Kolloquium

Thema:
"Die Heirat mit zwei weißen Frauen". Völkerrecht und interkulturelle Rechtselemente in der diplomatischen Praxis europäischer Handelskompanien in Westafrika (17.-18. Jhdt.).
Referent/-in:
Christina Brauner, Münster
Adresse:
FernUniversität Hagen Neubau KSW, Universitätsstraße 33 Gebäudeteil B, Raum B 0.025
Termin:
08.01.2013, 18:15 Uhr

‚Die Heirat mit zwei weißen Frauen‘. Völkerrecht und interkulturelle Rechtselemente in der diplomatischen Praxis europäischer Handelskompanien in Westafrika (17.-18. Jhdt.) Seit dem 16. Jhdt. war „Guinea“ Schauplatz europäischer Konkurrenz und Rivalitäten, die mit diplomatischen und handelsstrategischen, aber auch mit militärischen Mitteln ausgetragen wurde. Involviert waren dabei nicht allein Portugal, Frankreich und England, sondern auch Niederlande, Dänemark, Schweden, Brandenburg, Kurland und Schottland; sie konkurrierten um Handel, Zugänge zu Handelsrouten, Stützpunkte und nicht zuletzt um Wohlwollen und „Freundschaft“ der lokalen afrikanischen Herrscher. Die zahlreichen Herrscher an Gold- und Sklavenküste, auf die ich mich mit meinen Forschungen konzentriere, waren keineswegs passive Zuschauer der europäischen Auseinandersetzungen, sondern nahmen aktiv an ihnen teil, sei es als Verbündeter der einen oder anderen Handelskompanie, sei es als geschickter Taktierer zwischen den Parteien.
Die Sprache des Rechts, insbesondere jene des Völkerrechts, war ein wichtiges Element und eine bedeutsame Strategie in jenen Auseinandersetzungen. Immer wieder wurden Ansprüche auf exklusive Handelsrechte oder gar auf Souveränität in einem bestimmten Gebiet erhoben, die erheblich zur Konfliktdynamik beitrugen. Zugleich entfaltete sich dadurch bedingt eine durchaus umfängliche Vertragspraxis, zudem wurden verschiedentlich Versuche unternommen, die Rechtslage vor Ort zu definieren. In der Forschungsdiskussion um Völkerrecht und europäische Expansion ist Westafrika jedoch bislang kaum thematisiert.
In dem Vortrag geht es vor allem um zwei Aspekte: Zum einen sollen die völkerrechtlichen Ansprüche der verschiedenen europäischen Akteure rekonstruiert und hinsichtlich ihrer Begründungen und der implizierten Rechtsvorstellungen verglichen werden. Gab es Unterschiede zwischen den Rechtsvorstellungen beispielsweise der Portugiesen und der Niederlande? Auf welche Rechtsquellen beriefen sie sich? Wie verhalten sich europäische Ansprüche und Rechtstitel bezüglich Westafrikas zu jenen bezüglich Amerikas oder Asiens?
Zum anderen soll der völkerrechtliche Diskurs zwischen den europäischen Akteuren in Beziehung gesetzt zur Rechtspraxis vor Ort. Wie wurden Verträge geschlossen und bekräftigt? Wie wurde die Rechtsprechung vor Ort geregelt?
Welchen Status hatten die europäischen Stützpunkte? Was für Konzepte von Landbesitz spielten dabei eine Rolle? Dabei wird nicht zuletzt nach interkulturellen Elementen bzw. nach Ansätzen zu einer hybriden Rechtspraxis gefragt.

08.04.2024