Archiv „Deutsches Gedächtnis“
Im Archiv „Deutsches Gedächtnis“ werden subjektive Erinnerungszeugnisse wie lebensgeschichtliche Interviews, Autobiographien, Tagebücher und Briefsammlungen ganz unterschiedlicher Menschen archiviert, die einen Bezug zu gesellschaftspolitischen Ereignissen in Deutschland bzw. zur deutschen Geschichte haben. Sie stammen sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. Dementsprechend sind die Dokumente überwiegend in deutscher Sprache, jedes fünfte Interview allerdings in einer anderen Sprache.
Die Interviews wurden seit den frühen 1980er-Jahren im Rahmen von zeitgeschichtlichen Forschungsprojekten des Instituts und seiner Vorläuferprojekte geführt. Hinzu kommen biographische Interviews aus Forschungen Dritter unterschiedlicher Disziplinen, die ihre Sammlungen dem Archiv zur weiteren wissenschaftlichen Nutzung überlassen haben. Neben Interviews werden auch schriftliche Erinnerungszeugnisse archiviert wie Autobiographien, Familienchroniken, Tagebücher und Briefsammlungen.
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Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes Oral-History.Digital entsteht das Online-Archiv „Deutsches Gedächtnis“. Schon jetzt sind einige hundert Interviews aus dem Archiv „Deutsches Gedächtnis“ dort online verfügbar.
Da sich Online-Archiv noch im Aufbau befindet, präsentiert es nur einen Teil der im Archiv "Deutsches Gedächtnis" verfügbaren Interviewbestände. Für den Zugang zum Präsenzbestand nehmen Sie bitte Kontakt mit uns per E-Mail: deutsches-gedaechtnis.
Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Interviewten ist zur Benutzung des Online-Archivs eine Anmeldung erforderlich sowie die Anerkennung der Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen.
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Bei den im „Deutschen Gedächtnis“ archivierten Interviews handelt es sich in aller Regel um narrative lebensgeschichtliche Interviews. Das bedeutet, dass den Befragten breiter Raum für eigene Erzählungen gegeben wurde und die Gespräche nicht auf das jeweilige Forschungsthema beschränkt sind, sondern die gesamte Lebensgeschichte des Befragten umfassen. Die Interviews bieten deshalb auch über den Entstehungskontext hinaus Ansatzpunkte und Material für weitere Auswertungen. Hinzu kommt, dass zu bestimmten Themen, z. B. zum Nationalsozialismus und zum Zweiten Weltkrieg, heute kaum noch Zeitzeugen leben, sodass die archivierten Interviews als Zugang zur Erfahrungsgeschichte dieser Zeit immer wichtiger werden.
Interviews aus Forschungsprojekten des Instituts für Geschichte und Biographie
Das „Deutsche Gedächtnis“ ist entstanden als Archiv der Forschungsdaten des Instituts für Geschichte und Biographie. Rund zwei Drittel aller Interviews im „Deutschen Gedächtnis“ stammen deshalb aus Forschungsprojekten, die seit den frühen 1980er-Jahren am Institut für Geschichte und Biographie bzw. Vorläuferprojekten durchgeführt wurden.
Die institutseigenen Interviews wurden vorwiegend nach Richtlinien von Alexander von Plato [pdf] geführt.- Forschungsprojekte
- Überblick der Interviewprojekte
- Erläuterungen zu den Forschungsprojekten (PDF 190 KB)
Beispiele:
- Gisela G. (PDF 77 KB mit Audio-Link)
- Ernst B. (PDF 80 KB mit Audio-Link)
- Fritz Niemand (PDF 89 KB mit Video-Link)
- Trude R. (PDF 23 KB Teil-Transkript)
Interviews aus externen Forschungsprojekten
Rund ein Drittel aller Interviews wurden dem Archiv „Deutsches Gedächtnis“ von WissenschaftlerInnen unterschiedlicher Disziplinen überlassen, die nach Abschluss ihrer eigenen Forschungen die von ihnen erhobenen Interviews für weitere Forschungen zur Verfügung stellen wollen und so den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis nachkommen.
Beispielhaft sind einige Interviewbestände (PDF 247 KB) aus externen Forschungsprojekten aufgeführt.
Interviews in Zahlen
Zurzeit werden etwa 2.700 lebensgeschichtliche Interviews mit Männern und Frauen aus Ost- und Westdeutschland archiviert, davon etwa 500 als Videointerviews. Die ältesten Interviews wurden Anfang der 1980er-Jahre geführt.
