Lektüreseminar: Heiligenviten
- Thema:
- Lektüreseminar: Heiligenviten
- Veranstaltungstyp:
- Onlineseminar
- Zielgruppe:
-
BA KW Module 25202; 25203; 25204
MA GeEu Module 26201; 26202; 26204; 26205; 26206 - Ort:
- Online
- Adresse:
- Zoom
- Termin:
- 14.01.2026
bis
11.03.2026 - Zeitraum:
- 14.01./ 28.01./ 04.02./ 11.02./ 04.03. und 11.03.2026
jeweils von 18 - 21 Uhr - Leitung:
-
Prof. Dr. Felicitas Schmieder
Dr. Daniel Syrbe - Anmeldefrist:
- 06.10.2025 - 06.01.2026
- Anmeldung:
- Online-Anmeldung - nach Freischaltung unten möglich.
- Auskunft erteilt:
-
Christiane Eilers, Sekretariat Schmieder
E-Mail: sekretariat.schmieder
Telefon: +49 2331 987-4752
Info zum Lektüreseminar: Heiligenviten
Heilige sind als Vermittler zwischen einer unsichtbaren Gottheit und den sündigen Menschen zentrale Akteure im Christentum seit der Spätantike. Während im frühen Christentum des 2. und 3. Jahrhunderts Anhänger des nicht mehr ganz neuen, aber immer noch in der Findungsphase befindlichen Glaubens den Status der Heiligkeit in der Regel durch das Martyrium – den Tod infolge des Bekenntnisses zu Christus unter dem Druck strafrechtlicher Verfolgung durch die Autoritäten des römischen Imperiums – erlangten, wandelte sich die Wahrnehmung von Heiligkeit mit der zunehmenden Akzeptanz des Christentums infolge der „Mailänder Vereinbarung“ des Jahres 313: Martyrien als direkter Weg zur Heiligkeit wurden seltener, auch wenn sie bspw. in mittelalterlichen Missionskontexten nach wie vor eine zentrale Legitimierung für Heiligkeit boten. Stattdessen begründete ein als vorbildlich wahrgenommener, oft durch Askese geprägter Lebenswandel zunehmend die Heiligkeit des Gläubigen; Jungfrauen und Mönch(sväter) sind hier zu nennen, aber auch die qua Amt an sich wenig zu heiligmäßigem Leben taugenden Bischöfe oder gar König:innen. Je mehr sich im Laufe der Jahrhunderte im Westen das Papsttum zum zentralen Regelungs- und Kontrollorgan des Glaubens und der Rituale entwickelte, strebte es durch Entwicklung von Heiligsprechungen und schließlich formalisierten Heiligsprechungsprozessen auch nach Ordnung der Heiligenverehrung (auch wenn lokale Verehrung niemals „offiziell“ heiliggesprochener Personen kaum zu unterbinden war). Dabei hatte sich bereits früh eine Art Katalog von Eigenschaften und Verhaltensweisen herausgebildet, die Heiligkeit offenbar werden ließen und die vor allem in Lebens- und Todesbeschreibungen der Heiligen zunehmend kanonisiert wurden. Mit der Reformation wurden die Authentizität und die Rolle von Heiligen in den neugläubigen Kirchen massive in Frage gestellt und unter den Altgläubigen einer Revision unterzogen. Einmal davon abgesehen, dass sich auch um zentrale protestantische Figuren wie Luther und Melanchthon – oder früher Jan Hus – etwas entwickelte, das durchaus Züge einer Heiligenverehrung aufwies, führte die reformatorische Kritik auf katholischer Seite nicht zuletzt dazu, dass man begann, die Überlieferung zu den Heiligen systematisch zu sammeln und textkritisch zu edieren. Maßgeblich war hierbei die jesuitisch geprägte „Société des Bollandistes“, die seit dem frühen 17. Jahrhundert Editionen hagiographischer Texte herausgab (und dies bis heute tut). Die Texte über Heilige – seien es die im frühen Christentum und dann wieder ab dem Spätmittelalter wichtigen Prozessakten (acta), seien es die allmählich aus spärlicher schriftlicher und zirkulierender mündlicher Überlieferung erwachsenden Lebens- und Leidensgeschichten der Heiligen (vitae und passiones) – gaben den Zeitgenossen in Antike und Mittelalter quasi „Handreichungen“ für ein christlichen Normen und Werten entsprechendes Leben. Uns heute, als Historikerinnen und Historikern, bieten hagiographische Texte aber nicht nur Einblicke in Glaubenswelten des vormodernen Christentums, sondern auch in politische, soziale oder wirtschaftliche Entwicklungen – vorausgesetzt, wir lernen, sie gegen ihre eigentliche Intention zu lesen und nicht als reale Biographien misszuverstehen.
Eben diese kritische Lektüre ist Ziel unseres Seminars. Anhand ausgewählter Beispiele aus Spätantike und Mittelalter wollen wir uns hagiographische Texte als historische Quellen erschließen. Im Zentrum stehen dabei einerseits Fragen nach Konstruktion und Wandel von Heiligkeit in der Vormoderne, andererseits wollen wir herausarbeiten, inwiefern die Texte als Orientierung im Leben fungieren konnten. Dabei sollten wir heute aus unserem analytischen Blickwinkel nicht vergessen, dass die Texte, die mit denen wir anhand gedruckter Quellenausgeben zu arbeiten gewohnt sind, oft das ein Ergebnis editorischer Arbeit darstellen. Beim Blick in die Handschriftenüberlieferung wird deutlich, dass die Geschichten über die Heiligen „lebende Texte“ („living texts“) sind, die nicht selten zuerst mündlich kursierten, dabei variiert werden konnten und erst durch die Verschriftlichung allmählich stabilere Formen annahmen, dann aber nicht selten absichtsvoll in neue Kontexte umgeschrieben wurden („réécriture“). Das Seminar soll daher auch das methodische Rüstzeug für eine kritische Beschäftigung mit Hagiographie erlernbar machen.
Das Seminar wendet sich vornehmlich an Studierende, die in den Modulen 25202/ G2 und 25203/ G3 Prüfungsleistungen ablegen wollen und das im Rahmen des Seminars durch Referate als erste Leistung einer Portfolio-Prüfung oder im Nachgang durch mündliche Prüfungen oder Hausarbeiten tun möchten. Da wir im Seminar allerdings in erster Linie gemeinsam lesen wollen, wird es nur wenige Referats-Möglichkeiten geben, die für die genannte Zielgruppe in erster Linie reserviert sind. Melden Sie sich gerne schon vor Ablauf der Anmeldefrist, wenn Sie an der Übernahme eines Referats interessiert sind!
Das Seminar unterliegt grundsätzlich keiner Teilnahmebeschränkung; Teilnahmebescheinigungen erhalten Sie, wenn Sie nachweislich an mindestens vier Sitzungen à 3 Stunden vollständig teilgenommen haben.
Literaturhinweise zum ersten Einstieg ins Thema:
- Gemeinhardt, Peter: Die Heiligen. Von den frühchristlichen Märtyrern bis zur Gegenwart (München: C.H.Beck 2010).
- Bergian, Silke-Petra/Näf, Beat: Märtyrerverehrung im frühen Christentum. Zeugnisse und kulturelle Wirkungsweisen (Stuttgart: Kohlhammer 2014).