Kolloquium
- Thema:
- Orwell & Co. - Klassen, Klubs und (Verwaltungs-) Eliten im kolonialen Burma des 20. Jahrhunderts
- Referent/-in:
- Stefan Hemke, Berlin/Lusaka
- Adresse:
- FernUniversität, Universitätsstraße 33, Gebäude 2, Raum 6
Sofern Sie an einer TN per Zoom interessiert sind, wenden Sie sich bitte an karin.gockel@fernuni-hagen.de - Termin:
- 02.09.2025 18:00 Uhr
Zwischen den Weltkriegen erreichte das British Empire seine größte Macht. Es erlangte seine größte Ausdehnung. Burma ist eine Region des British Raj, die in der Regel wenig beachtet wird, die jedoch mit George Orwell einen der bekanntesten Kolonialbeamten hervorgebracht hat. Neue Quellen aus dem direkten Umfeld Orwells ermöglichen eine Beleuchtung der europäischen/orwellschen Kolonialgesellschaft in einem klar abgesteckten Untersuchungsbereich sowie eine Analyse ihrer Struktur und Funktionsweise. Der Vortrag möchte den Analysekategorien Elite, Status und Klasse anhand der Begriffe Macht, Identität und Werte auf die Spur kommen.
Wie funktioniert implizite Machtvermittlung in kolonialen Gesellschaften? Wie konnte sich britische imperiale Macht tausende Kilometer entfernt am anderen Ende der Welt erzeugen und aufrechterhalten – und darüber hinaus nicht selten als erstrebenswertes System von den Kolonialisierten selbst gegenüber den einheimischen Kulturen bewertet werden?
Mithilfe verschiedener theoretischer Machtkonzepte kann untersucht werden, wie europäische Kolonialgesellschaften in den Zwischenkriegsjahren auf Makro-, Meso- und Mikroebene funktionierten, um den Machtanspruch und die Machtvermittlung des British Empires zu manifestieren. In der Quellenlage dienen hierzu offizielle Verwaltungsberichte, lokal erschienene Wochenzeitungen und die Ego-Zeugnisse der Akteure. Aus machtsoziologischer Perspektive kann deutlicher herausgearbeitet werden, wie die Suche nach Zugehörigkeit, Gemeinsamkeit und sozialer Nähe ein Machtgefüge im sozialen Raum kolonisierter Gebiete entstehen ließ.
Es wird darum gehen, Machtkonzepte für koloniale Situationen nutzbar zu machen, um einerseits zu illustrieren, wie historische Akteure untereinander soziale Ordnung schufen und andererseits, wie sie mit dieser Ordnung eine Verbindung zum Raum herstellten, in dem sie sich aufhielten. An dieser Stelle ergeben sich weitere Fragen zur Abgrenzung von Gewalt und Herrschaft im kolonialen Kontext.
In diesem Zusammenhang verdienen die Klubformate als Echokammern des britischen Imperialismus sowie die Aufgaben der Kolonialpolizei, der Orwell angehörte, besondere Aufmerksamkeit. Sie verraten einiges über die Verwaltungspraktiken und die Bürokratie im burmesischen Dschungel.
Stefan Hemke ist selbst Bundesbeamter im Bundeskanzleramt (derzeit beurlaubt) und forscht im Rahmen seines Dissertationsvorhabens aktuell in Lusaka/Sambia zur Herrschaftspraxis im British Empire. Zuletzt erschienen: Stefan Hemke: „George Orwell – Grenzgänger zwischen antiimperialistischer Einstellung und kolonialistischer Tradition. Zugang, Zusammensetzung und Brüche der europäischen Gesellschaft im kolonialen Burma zu Beginn des 20. Jahrhunderts“, in: Zeitschrift für Weltgeschichte, Band 24, Ausgabe 2, Erscheinungsjahr 2023, S. 485–519.