Lüdenscheider Gespräche

Aktuelle Veranstaltung:
„Ich weiß nur eines mit Bestimmtheit – ich bin kein Parteifeind“. Anna Schlotterbeck in MfS-Untersuchungshaft
- Vortrag: Gundula Pohl, M.A., FernUniversität in Hagen
- Moderation: Prof. Dr. Felix Ackermann, FernUniversität in Hagen
- Wann: 27. September 2023, 18:00 Uhr
- Wo: Kulturhaus Lüdenscheid
- Flyer (PDF 230 KB)
Seit 1993 gibt es die „Lüdenscheider Gespräche“, eine Veranstaltungsreihe des Instituts für Geschichte und Biographie, bei der die subjektive, lebensgeschichtliche Perspektive auf Geschichte im Mittelpunkt steht. Die Referenten haben oft selbst „Geschichte gemacht“ und treten als Zeitzeugen auf. Oder Sie haben sich als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Biographinnen und Biographen, Publizistinnen und Publizisten oder Filmemacherinnen und Filmemacher mit ausgewählten Persönlichkeiten der Geschichte näher befasst bzw. sich mit dem Schicksal bestimmter Personengruppen auseinandergesetzt. Das Angebot reicht vom Kolloquium für wissenschaftlich Interessierte über Veranstaltungen mit Zeitzeugen bis hin zu Filmvorführungen und Vorträgen bekannter Persönlichkeiten. Nach den Vorträgen oder Gesprächen hat das Publikum die Gelegenheit, sich zu beteiligen.
Viele „Lüdenscheider Gespräche“ wurden und werden aufgezeichnet und sind jederzeit in der Mediathek abrufbar.
Zur Zeit veranstalten wir hybrid, also live im Kulturhaus und gleichzeitig digital in Zoom. Die aktuellen Zugangsdaten finden sie oben auf dieser Seite. Es ist keine vorherige Anmeldung erforderlich.
Wenn Sie in den Post- bzw. E-Mailverteiler für das Programm der „Lüdenscheider Gespräche“ aufgenommen werden möchten, schreiben Sie uns an
E-Mail: igb
Programm für 2023
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- Vortrag: Prof. Dr. Ewald Grothe, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Archiv des Liberalismus, Gummersbach
- Moderation: PD Dr. Eva Ochs, Fernuniversität in Hagen
- Termin: Mittwoch, 1. März 2023, 18:00 Uhr
- Ort: Kulturhaus Lüdenscheid
Die aus Hagen stammende liberale Politikerin Liselotte Funcke (1918-2012) ist eine der bedeutenden Frauen in der Politik der bundesdeutschen Nachkriegszeit. Sie war von 1969 bis 1979 Bundestagsvizepräsidentin, von 1972 bis 1979 Vorsitzende des Finanzausschusses und von 1981 bis 1991 Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, zudem 1979/80 Wirtschaftsministerin in Nordrhein-Westfalen. Mit ihrem Engagement für ausländische Familien hat sie Geschichte geschrieben, mit ihrem Eintreten für stabile Finanzen Zeichen gesetzt. Vor allem aber trat sie selbstbewusst für die Gleichberechtigung der Frauen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur ein.
In dem Vortrag wird Liselotte Funckes Eintreten für Emanzipation sowie eine liberale Wirtschafts-, Finanz- und Integrationspolitik beleuchtet.
Ewald Grothe ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal und Leiter des Archivs des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Gummersbach. Er ist Mitglied des Kuratoriums des Instituts für Geschichte und Biographie an der FernUniversität Hagen.
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Mittwoch, 19. April 2023, 18:00 Uhr
Vortrag und Lesung: Dr. Annette Leo, Berlin
Moderation: Dr. Almut Leh, FernUniversität in Hagen
Ort: Kulturhaus Lüdenscheid
In seinem Buch „Auf der Flucht über den Balkan“ hat der heute 89-jährige Opern- und Operettensänger Mirano Cavaljeti-Richter seine Lebensgeschichte niedergeschrieben. Er erzählt von seiner Kindheit in einer Großfamilie von Sinti, die als Komödianten mit dem Wohnwagen durch die kleinen Städte und Dörfer Deutschlands zogen und ihre Varieté-Programme vorführten. 1939 flohen sie vor der nationalsozialistischen Verfolgung über die Grenze nach Italien. In ergreifender Lakonie schildert Cavaljeti die dramatische Odyssee durch Italien, Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien, in deren Verlauf sie nach und nach alles verloren, ihr Leben jedoch retten konnten.
Es handelt sich um einen der seltenen Berichte, die von einem Angehörigen der Minderheit selbst verfasst wurde. Wegen der Ignoranz der deutschen Nachkriegsgesellschaft und der fortdauernden Diskriminierung der Sinti waren in den Jahrzehnten nach dem Ende der NS-Verfolgung nur wenige von ihnen bereit, das eigene Schicksal und das der Familienangehörigen öffentlich zu machen.
Annette Leo hat Mirano Cavaljetis Lebensbericht herausgegeben. Sie wird an diesem Abend von der Entstehung des Buches erzählen und einige Textpassagen lesen.
Da der Autor aus gesundheitlichen Gründen leider nicht anwesend sein kann, zeigen wir ausgewählte Teile aus dem Mitschnitt einer früheren Veranstaltung, unter anderem die Arie „Märchenaugen“.
Annette Leo, Historikerin und Publizistin, Berlin. Beschäftigt sich unter anderem mit dem Thema Erinnerung, mit biografischen Forschungen und mit Oral History. Eine der letzten Publikationen: Das Kind auf der Liste. Die Geschichte von Willy Blum und seiner Familie.
