Kolloquium

Thema:
Isis duplex – Die Zweiten Sophistik und der Isis-Kult zwischen Ost und West, Literatur und Epigraphik
Referent/-in:
Christian-Urs Wohlthat, M.A., Hagen
Adresse:
FernUniversität Hagen Neubau KSW, Universitätsstraße 33 Gebäudeteil B, Raum B 0.025
Termin:
06.01.2015, 18:15 Uhr

Was hat die altägyptische Gottheit Isis mit der kulturgeschichtlichen Epoche der Zweiten Sophistik (ca. 50-250 n. Chr.) zu tun? Und wie schlägt sich diese Verbindung in den schriftlichen Quellen der Zeit nieder? Wie müssen Zeugnisse der Zeit miteinander in Verbindung gebracht werden?

Der Vortrag ist eine Auszug aus meinem Dissertationsprojekt, dass sich mit den Akteuren in den Kulten der Ägyptischen Götter befasst und versucht kultur- und sozialgeschichtliche Diskurse zwischen „Establishment“ und „Aufsteigern“ in schriftlichen und inschriftlichen Quellen nachzuzeichnen. Dabei geht das Projekt davon aus, dass der Isis-Kult (als der bedeutendste Kult Ägyptischer Götter) am Schnittpunkt der Sphären des Politischen, Sakralen und Philosophischen lag und als solches Akteure aller drei Bereiche anzog. In der von starken moralischen Normen geprägten kaiserzeitlichen Gesellschaft galt aber im Kult strikter Zwang zur Orthopraxie – dem richtigen Handeln gegenüber dem Göttlichen – um den pax deorum, den Frieden mit den Göttern nicht zu gefährden.

Zwischen den Akteuren aus den verschiedenen Sphären entstanden so Konkurrenzsituationen und damit Bedarf die soziale Offenheit zu schließen, indem geklärt wurde, was „richtiges“ Verhalten gegenüber dem Göttlichen, was also „richtig“ ausgeführter Kult sei. Solche Entscheidungen waren zu einem wichtigen Teil Aushandlungsprozesse unter Philosophen und so verwundert es nicht, dass der bedeutendste Moralphilosoph der Kaiserzeit Plutarch von Chaironea zu Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. einen Traktat über den Kult für Isis und Osiris verfasste. Darin klärt er eindeutig, was richtiges und falsches Verhalten gegenüber dem Göttlichen ist und assoziiert mit beiden Richtungen auch konkrete Akteursgruppen.

Auch der lateinische Philosoph Apuleius von Madauros verfasste einen Text zum Isis-Kult, der allerdings die Form eines Romans annimmt. Vormals als positive Geschichte über eine vollendete religiöse Konversion aufgefasst, mehren sich seit die Stimmen, dass die Schrift eine Satire, Parodie oder gar Subversion ist. Sie wäre dann eine Kritik an dem Verhalten eines bestimmten Typus von Kult-Akteuren, die sich, wie bei Plutarch, inschriftlich fassen lassen.

Damit sind die beiden Texte nicht nur ein mittelplatonischer, metaphysischer Traktat oder eine erbauliche Geschichte, sie werden zu Sozialkommentaren, die sich auf konkrete, historisch greifbare Akteursgruppen, soziale Rollen, aber auch Charaktertypen beziehen lassen.

08.04.2024