Open Content: Musealisierung

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Der Museumsbesuch ist in unseren Tagen ein Massenphänomen ersten Ranges. Mehr noch: Das Museum kann als „Leitinstanz und Prägestätte unserer Kultur“ apostrophiert werden. Wir leben in einer „musealen Kultur“ (Wolfgang Kemp).

Die hier angebotenen Materialien führen an die Ursprünge dieser kulturellen Entwicklung in der ‚Zeit um 1800‘ zurück. Sie analysieren den Zusammenhang der Entstehung des Museumsgedankens mit der Entstehung eines historischen Bewusstseins, dass sich vor allem der Kunst zuwendet, um sie – musealisiert – als anschauliches Modell für die Konstruktion von Geschichte und des Selbstverständnisses von Kulturen und Nationen zu präsentieren. Die Kunst werke werden dabei aus ihren früheren funktionalen Kontexten als Gegenstände der Repräsentation, des Schmucks, der Unterhaltung oder der Andacht herausgerissen und zum ‚Kulturgut‘ umgedeutet. Kommt die Kunst so, was ihre spontane lebensweltliche Einbindung angeht, an ihr ‚Ende‘, so beginnt damit zugleich ihre Präsenz als Kunst im modernen Sinn.

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In Preußen führt der Kunstraub durch Napoleon, der einen ersten Anlauf der öffentlichen Präsentation der Künste aus den Berliner Schlössern abrupt enden lässt, zu einer intensiven Bemühung um die Rückführung der geraubten Güter. Als diese nach 1815 an ihren Ursprungsort Berlin zurückkehren, wird die königliche Kunstsammlung nicht länger dem Privatbesitz des Königs zugeordnet, sondern in einem öffentlichen Museum als nationales Gut dem gesamten Volk zugeeignet. Die folgenden Beiträge rekonstruieren den Weg der Kunst vom Instrument fürstlicher Selbstdarstellung zum öffentlichen Gut ausgehend von den bürgerlichen Sammlungen und Kunstkabinetten des 18. Jahrhunderts.

ELISABETH WEISSER-LOHMANN: Einleitung: Das Nationalmuseum – Konzeptionen um 1800

HENNING BOCK: Bürgerliche Sammlungen im 18. Jahrhundert. Bildung durch Anschauung

DEBORA J. MEIJERS: Classification as a Principle. The Transformation of the Vienna K.K. Bildergalerie into a ‚Visible History of Art‘ (1772-1781)

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Die Entdeckung der „Kunst als Kulturgut“ hat ihren geschichtlichen Ursprung in der politischen Neuordnung Europas zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Nach dem Ende des ‚Heiligen Römischen Reiches‘ wird im Zuge der Ablösung des Absolutismus Kunst als kulturelles Gut wahrgenommen. Die Künste sind nicht länger vorrangig Gegenstand des Kultus bzw. Mittel fürstlicher Machtdemonstration; Kunst wird vielmehr zu einem Medium der politischen Neugestaltung. Die folgenden Beiträge dokumentieren an einer privaten Kunstsammlung, der Sammlung der Brüder Boisserée, und den Streit um die Sammlung und die Präsentation der Kunst im Berliner Alten Museum den Weg der Kunst zum ‚Kulturgut‘.

SIGRID WECHSSLER: Die Restauratoren und das Restaurieren der Sammlung Boisserée

HENNING BOCK: Das Profane und das Heilige. Die Sammlungen Solly und Boisserée im Wettstreit um die Übernahme durch Preußen

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Die Diskussion um die Bedeutung des Museums wird in den hier präsentierten Beiträgen zum Anlass genommen, den Blick zurück zu den Anfängen der Museumsidee, insbesondere zur Idee des Kunstmuseums, zu lenken. Diese Anfänge sind aber, ebenso wie die Idee der Kunstgeschichte überhaupt, unlösbar mit dem Namen Hegels verknüpft. Vor diesem Hintergrund analysieren die Beiträge die Verknüpfung von Musealisierung und Reflexion, die Hegel als konstitutives Merkmal einer modernen Gesellschaft bestimmt hatte.

BERNADETTE COLLENBERG-PLOTNIKOV: Einleitung: Musealisierung und Reflexion: Gedächtnis – Erinnerung – Geschichte

REINHARD WEGNER: Der Streit um die Präsentation der Bildenden Kunst. Alois Hirt und Gustav Friedrich Waagen

OTTO PÖGGELER: Hegel und der Berliner Museumsstreit

BERNADETTE COLLENBERG-PLOTNIKOV: Kunst zeigen – Kunst machen. Überlegungen zur Bedeutung des Museums

1. Die hier frei zugänglichen Aufsatzbeiträge finden sich teilweise wieder und werden ergänzt durch weitere im Kurs Nr. 03385, Kunst als Kulturgut.
Die Bearbeitung des Kurses ist mit einer Bearbeitungszeit von insgesamt etwa 30 Arbeitsstunden veranschlagt, die Bearbeitung eines einzelnen Beitrags entsprechend mit etwa drei Arbeitsstunden.

2. Die reguläre Bearbeitung des Kurses im Studiengang ist Teil des s P4, Kulturphilosophie, im Rahmen des BA Kulturwissenschaften.

3. Die angebotenen Beiträge wurden zusätzlich im Kontext weiterer Untersuchungen zu den Themenbereichen

Die Sammlung Boisserée
„Kunst“ und „Staat“
Musealisierung und Reflexion

unter dem Gesamttitel Kunst als Kulturgut (herausgegeben von Annemarie Gehtmann-Siefert, Bernadette Collenberg-Plotnikov und Elisabeth Weisser-Lohmann) veröffentlicht.

Bildnachweis: Bildleiste oben links: Rubens-Saal, Louvre. Foto: Hofi0006, Vatikanisches Museum Rom. Foto: Castielli, Guggenheim Museum, New York. Foto: Rainer Halama, Bild Thema 1: Franckesche Stiftungen Halle. Waisenhaus. Foto:Timo Pilgram, Bild Thema 2: Rotunde im Alten Museum in Berlin. Foto: Manfred Heyde, Der Hamburger Bahnhof in Berlin. Foto: Manfred Brückels

Fakultät KSW | 28.03.2019