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- Vortrag: Ulrike Heitmüller, Berlin
- Moderation: Prof. Dr. Arthur Schlegelmilch, Fernuniversität in Hagen
- Termin: Mittwoch, 07. Juni 2023, 18:00 Uhr
- Ort: Kulturhaus Lüdenscheid
Rechte Landnahme durch Völkische Siedler ist ein Thema, das in der Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung findet. Offenbar versuchen rechtsextreme und völkische Gruppierungen und Parteien seit Längerem, im ländlichen Raum Fuß zu fassen. Niemand weiß, wie viele Menschen es sind, sicherlich mehrere Tausend. Sie beziehen sich auf historische Vorläufer, unterwandern staatliche und kommunale Organisationen, verbreiten Unsicherheit und zielen auf den Umsturz der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse.
Die unter dem Sammelbegriff „Siedler“ zusammengefassten Gruppen bilden ein eigenes Milieu, das nach innen vernetzt und nach außen geschlossen ist. Natürlich wachsen darin auch Kinder heran. Wie leben sie? Wie schaffen es die Siedler, dass ihre Kinder in der Ideologie verbleiben - wenn sie es denn tun? Steht dahinter möglicherweise auch eine Art Endzeiterwartung, vergleichbar der Eschatologie mancher Sekten und Freikirchen? Welche Gefahren gehen von den Heranwachsenden für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aus? Welche Unterschiede lassen sich zwischen den einzelnen Richtungen der völkischen Siedlungsbewegung ausmachen?
Die Bedeutung des Themas liegt nicht nur in der Frage der Gefährdung von Freiheit und Demokratie, sondern auch in der Bedeutung, welche wir der geistigen Freiheit für Kinder und Jugendliche beimessen. Kann man es allein den Eltern überlassen, ihre Kinder in einem geschlossenen Milieu zu erziehen? Ihnen Überzeugungen nahezubringen, die dem demokratischen Gemeinwesen entgegenstehen? Sie der Gesellschaft systematisch zu entfremden? Sie vielleicht sogar zu Gewalttätern zu machen? – Oder ist alles ganz anders, als es von außen aussieht?"
Ulrike Heitmüller ist Politikwissenschaftlerin, Theologin und Journalistin. Unter der Fragestellung "Freiheit vs. Sicherheit" beschäftigt sie sich vor allem mit der evangelikalen Bewegung und Freikirchen sowie mit Kriminalität und Sicherheitsbehörden.
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- Vortrag: PD Dr. Felicitas Söhner, HHU Düsseldorf
- Termin: Mittwoch, 16. August 2023, 18:00 Uhr
- Ort: Kulturhaus Lüdenscheid
Die Psychiatrie-Enquete von 1975 führte zu großen Veränderungen im psychiatrischen System. Wie ist sie entstanden und welche Folgen hatte sie? Wie erinnern beteiligte Akteur*innen die Entstehungsgeschichte? Felicitas Söhner hat 28 Interviews mit Akteur*innen in der Psychiatrie geführt und ausgewertet – unter ihnen Ärzt*innen, Pflegekräfte, Therapeut*innen. Sie nimmt die internationalen, fachlichen, gesellschaftlichen und sozialpolitischen Einflüsse ebenso in den Blick wie die Rolle der Medien oder den Einfluss informeller Netzwerke. Eine spannende und erhellende historische Aufarbeitung der Ereignisse auf der Basis von Interviews und Quellendokumenten – eine Oral History der Psychiatrie-Enquete.
PD Dr. Felicitas Söhner ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Oral History, Medizingeschichte und Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts sowie die europäische Erinnerungskultur und deren biographische Verarbeitung.
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- Vortrag: Gundula Pohl, Fernuniversität in Hagen
- Termin: Mittwoch, 27. September 2023, 18:00 Uhr
- Ort: Kulturhaus Lüdenscheid
Anna Schlotterbeck, geboren 1902 in München, war langjähriges KPD-Mitglied und verbrachte die NS-Zeit im Schweizer Exil. 1948 ging sie nach Dresden in die Sowjetische Besatzungszone, um zusammen mit ihrem Ehemann Friedrich am Aufbau des neuen sozialistischen Staates zu arbeiten. Doch der Traum vom Neuanfang war schnell ausgeträumt: Im Zuge von Parteisäuberungen wurde Anna Schlotterbeck (wie auch ihr Mann) zu Beginn der 1950er Jahre erst aus der Partei ausgeschlossen und später ohne Haftbefehl festgenommen. Insgesamt verbrachte sie drei Jahre in Gefangenschaft. Erst in der Villa Esche in Chemnitz, darauffolgend in der zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin Hohenschönhausen und in der JVA Bützow-Dreibergen (Rostock). Aus dieser und über diese Zeit sind Selbstzeugnisse überliefert. Anhand von Briefen und Erinnerungen, die Schlotterbeck während und nach ihrer Haft verfasste, blicken wir mit ihren Augen auf die Zeit der Untersuchungshaft.
Der Vortrag basiert auf einer biografischen Studie zu Anna Schlotterbeck, die Gundula Pohl im Zuge ihres wissenschaftlichen Volontariats (2021-2022) im Bereich Forschung der Gedenkstätte Berlin- Hohenschönhausen verfasst hat. Erstmals werden darin verschiedene Selbstzeugnisse Schlotterbecks ausgewertet und die unterschiedlichen Muster und Rollen analysiert, die Schlotterbeck für sich selbst entwirft: als Parteisoldatin, als unschuldig Verhaftete, als Ehefrau und Mutter. Die Studie wir veröffentlicht und erscheint im Winter 2023.
Gundula Pohl (M.A.) ist seit 2023 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrgebiet Public History der Fernuniversität Hagen. Sie studierte Geschichte, Europäische Ethnologie und Osteuropäische Kulturstudien in Berlin, Lublin, Potsdam und Sankt Petersburg.
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