Seminar Wildes Denken
- Thema:
- "Wildes Denken“ im Forschungsfeld von Familie und Verwandtschaft: „Mutters Bruder, keiner sonst“
- Veranstaltungstyp:
- Präsenz
- Semester:
- Wintersemester 2025/26
- Zielgruppe:
- BA PVS: Modul 25605/S3; MA Soz: Modul 26607/E2; Modul 26608/E5; Studierende im BA PVS Studiengang, Modul VS2 – darüber hinaus alle, die am Thema Interesse haben
- Ort:
- Campus der FernUni Hagen; KSW Gebäude 1, D 0028
- Adresse:
- Campus Hagen
- Termin:
- 20.02.2026
bis
22.02.2026 - Zeitraum:
- Vorbesprechung (online): Dienstag, der 13.01.2025 – 17:00 -18.30 Uhr (Link für den Zoom wird Ihnen vor der Veranstaltung per E-Mail zugesendet)
Freitag, der 20.02.2026 – 17:00 bis 20:00 Uhr
Samstag, der 21.02.2026 – 10:00 bis 17:00 Uhr
Sonntag, der 22.02.2026 – 9:00 bis 13:00 Uhr - Leitung:
- Prof. Dr. Dorett Funcke
- Anmeldefrist:
- 10.01.2026
- Anmeldung:
- per E-Mail an Judith Bornmann: sekretariat.mikrosoziologie@fernuni-hagen.de
- Hinweis:
- Veranstaltung wird als Präsenzseminar im Sinne der Studienordnung für den Studiengang Bildungswissenschaft (§ 9) anerkannt. Es wird eine Teilnahmebescheinigung ausgestellt.
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Teilnahme-
voraussetzungen: - - Eine Geneigtheit zum wilden Denken - Lektürebereitschaft: die Texte werden Ihnen nach der Anmeldung in einem Reader zugesendet - Bereitschaft, ein Kurzreferat zu halten. Für einen Scheinerwerb ist an allen Tagen in Präsenz teilzunehmen und an der vorbereitenden Onlinesitzung.
Beschreibung
Das Seminar ist eine Einladung, über eine Frage nachzudenken, die ganz allgemein in dem Sinne Familiensoziologisches berührt, da es um eine Verwandtschaftsbeziehung geht, nämlich die zum Onkel mütterlicherseits – aus der Perspektive des Neffen formuliert, also Mutters Bruder. Das mag auf den ersten Blick speziell erscheinen, was nicht bestritten wird, aber Sie werden sehen, dass wir uns ausgehend von dieser Figur Aufschluss darüber verschaffen können, was humanspezifische Gesellschaften auszeichnen. Dazu müssen wir – und einen anderen Weg gibt es nicht – menschliche Ausdrucksformen anschauen, die uns besser verstehen lassen, wer wir sind oder: in welchen Ordnung generierenden Strukturen wir leben, auch was sie bedeuten und woher sie kommen (was aber in der Regel nur schwer zu beantworten ist). Wir lesen dazu einen Klassiker unseres Faches, der als Ethnologe und berühmt gewordener Ethnograf („Traurige Tropen“[1]) in seinen Anfängen über das Feld der sexuellen Reproduktion auf der Grundlage eines Kulturvergleichs von indigenen Gesellschaften geforscht hat und eine Verwandtschaftstheorie entwickelt hat, – womit er in Deutschland nach dem Krieg insbesondere durch die (selektive) Rezeption von Arnold Gehlen, der den Begriff der Institution in seiner philosophischen Anthropologie bestimmt hat, bekannt geworden ist (vgl. Fischer 2008[2]).
Das spektakulär Besondere an dieser Theorie ist, dass Claude Lévi-Strauss Heiratsregeln entdeckt hat, die vorschreiben das „Wer mit Wem“, also mögliche Ehepartner festlegen und welche nicht infrage kommen. Wir können auch sagen, es handelt sich hierbei um eine inhaltliche Ausgestaltung des Inzesttabus. Der „maternale Onkel“, das kann auch ein klassifikatorischer sein, spielt dabei eine besondere Rolle, nicht immer, aber da „daß Phänomen ‚eine sehr häufige Verbreitung aufweist‘“, ist dies „ein vollkommen hinreichender Grund […] sich dafür zu interessieren“ (Lévi-Strauss 2008: 111[3]). Auch heute noch, wie ich der Ansicht bin, wozu empirische Funde und Beobachtungen – das werde ich Ihnen zeigen – Anlass geben; umgemünzt in die für das Seminar zentrale Frage (und ich habe noch keine Antwort darauf): Warum und was bedeutet es, dass in sozialisatorischen Krisen (wie die eines abwesenden Vaters), also dann, wenn missliche Lebensumstände autonome Bildungsprozesse problematisch werden lassen, der mütterliche Onkel aktiv wird (meint auch, von anderen in einen solchen Status gehoben zu werden oder eine Person, auch wenn es nicht der leibliche Onkel ist, Verantwortung wie einer übernimmt) und alles darauf hinzudeuten scheint, dass er eben keine Verwandtschaftsperson ist wie jede andere auch.
