Transparenz in der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen: Diskrepanz zwischen Selbstdarstellung, tatsächlicher Leistung und Stakeholder-Wahrnehmung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Ansprechpartner: Simon Heininger

Motivation

Die Motivation für das Forschungsprojekt ergibt sich aus drei zentralen Problemfeldern, die jeweils den Ausgangspunkt für mindestens eine eigenständige wissenschaftliche Publikation bilden. Das erste Hauptproblem besteht darin, dass Unternehmen dazu neigen, ihre Nachhaltigkeitsberichte und damit ihre Nachhaltigkeitsleistung durch den Einsatz von Greenwashing-Methoden zu beschönigen (Neureiter et al., 2024). Die geschönte Darstellung der Nachhaltigkeitsleistung beeinflusst unter anderem Verbraucher in ihrer Bewertung (Gupta und Singh, 2024).

Das zweite zentrale Problem ist die mangelnde Transparenz hinsichtlich der Differenz zwischen der dargestellten und der tatsächlichen Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens (Hu et al., 2024). Die Herausforderung besteht darin, einen möglichen Zusammenhang zwischen der Anzahl der verwendeten sprachlichen Greenwashing-Methoden und der tatsächlichen Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens zu identifizieren.

Das dritte zentrale Problem betrifft die Diskrepanz zwischen der Selbstdarstellung von Unternehmen in Nachhaltigkeitsberichten und der Wahrnehmung ihrer Leistungen durch Verbraucherinnen und Verbraucher. Von besonderem Interesse ist dabei, ob und in welcher Weise sprachliche Greenwashing-Techniken die Wahrnehmung sowie die Entscheidungsprozesse der Konsumentinnen und Konsumenten beeinflussen.

Methodologie

Im Rahmen des ersten genannten Problemfelds werden die Information-Systems-Theorie des Impression Management sowie die sozialwissenschaftliche Theorie der Narrative Inquiry herangezogen. Mithilfe dieser theoretischen Perspektiven wird untersucht, wie Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte gestalten, um bei den Leserinnen und Lesern einen möglichst positiven Eindruck zu erzeugen. Ziel ist es, eine systematische Literaturrecherche durchzuführen, die wissenschaftliche Arbeiten berücksichtigt, in denen Methoden des Natural Language Processing (NLP) eingesetzt werden, um sprachliche Greenwashing-Strategien in Unternehmensberichten zu identifizieren. Die Analyse soll Aufschluss darüber geben, welche sprachlichen Greenwashing-Methoden in bestehenden Studien mithilfe von NLP bereits erkannt und beschrieben wurden.

Im zweiten genannten Problemfeld werden die Information-Systems-Theorien des Impression Management sowie der Information Asymmetry (Lemon Market) herangezogen. Als Datengrundlage dienen öffentlich zugängliche Nachhaltigkeitsberichte, Nachhaltigkeitskennzahlen und Nachhaltigkeitsratings. Durch die Analyse soll ein Beitrag zur Verringerung von Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen und Konsumenten geleistet werden mit dem Ziel, mehr Transparenz zu schaffen. Diese Transparenz kann Verbraucherinnen und Verbrauchern helfen, fundiertere Entscheidungen zu treffen und ihr Vertrauen in Nachhaltigkeitsberichte zu stärken.

Im dritten genannten Problemfeld werden die Information-Systems-Theorien der Information Asymmetry (Lemon Market) und der Cognitive Dissonance herangezogen, um die Diskrepanz zwischen unternehmerischer Darstellung und Verbraucherwahrnehmung im Kontext von Nachhaltigkeit zu untersuchen. Die Theorie der Cognitive Dissonance dient dabei als Grundlage zur Analyse der Wahrnehmung von Nachhaltigkeitsleistungen durch Konsumentinnen und Konsumenten. Zur Untersuchung des sogenannten Bestätigungsfehlers, einem zentralen Aspekt der kognitiven Dissonanz, wird ein Experiment durchgeführt. Ziel des Experiments ist es, zu analysieren, inwiefern sprachliches Greenwashing die Wahrnehmung und Bewertung durch Verbraucher beeinflusst und ob dadurch eine Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Konsumenten entsteht.

Wissenschaftliche Ausgangslage des Forschungsprojekts

Für den ersten Teil des Forschungsprojekts existieren bereits wissenschaftliche Publikationen, die als Grundlage für die systematische Literaturanalyse dienen können. Ein Beispiel hierfür ist eine Studie zur Analyse von Greenwashing in Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen unter Einsatz von Natural Language Processing (z. B. Gupta et al., 2024; Gutierrez-Bustamante und Espinosa-Leal, 2022). Der erste Teil des Projekts zielt darauf ab, diese bestehenden Arbeiten systematisch im Hinblick auf die verwendeten Methoden zu untersuchen und einzuordnen.

