Probleme der zeitgenössischen (Meta-)Ethik kennenlernen. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Fragen nach der Definition von Ethik und Moral, der Analyse ethischer Sätze, den Fundamenten moralischer Begründung, sowie die Grenzen und Möglichkeiten der Auflösung moralischer Konflikte.

Teilnahmevoraussetzungen:

Es werden keine Vorkenntnisse erwartet. Vorwissen zu Wittgensteins Tractatus Logico-Philosophicus ist willkommen, aber nicht notwendig.

Ausgewählte Literatur
(weiterführende Literaturhinweise werden im Seminar zur Verfügung gestellt)

Wittgenstein, Ludwig: Vortrag über Ethik und andere kleine Schriften. Herausgegeben von Joachim Schulte, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1989, S. 9-19.

Wittgenstein, Ludwig: Lecture on Ethics. Herausgegeben von Eduardo Zamuner, Ermelinda Valentina di Lascio und D.K. Levi. Wiley Blackwell 2014.

Die Übersetzung Peter Winslows (basierend auf Ludwig Wittgenstein: A Lecture on Ethics. In: The Philosophical Review. Band 74, Nr. 1, Januar 1965, S. 3–12.) ist online verfügbar unter: https://www.wittgensteinproject.org/w/index.php/Vortrag_%C3%BCber_Ethik

Wittgenstein, Ludwig: Notebooks 1914–1916. Herausgegeben von G. H. von Wright und G. E. M. Anscombe. Harper & Row, 1969. Gemeinfrei verfügbar unter: https://wittgensteinproject.org/w/index.php/Tageb%C3%BCcher_1914-1916.

Crary, Alice: “Wittgenstein and Ethical Naturalism”, in: Guy Kahane, Edward Kanterian und Oskari Kuusela, Wittgenstein and his Interpreters, Wiley-Blackwell 2013, pp. 295-319.

Diamond, Cora: “Einleitung zu ‘Eine ungefähre Vorstellung von Moralphilosophie’”, in: John Gibson und Wolfgang Huemer (Hrsg.), Wittgenstein und die Literatur, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006, pp. 187-214.

Diamond, Cora: “Ethics, imagination and the method of Wittgenstein’s Tractatus”, in: Alice Crary und Rupert Read (Hrsg.), The New Wittgenstein, London und New York: Routledge 2000, 149-173.

Griffiths, A. Phillips: “Wittgenstein, Schopenhauer, and Ethics”, in: Understanding Wittgenstein. Royal Institute of Philosophy Lectures. Vol 7 1972-1973, London/Basingstoke: Macmillan 1974, pp. 96-116.

Johnston, Paul: Wittgenstein and Moral Philosophy, London und New York: Routledge 1989.

Kuusela, Oskari: “Ethik”, in: Anja Weiberg und Stefan Majetschak (Hrsg.), Wittgenstein Handbuch. Leben - Werk - Wirkung, Berlin: J.B. Metzler 2022, pp. 230-234.

Matar, Anat: “"Facts, Facts, and Facts but No Ethics": a Philosophical Remark on Dethroning”, in: A selection of papers from the International Wittgenstein Symposia in Kirchberg am Wechsel, Papers of the 32nd IWS, 2009, herausgegeben von V. A. Munz, K. Puhl, J. Wang) https://wab.uib.no/ojs/index.php/agora-alws/article/view/2827

Morra, Lucia: “Wittgenstein in Alethea Graham’s Diary (1929-1930), and New Data on the Audience of his Lecture on Ethics and LT 1930 Class”, Nordic Wittgenstein Review (13), 2024, https://doi.org/10.15845/nwr.v13.3697

Christensen, Anne‐Marie S., ' Wittgenstein and Ethics', in Oskari Kuusela, and Marie McGinn (eds), The Oxford Handbook of Wittgenstein, Oxford Handbooks (2011; online edn, Oxford Academic, 1 Jan. 2012), https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780199287505.003.0036, accessed 8 Aug. 2025.

Stern, David G.: “Wittgenstein's Lectures on Ethics“, Cambridge 1933. Wittgenstein-Studien 4(1), 2013.

Ong, Yi-Ping: “Lectures on Ethics: Wittgenstein and Kafka”, in: Michael LeMahieu und Karen Zumhagen-Yekplé (Hrsg.), Wittgenstein and Modernism, University of Chicago Press 2016, pp. 229-256

Rhees, Rush: “Some Developments in Wittgenstein’s View of Ethics”. The Philosophical Review 74/1 (1965), 17–26.

von der Pfordten, D.: “Höchster Moralismus und tiefste Skepsis gegenüber der normativen Ethik — Zu Wittgensteins Metaethik.”, in: A. Siegetsleitner (Hrsg.) Logischer Empirismus, Werte und Moral. Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis, vol 15. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-7091-0160-5_3

Vossenkuhl, Wilhelm: “Das Ethische ist kein Sachverhalt” Über Wittgensteins ethisches Paradox. Wittgenstein Studien 2023, 39-57.

Wilke, Andrea-Ursula: “Der Status moralischer Normen bei Kant und Wittgenstein”, in: Bernhard Ritter und Dennis Sölch (Hrsg.), Wittgenstein und die Philosophiegeschichte, Freiburg/München: Verlag Karl Alber 2021, pp. 157-189.

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Kontaktinformationen
Frau Herr ohne
Karin Gockel | 13.08.2025