Sommersemester 2020

Modul 5 L: Literarische Legitimation: Die Erfindung der Geschichte

Inhalte

04470: In diesem Studienbrief soll der Wandel der Geschichtserfahrung in den letzten beiden Jahrhunderten mit den wechselnden Formen der Geschichtsdarstellung in Zusammenhang gebracht werden. Dabei gilt besondere Aufmerksamkeit der spezifisch modernen Spannung zwischen subjektiver Auffassung der Geschichte, die allemal nur „Geschichten“ von ihr zulässt, und der ihr komplementären Sehnsucht nach kollektiven, d.h. gemeinsamen Geschichtsbildern, die zur Identifikation menschlicher Gemeinschaften und ihres Zusammenlebens notwendig sind. An exemplarischen Texten soll untersucht werden, wie diese Spannung im Roman durch die und in der Erzählweise ausgetragen wird, welche Wandlungen zu beobachten sind und welche Auswirkungen sie auf eine Romantheorie haben.

weiterlesen...

04471: An der Konstruktion der Geschichte ist neben der Geschichtsschreibung eine Vielzahl kultureller Instanzen beteiligt, die weniger auf faktengenaue Erzählung des Gewesenen als vielmehr auf Sinnbestimmung und –behauptung abzielen. Darunter fallen auch auf unverhohlene Indienstnahme und Deutungshoheit. Die Literatur, mit solchen Instanzen teils verflochten oder verbündet, ihnen teils vehement widersprechend, kennt das Genre der Meta-Erzählung, in der nicht die Geschichte selbst, sondern gegenwartswirksame Geschichtsbilder auf dem Prüfstand stehen. Geschichte, erstarrt in sinnentleerten Traditionen, falschen Habitus oder historischen Fehlentwicklungen, deren Korrektur nicht einfach dem historischen Fortgang oder den Selbstheilungskräften des Staates oder der Gesellschaft überlassen werden kann, in denen vielmehr das Vertrauen auf den gesetzmäßigen Gang der Geschichte (die große Erzählung) selbst zu den aufzuspürenden Fehlerquellen menschlichen Urteilen und Handelns gehört, bildet den aufzuklärenden Hintergrund in den Meta-Erzählungen von Novalis, Klingemann und Thomas Körner, die, in jeweils unterschiedlicher Stoßrichtung, mehr sein wollen als ‚bloße‘ Literatur.

34565: Die ökonomische und technische Modernisierung wurde von der schreibenden Intelligenz nicht nur als schmerzhafter Traditionsbruch, sondern auch als Zunahme liberaler Spielräume reflektiert, in denen sich ein neuer, journalistisch das Tagesgeschehen kommentierender Literatentypus entfalten konnte. Im Mittelpunkt des Studienbriefs steht daher nicht die literarhistorische Epocheneinteilung, sondern die Frage nach den Veränderungen des literarischen Feldes und der Schriftstellerprätentionen im Verhältnis zu den Erwartungen der „Bourgeoisie“ und des „Bildungsbürgertums“. Der Studienbrief bietet neben exemplarischen Romanauszügen und Betrachtungen auch Dokumente des einschlägigen programmatischen und ideologischen Literaturdiskurses und Informationen über die marktgesellschaftlichen Aspekte des Literaturbetriebs sowie der journalistischen Publizistik.

34566: Napoleon ist eine, wenn nicht die überragende Figur in den Machtphantasien der Literaten des 19. und noch des beginnenden 20. Jahrhunderts. Der Kurs führt in diese Phantasien ein, er zeigt, aus welchen Quellen sie gespeist werden und welche Motive in ihnen wirksam sind. Die „Machtfrage“, wie sie sich zunächst im Hinblick auf Existenz und Ausgestaltung des „bürgerlichen“ Staates – im vor- und nachrevolutionären Sinn – stellt, ist eines der großen Themen der Literatur des „langen“ 19. Jahrhunderts: sie prägt das Selbstbild der Schriftsteller ebenso wie ihre „Weltanschauung“. Recht, Mythos, Geschichte ergeben in dieser Auseinandersetzung die entscheidenden Größen, deren Darstellung in exemplarischen Einzelinterpretationen nachgegangen wird. Die Erarbeitung des „Sündenbock“-Motivs von Goethe bis Girard bildet den Rahmen der Untersuchung, in ihr zeigen sich die Kosten der Zivilisation wie die Möglichkeit des „Zivilisationsbruchs“, den das 20. Jahrhundert in verschiedenen Varianten realisiert.

 

Alle Kurse müssen belegt werden, wenn Sie dieses Modul studieren möchten.

Kurs-Nr.
Titel SWS
04470   Geschichtsschreibung und Geschichtsdarstellung im Roman I: 18. und 19. Jahrhundert 2
 04471  Erstarrte Geschichte  2
 34565  Zwischen Restauration und Modernisierung. Zur Literaturgeschichte des deutschen Bürgertums 1813 – 1865  2
 34566  Machtphantasien in der europäischen Moderne  2

Zugang zu den Lernmaterialien und weiteren studienrelevanten Informationen, sowie Kontakt zu den Betreuenden und den Mitstudierenden erhalten Sie in der
moodle Lernumgebung des Moduls.
Die Lernumgebung wird zu Beginn des Semesters für die BelegerInnen des Moduls automatisch geöffnet.

Modulbeauftragte

Lernergebnisse/Kompetenzen

Die Studierenden

  • haben sich mit den strukturellen Zusammenhängen zwischen Geschichtsschreibung und fiktionaler Erzählprosa zwischen dem 18. und dem frühen 20. Jahrhundert vertraut gemacht,
  • verfügen über die begrifflichen und hermeneutischen Mittel, literarische Werke des behandelten Zeitraums im europäischen Kulturkontext auf Geschichte als kulturelles Selbstverständigungsmodell zu beziehen,
  • sind imstande, verschiedene Weisen der Fiktionalisierung zu erkennen und ihre ästhetisch-legitimatorische Funktion zu bestimmen.

Prüfung

Prüfungsform Prüfungsnummer Termin Anmeldeschluss
Klausur 104353 Freitag, 04.09.2020, 14-18 Uhr 15.06.2020
Hausarbeit 104352 während des Semesters

15.06.2020

Mündliche Prüfung 104354 während des Semesters 15.06.2020

 

Zur Prüfungsanmeldung

 

Weitere Informationen zum Modul

Lehrformen

Studienbrief, Präsenzveranstaltungen, Moodle, Digitale Lehr-/Lerntools

Dauer

1 Semester

Häufigkeit

Das Modul wird im Sommer- und Wintersemester angeboten

Umfang

Workload: 450 h, Credits: 15 ECTS

Teilnahmevoraussetzungen

Keine

Voraussetzungen für die Vergabe von Kreditpunkten

Belegung und Durcharbeitung aller Kurse und erfolgreicher Abschluss der Prüfung

Stellenwert der Note für die Endnote

15/120