Claude Lévi-Strauss hat selbst in einem seiner späteren Texte (1997[4]) darauf aufmerksam gemacht. Ich lese diesen Text so: Ob wir uns nun zeitlich von uns entfernte Gesellschaften anschauen (Altertum, Mittelalter), räumlich entfernte (europäischer Raum – zumindest ist das der Referenzpunkt dieses Textes), kulturell heterogene (indigene Gesellschaften mit Verwandtschaftsdominanz und kommunitärer Organisationsweise) oder eben (europäische) Gegenwartsgesellschaften überall finden wir das „Verwandtschaftsatom“ (Lévi-Strauss 1985[5]) am Wirken. Es bewirkt als eine Ordnung des Relationalen [ich weiß, jetzt wird es kompliziert], zu der eine Nomenklatur und Eigenschaften von Haltungen gehören, dass Menschen soziale Beziehungen eingehen. Damit sind wir mittendrin im strukturalistischen Denken[6] und bei einer Theorie vom symbolischen Ursprung des Sozialen.
Anmeldung für das Seminar:
Ihre Anmeldung für die Veranstaltung richten Sie bitte unter Angabe Ihrer Postanschrift, Matrikel-Nr., Studiengang und Studienstatus bis einschließlich zum 10.01.2026 per E-Mail an Judith Bornmann: sekretariat.mikrosoziologie
Teilnahmevoraussetzung und Teilnahmebescheinigung:
• Eine Geneigtheit zum wilden Denken,
• Lektürebereitschaft: die Texte werden Ihnen nach der Anmeldung in einem Reader zugesendet
• Bereitschaft, ein Kurzreferat zu halten
Für einen Scheinerwerb ist an allen Tagen in Präsenz teilzunehmen und an der vorbereitenden Onlinesitzung.
Die Texte, die Grundlage des Seminars sind, werden Ihnen nach der Anmeldung zugesendet.
Empfehlung: Buchen Sie erst (Übernachtung, Bahnticket), wenn Ihnen bestätigt wird, dass das Seminar stattfindet. Eine definitive Zu- bzw. Absage erhalten Sie bis zum 15.1.2026 per E-Mail.
Auskunft erteilt: Dorett Funcke, E-Mail: dorett.funcke
Ich freue mich auf das Seminar mit Ihnen und Sie in Hagen an der FernUni begrüßen zu können.
[1] Lévi-Strauss (1978 [1955]: Traurige Tropen, Suhrkamp: Frankfurt a.M. Sein Lehrstuhlnachfolger am College de France, Philippe Descola, hat daran angeknüpft: Leben und Sterben in Amazonien. Bei den Jívaro-Indianern, 2011 [1993], Suhrkamp: Frankfurt a.M.
[2] Fischer, Joachim (2008): Lévi-Strauss und die deutsche Soziologie: Strukturalismus, Philosophische Anthropologie und der Poststrukturalismus. In: Kauppert/Funcke (Hg.), Wirkungen des wilden Denkens. Zur strukturalen Anthropologie von Claude Lévi-Strauss. Suhrkamp: Frankfurt a.M., S. 175-191.
[3] Lévi-Strauss, Claude (1985 [2008]), Ein australisches „Verwandtschaftsatom“. In: Ders., Der Blick aus der Ferne, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 105-119.
[4] Lévi-Strauss, Claude (2014 [1997]), Die Rückkehr des Onkels mütterlicherseits. In: Ders., Wir sind alle Kannibalen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 213-223.
[5] Lévi-Strauss, Claude (1985 [1984]), Reflexionen über das Verwandtschaftsatom (1971-1972). In: Ders., Gehaltene Versprechen. Wortmeldungen aus dreißig Jahren, München: Fink, S. 178-191.
[6] „Die strukturale Anthropologie ist anders als der Marxismus oder die Psychoanalyse kein Kuhn’sches Paradigma oder Foucault’scher Diskurs, sondern paradoxerweise der Eigenname eines Werkes, dessen Autor dafür kämpft, die das europäische Denken von Anbeginn der Neuzeit bis weit in das 20. Jahrhundert hinein kennzeichnende demiurgische Überschätzung des Subjekts zum Einsturz zu bringen“ (Paul 2008: 305, Zeitreisen. Lévi-Strauss und die Geschichte. In: Kauppert/Funcke (Hg.): Wirkungen des wilden Denkens. Zur strukturalen Anthropologie von Claude Lévi-Strauss, Suhrkamp: Frankfurt a.M., S. 304-332.