Bad Historians. Was tun mit den Geschichtswissenschaften totalitärer Systeme?

Thema:
Bad Historians. Was tun mit den Geschichtswissenschaften totalitärer Systeme?
Veranstaltungstyp:
Präsenzveranstaltung
Zielgruppe:
BA KW: Modul 25205
MA GeEu: Modul 26201
Weitere Interessierte auf Anfrage
Ort:
Leipzig
Adresse:
Campus Leipzig
Termin:
21.04.2023 bis
23.04.2023
Zeitraum:
Seminarzeiten werden noch bekannt gegeben!
Leitung:
PD Dr. Eva-Maria Butz
Dr. Daniel Syrbe
Anmeldefrist:
26.01.2023 - 26.03.2023
Anmeldung:
Online-Anmeldung - nach Freischaltung unten möglich
Auskunft erteilt:
Christiane Eilers, B.A., Sekretariat Schmieder , E-Mail: sekretariat.schmieder , Telefon: +49 2331 987-4752

Achtung: Teilnahmebeschränkung!

Entgegen manch hehrer Idealvorstellung findet historische Forschung nicht in einem Vakuum statt, sondern reagiert implizit oder explizit auf gesellschaftliche Strömungen und die Fragen, die eben diese an die Vergangenheit herantragen. Das ist zu einem gewissen Grad durchaus legitim und auch heute interessieren wir uns für Geschichte, insbesondere die der Vormoderne, immer wieder neu aus dem Blickwinkel unserer eigenen Zeit.

Und dennoch lässt sich wieder und wieder erkennen, dass „Geschichte“ schnell zum willkommenen Lieferanten von scheinbar durch zeitliche Tiefe validierten Argumenten in politischen Debatten wird — aktuelle Beispiele fallen Ihnen gerade heutzutage sicher sofort ein. Dabei ist es nicht nur die Politik, die sich zur Begründung ihres Agierens historischer Argumente bedient, oft genug sind es Historiker selbst, die, durchaus auch aus eigener Überzeugung, den Anschluss an die Politik such(t)en. Verdeutlichen lässt sich diese Wechselwirkung zwischen Politik und Geschichtswissenschaften vor allem an den (praktisch ausschließlich männlichen) Historikern im Zeitalter des Nationalismus und Totalitarismus. Einigen von diesen, wie beispielsweise dem Ihnen allen bekannten Otto Brunner, kann und muss man attestieren, dass sie einerseits mit ihren Arbeiten zu nachhaltigen Paradigmenwechseln beigetragen haben und daher aus der Forschungsgeschichte nicht wegzudenken sind, sich aber andererseits als knallharte Ideologen in den Dienst autoritärer, unterdrückerischer und menschenverachtender Regime gestellt haben. Aus der Rückschau drängt sich die Frage auf, inwiefern die politischen Ansichten dieser Historiker ihre wissenschaftliche Arbeit beeinflusst oder gar determiniert haben. Zugespitzt könnte man fragen: „bad or bad“? Waren diese Historiker einfach nur „schlecht“ oder gar „böse“?

Im Seminar wollen wird uns dem Spannungsfeld von Politik und Geschichtswissenschaften in autoritären Systemen mit einem akteurszentrierten Ansatz nähern und uns die Biographien exemplarisch ausgewählter Protagonisten aus den Fächern Antike und Mittelalterliche Geschichte ansehen. Aus Gründen der Praktikabilität beschränken wir uns auf die deutsch(sprachig)en Geschichtswissenschaften zwischen Ende des Ersten Weltkrieges und Mauerfall. Dabei werden wir uns einerseits mit rezenten Studien zur Wissenschaftsgeschichte dieser Zeit befassen, aber auch zeitgenössische Arbeiten der betreffenden Historiker lesen, mit dem Ziel, ein kritisches analytisches Bewusstsein für die gegenseitige Durchdringung von Geschichte und Politik zu trainieren.

In Vorbereitung auf das Seminar stellen wir eine Moodle-Lernumgebung zur Verfügung, auf der Sie weitere Hinweise zu möglichen Themen und Lektüre finden.

Erste Literaturhinweise zum Einstieg:

  • Christ, Karl: Römische Geschichte und deutsche Geschichtswissenschaft, München 1982.
  • Kuhlmann, Peter/Schneider, Helmut (Hg.) Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon, (Der Neue Pauly, Supplemente 6), Stuttgart/Weimar 2012.
  • Losemann, Volker: Klio und die Nationalsozialisten. Gesammelte Schriften zur Wissenschafts- und Rezeptionsgeschichte, Bd. 1, hg. von Claudia Deglau, Patrick Reinard und Kai Ruffing, (Philippika 106), Wiesbaden 2017.
  • Losemann, Volker: Antike und Nationalsozialismus. Gesammelte Schriften zur Wissenschafts- und Rezeptionsgeschichte, Bd. 2, hg. von Claudia Deglau, Kerstin Droß-Krüpe, Patrick Reinard und Kai Ruffing, (Philippika 160), Wiesbaden 2022.
  • Schulze, Winfried/Oexle, Otto Gerhard (Hg.): Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 1999.
  • Reudenbach, Bruno/Steinkamp, Maike: Mittelalterbilder im Nationalsozialismus, (Hamburger Forschungen zur Kunstgeschichte 9), Berlin 2013.
  • Oexle, Otto Gerhard, Staat - Kultur - Volk: deutsche Mittelalterhistoriker auf der Suche nach der historischen Wirklichkeit 1918 - 1945, in: Die deutschsprachige Mediävistik im 20. Jahrhundert, hg. von Peter Moraw und Rudolf Schieffer (Vorträge und Forschungen 62), Ostfildern 2005, 63-101. Oexle, Staat - Kultur - Volk
  • Grunwald, Susanne, Das sozialistische Mittelalter. Zur Entwicklung der kulturwissenschaftlichen Mittelalterforschung und Mittelalterrezeption in der DDR, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Bd. 67 (2016) 537-557.