Die zweite Publikation des Forschungsprojekts befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen und dem Einsatz sprachlicher Greenwashing-Methoden. Bereits bestehende Studien widmen sich der Bewertung unternehmerischer Nachhaltigkeitsleistungen (z. B. Gutierrez-Bustamante und Espinosa-Leal, 2022). Die Arbeit von Huang et al. (2024) untersucht zudem textuelle Merkmale in Nachhaltigkeitsberichten insbesondere deren Länge, Lesbarkeit und Vollständigkeit und analysiert deren Einfluss auf Nachhaltigkeitsratings. Die Besonderheit der geplanten zweiten Publikation liegen in der gezielten Analyse eines möglichen Zusammenhangs zwischen der tatsächlichen Nachhaltigkeitsleistung und der Anzahl eingesetzter Greenwashing-Techniken in Unternehmensberichten.

Die dritte Publikation umfasst ein Experiment, das den Einfluss sprachlicher Greenwashing-Methoden in Nachhaltigkeitsberichten auf Verbraucherinnen und Verbraucher untersucht. Ziel ist es zu überprüfen, ob und in welchem Ausmaß solche sprachlichen Strategien die Wahrnehmung und Einschätzung der Teilnehmenden beeinflussen. Darüber hinaus wird analysiert, welche Greenwashing-Techniken besonders wirksam sind. Die Studie von Ioannou et al. (2023) befasst sich mit der Wahrnehmung von Greenwashing-Praktiken in Nachhaltigkeitsberichten, legt den Schwerpunkt jedoch auf die Analyse der Kundenzufriedenheit.

Es lassen sich vier vorläufige Forschungsziele ableiten, die gemäß des Mixed-Methods Ansatz mit verschiedenen Forschungsmethoden bearbeitet werden:

  1. Literaturrecherche, um den aktuellen Stand der Forschung zum Einfluss sozialer Kontakte auf die Technologieakzeptanz digitaler Gesundheitstechnologien bei älteren Personen zu analysieren
  2. Qualitative Erfassung des dyadischen Prozesses der Akzeptanz und Nutzung von Gesundheitstechnologien durch ältere Personen und soziale Kontakte
  3. Ableitung und Erstellung verschiedener Profile potenzieller Nutzergruppen mit individuellen Bedürfnissen und Präferenzen, die mit unterschiedlichen Strategien adressiert werden sollten
  4. Untersuchung der Faktoren, die zu einer effektiven Nutzung der ePA durch ältere Personen führen (z. B. durch eine vergleichende, länderübergreifende Studie)
 

Quellen

Gupta, A., Chadha, A., & Tewari, V. (2024). A Natural Language Processing Model on BERT and YAKE Technique for Keyword Extraction on Sustainability Reports. IEEE Access, 12, 7942–7951. https://doi.org/10.1109/ACCESS.2024.3352742

Gupta, K., & Singh, N. (2024). Greenwashing perception and attitude-intention relationship towards green products purchase: a mediating model. Environment, Development and Sustainability: A Multidisciplinary Approach to the Theory and Practice of Sustainable, 1–24. https://doi.org/10.1007/s10668-024-05486-5

Gutierrez-Bustamante, M., & Espinosa-Leal, L. (2022). Natural Language Processing Methods for Scoring Sustainability Reports—A Study of Nordic Listed Companies. Sustainability, 14(15), 9165. https://doi.org/10.3390/su14159165

Hu, P., Li, X., Li, N., Wang, Y., & Wang, D. D. (2024). Peeking into Corporate Greenwashing through the Readability of ESG Disclosures. Sustainability (Switzerland), 16(6). https://doi.org/10.3390/su16062571

Huang, J., Wang, D. D., & Wang, Y. (2024). Textual Attributes of Corporate Sustainability Reports and ESG Ratings. In MDPI, Sustainability (Bd. 16, Nummer 21, S. 1–20).

Ioannou, I., Kassinis, G., & Papagiannakis, G. (2023). The Impact of Perceived Greenwashing on Customer Satisfaction and the Contingent Role of Capability Reputation. Journal of Business Ethics, 185(2), 333–347. https://doi.org/10.1007/s10551-022-05151-9

Neureiter, A., Stubenvoll, M., & Matthes, J. (2024). Is It Greenwashing? Environmental Compensation Claims in Advertising, Perceived Greenwashing, Political Consumerism, and Brand Outcomes. Journal of Advertising, 53(4), 511–529. https://doi.org/10.1080/00913367.2023.2268718

Bei diesem Forschungsvorhaben handelt es ich um ein kooperatives Promotionsprojekt mit der TH Köln.

Lehrstuhl Winkler | 03.11.2025