Kolloquium

Thema:
Die Seehafenstadt Emden als sozionaturaler Schauplatz.
Eine Fallstudie zur ostfriesischen Umweltgeschichte (14.-16. Jahrhundert)
Referent/-in:
Christopher Folkens, Münster
Adresse:
Hybrid, FernUniversität in Hagen, Raum 4+5, Gebäude 2 und / oder ONLINE über ZOOM

Anmeldung bitte per Mail an karin.gockel@fernuni-hagen.de

Geben Sie bitte auch an, ob Sie online oder vor Ort teilnehmen möchten.
Termin:
18.04.2023, 18:15 Uhr

Die Geschichte der Stadt Emden lässt sich im späten Mittelalter und in der beginnenden frühen Neuzeit zweifellos als Erfolgsstory bezeichnen: Aus der einfachen friesischen Handelsniederlassung des Frühmittelalters entwickelte sich im Spätmittelalter ein größerer Handelsstandort, der über die Ems an den überregionalen Warenverkehr angebunden war und seine Position als ostfriesischer Zentralort unter der Herrschaft der Abdena-Häuptlinge im 14. Jahrhundert etablieren konnte. Mit der Erlangung der Reichsgrafenwürde durch Ulrich Cirksena im Jahr 1464, wurde die Emder Burg dann zugleich zur Hauptresidenz der ostfriesischen Grafen. Zwar stand die junge Emder Stadtgemeinde unter dem starken Einfluss der Landesherrschaft, doch gelang es im Zuge der Reformation und den damit verbundenen Konflikten mit der Cirksena-Dynastie, die Grafenherrschaft sukzessive abzuschütteln. Während des 80-jährigen Krieges wurde diese Entwicklung durch den Zustrom niederländischer Glaubensflüchtlinge und die gleichzeitige Blockade niederländischer Häfen durch die Spanier beflügelt, wodurch Emden in den Fokus des nordwesteuropäischen Handels rückte. Im Jahr 1595 kam es im Zuge der Emder Revolution schließlich zum Aufstand gegen die Landesherrschaft: Der gräfliche Rat wurde abgesetzt und die Burg von der Stadtgemeinde eingenommen. Im anschließenden Vertrag von Delfzijl verzichtete Graf Edzard II. dann weitgehend auf seine Rechte an Emden.

Der skizzierte Aufstieg der Stadtgemeinde und die schrittweise Emanzipation von der Landesherrschaft spielten sich vor dem Hintergrund der langfristigen hydrologischen Entwicklung des friesischen Raumes ab. Durch großräumige Veränderungen der ostfriesischen Küstenlinie und der lokalen Wasserläufe nahm Emden ab dem 12. Jahrhundert zunehmend eine Zentralfunktion für das Umland ein. Noch bis in das ausgehende Spätmittelalter schlug die Ems bei Emden einen Bogen nach Norden, der an das Stadtgebiet heranführte und den Ort mit dem überregionalen Handelsverkehr verband. Aufgrund von wiederholten Durchbrüchen im Zuge der Entstehung der Dollart-Bucht, änderten sich allerdings die Strömungsverhältnisse des Flusses, wodurch dieser ein neues Flussbett ausbildete. Der Emsbogen drohte in Folge dieser Entwicklung zu verschlicken. Als eindrucksvolle Gegenmaßnahme kann das Nesserländer Höft gelten, eine unter immensem Kosten- und Arbeitsaufwand erbaute 4,5km lange Eichenspundwand durch die Ems, die den Fluss in Richtung Hafen umlenken sollte. Die Maßnahme offenbart einerseits den enormen Aufwand, den die Stadtgemeinde zur Aufrechterhaltung des Handelsweges betrieb. Andererseits spiegelt sich darin auch der zeitgenössische Umgang mit dem Element Wasser sowie das darin zum Ausdruck kommende Wissen wider.

Der Vortrag wird die Geschichte der Stadt Emden vom 14. bis zum 16. Jahrhundert aus einer umweltgeschichtlichen Perspektive beleuchten. Dabei steht der Einfluss der sich dynamisch wandelnden ostfriesischen Küstenlinie, der Ems sowie weiterer lokaler Wasserläufe auf die Geschichte der Stadt im Fokus, welcher anhand ausgewählter Entwicklungen und Maßnahmen vorgestellt werden soll. Im Spannungsfeld von städtischen Autonomiebestrebungen und landesherrlichem Zugriff werden so exemplarisch die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt nachgezeichnet. Die Fallstudie dient zugleich dazu, das übergeordnete Forschungsprojekt „Meer | Deich | Mensch. Eine Umweltgeschichte der ostfriesischen Küstenregion am Übergang vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit“ zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen.

Karin Gockel | 08.04.2024