Projekt

Die Privatisierung des Maßregelvollzugs: Muster, Ursachen und Folgen im Bundesländervergleich

Projektleitung:
Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller
Status:
abgeschlossen
Laufzeit:
2010-2014

Art des Projekts: Eigenmittel

Kurzbeschreibung

Vormalige Staatsaufgaben, wie etwa die Versorgung der Bevölkerung mit Transport-, Energie-, Telefon- und Postdienstleistung oder die Sammlung und Entsorgung des Abfalls, sind in den vergangenen 20 Jahren auch in Deutschland umfassend privatisiert worden. Hingegen wurde hierzulande – anders als z. B. in den USA oder Großbritannien – der eng mit dem staatlichen Gewaltmonopol verbundene Strafvollzug in Gefängnissen nicht angetastet, da er allgemein als nicht privatisierbarer Kernbereich staatlicher Aufgaben gilt. Diese Privatisierungsscheu gilt jedoch – durchaus überraschend – nicht für einen damit eng verwandten Bereich, den psychiatrischen Maßregelvollzug (MRV), also die Unterbringung schuldunfähiger oder gemindert schuldfähiger Straftäter in psychiatrischen Kliniken zur „Besserung und Sicherung“. Dieser Bereich ist in den seit 2000 in Deutschland in einer Reihe von Bundesländern privatisiert worden. Die Privatisierung steht dabei vor dem dreifachen Hintergrund einer drastischen Zunahme der hier Unterge­brach­ten, eines seit Mitte der 1990er Jahre verschärften „Sicherheitsdiskurses“ und des umfassen­deren „Zuges in die Krankenhausprivatisierung“ im Laufe der vergangenen 10 Jahre.

Das Forschungsprojekt steht in der Tradition der politik- und verwaltungswissenschaftlichen Privatisierungsforschung und verfolgt – im Vergleich der Bundesländer – drei Ziele:

  • Das erste, deskriptive Ziel verfolgt die präzise Erfassung der Privatisierungsmuster in den einzelnen Bundesländern: Welche Bundesländer haben den MRV funktional privatisiert, d. h., die Kliniken an private Betreiber verkauft und die Aufgabe des Maßregelvollzugs durch Beleihung an diese privaten Betreiber übertragen? Welche Bundesländer haben „nur“ formell privatisiert und welche erwägen weder das eine noch das andere?
  • Das zweite, explikative Ziel widmet sich der Erklärung der Unterschiede. Warum haben 5 von 16 Bundesländern den MRV funktional privatisiert, andere aber nicht? Welche Rolle spielen die Erklärungsfaktoren der Staatstätigkeitsforschung: Institutionen, Parteien oder Problemdruck?
  • Das dritte, evaluative Ziel geht der Frage nach den Auswirkungen der Privatisierung nach. Dabei geht es u. a. um die Auswirkungen auf die Kosten (arbeiten Private wirklich effizienter?), auf die Leistungsqualität (geht die Privatisierung zu Lasten von Behand­lungsqualität oder Sicherheitsstandards?) und auf die staatliche Steuerungsfähigkeit (wie versucht der Staat, die privatisierten Dienste zu steuern und gelingt ihm das?).

Publikationen:

Annette Elisabeth Töller und Marcus Dittrich. 2011. Die Privatisierung des Maßregelvollzugs. Die deut­schen Bundesländer im Vergleich. Der moderne Staat (dms), 1, 191-210. Volltext: www.budrich-journals.de/index.php/dms/article/view/5148/4290

Michael Stoiber und Annette Elisabeth Töller. 2016. Ursachen der Privatisierung des Maßregel­voll­zugs in Deutschland. Eine QCA im Bundesländervergleich. Zeitschrift für Vergleichende Poli­tik­wissenschaft (ZfVP) 1, 1-28.

08.04.2024