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Neuerscheinung Sammelbandbeitrag "Raubtierdressur im Zirkus"

[01.02.2024]

Dem Mensch-Tier-Verhältnis im Zirkus ist ein Ambivalenzverhältnis inhärent: Zum einen wird über die dort gehaltenen Tiere ein Herrschaftsanspruch im Sinne des Otherings erhoben, der zum anderen einer Anthromorphisierung, d.h. Vermenschlichung von Tieren, diametral gegenübersteht.


Das Guillotinieren im Nachgang der Französischen Revolution, die Gesellschaftsjagd oder sexuelle Gewalt während des Genozids in Ruanda– all dies sind Gewaltkontexte, die praxeologisch erschlossen werden können. Die Beiträger*innen des Bandes eröffnen Perspektiven auf räumliche Anordnungen, Artefakte oder bestimmte Handlungsimpulse im Zusammenhang mit Gewalt. Indem so eher Praktiken, also routinisierte Abläufe, die von Menschen ausgeführt, individuell angeeignet und durchaus auch modifiziert werden, in den Fokus rücken, werden die Reichweiten und somit auch Grenzen einer praxeologischen Gewaltforschung erkundet. Auf diesem Wege zeigt sich die Alltäglichkeit des vermeintlich Außergewöhnlichen, die Normalität in der Zufügung von Beschädigungen.

Der Sammelband "Gewaltpraktiken. Reichweite und Grenzen einer praxeologischen Gewaltforschung", hrsgg. von Christian Gudehus erscheint im April 2024 im Psychosozial Verlag. Auch Isabelle Sarther ist mit dem Beitrag "Raubtierdressur im Zirkus" am Band beteiligt.

Sie geht dabei den zirzensischen Dressurpraktiken auf die Spur, mit einem besonderen Blick auf das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Hierzu vergleicht sie eine aktuelle Reportage über den Zirkus Krone und dessen Dressurpraktiken mit Tagebucheinträgen von berühmten Dompteuren aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Der Beitrag führt vor Augen, dass sich zirzensische Praktiken sowohl durch Raum, Artefakte als auch Körper von Tieren und Menschen konstituieren und ihnen ein Ambivalenzverhältnis zwischen Anthromorphisierung einerseits und Herrschaftsanspruch andererseits inhärent ist. Weiterhin rücken im Zirkus eine permanente Verschränkung und wechselseitige Bedingtheit unterschiedlichster Gewaltformen in den Vordergrund. Diese Verschränkung wird sowohl durch vorherrschende Tierschutzgesetze im Sinne der strukturellen Gewaltebene als auch die Reproduktion speziesistischer Handlungs- und Wissensbestände im Sinne der epistemischen Gewalt sowie durch die generelle Haltung und damit einhergehenden Lebensbedingungen von Tieren, in denen materielle Gewaltaspekte begründet sind, deutlich.

Foto: Psychosozial Verlag
Isabelle Sarther | 08.04.2024