Die Interviews bilden ein breites Spektrum unterschiedlicher Personengruppen aus inzwischen vier Jahrzenten ab. Schwerpunkte sind Interviews mit Betriebsräten, Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen, mit Flüchtlingen und Menschen mit traumatischen Erfahrungen wie KZ- oder Lagerhaft und/oder Zwangsarbeit, nationalsozialistische oder stalinistische Verfolgung, Verschleppung u. a.
Den größten Einzelbestand bilden 600 Interviews des Projektes „Dokumentation der Lebensgeschichten ehemaliger Zwangs- und Sklavenarbeiter“, die im Auftrag der Stiftung EVZ in 28 Ländern geführt wurden. Diese Interviews sind im Online-Archiv „Zwangsarbeit 1939 bis 1945“, betrieben vom Center für Digitale Systeme (CeDiS), zugänglich.
Regionale Schwerpunkte sind Nordrhein-Westfalen mit besonderer Betonung des Ruhrgebiets und die DDR bzw. die neuen Bundesländer. Neben den Interviews mit ehemaligen Zwangs- und SklavenarbeiterInnen stammen weitere 150 Interviews aus anderen Ländern.
Der weitaus größte Teil der Interviewten ist vor 1933 geboren, die jüngsten Befragten sind Jahrgang 1980. Von 1.550 Interviews (Interviews mit Angabe des Geburtsjahres und ohne den Bestand „Zwangsarbeit“) sind rund 350 Befragte vor dem Ersten Weltkrieg geboren, gut 900 zwischen 1915 und 1933, 160 zwischen 1934 und 1945. Die Jahrgänge 1946 bis 1980 sind mit etwa 150 Interviews vertreten, darunter 60 Interviews mit Angehörigen der Jahrgänge zwischen 1960 und 1980. Deutlich überrepräsentiert mit einem Verhältnis von 3:2 sind Männer gegenüber Frauen. Rund 60 Interviews sind Paar- oder Gruppengespräche.
Mit gut 500 Videointerviews sind rund zwanzig Prozent aller Interviews nicht nur auf Tonband, sondern per Kamera (Video, DV oder Beta) aufgezeichnet. Die Hälfte aller Ton- und Videointerviews sind zurzeit digitalisiert. Rund zwei Drittel aller Interviews sind transkribiert, einige allerdings nur teilweise wörtlich, in anderen Teilen zusammenfassend.
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Das „Deutsche Gedächtnis“ versteht sich als Archiv für subjektive Erinnerungszeugnisse aller Art und archiviert neben lebensgeschichtlichen Interviews auch Tagebücher, (Auto-)Biographien, Briefsammlungen und zum Teil auch Fotos. Zum Teil handelt es sich um zusätzliche Dokumente zu einzelnen Interviews, in der Mehrzahl wurden die Dokumente dem Archiv von den Autobiographen als Vorlass oder von deren Nachfahren übergeben. Rund 1.000 solcher schriftlichen Bestände sind aktuell im „Deutschen Gedächtnis“ archiviert. Zum Teil handelt es sich um Originale, zum Teil um Kopien der Dokumente. Zunehmend werden auch die Textquellen in elektronischer Form (Scans oder Textdateien) archiviert.
Ein Auszug aus den Kurzbeschreibungen (PDF 207 KB) schriftlicher Dokumente im elektronischen Findbuch vermittelt einen Eindruck von der Vielfalt dieser im „Deutschen Gedächtnis“ archivierten Quellen.
Beispiele:
- „Kriegs-Erlebnisse 1914-1915“. Kriegstagebücher von Franz Pf., Auszug (PDF 21 MB), geb. 1877 in Allenstein, handschriftlich Sütterlin; 2 Hefte, 1914 bis 1918
- „Mein Lagertagebuch“. Tagebuch aus der Kinderlandverschickung, Auszug (PDF 53 MB)
- Feldpost von Rudi S., geb. 1914, an seine Frau „Käthl“, Auszug (PDF 202 KB) aus der Abschrift der handschriftlichen Originale
- „Quer durch die Zeiten. Ein Lebensbericht“, Auszug (PDF 1 MB)
- „… Nur mein Weg“, Autobiographie von E.M., Auszug (PDF 1 MB)
- „Erinnerungen“ von I.M., Auszug (PDF 1 MB)
- „Kriegsende“, Auszug aus dem Tagebuch von Hanna C. (PDF 271 KB)
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Das von dem Schriftsteller Walter Kempowski angelegte „Archiv für unpublizierte Autobiographien“ ist mit über 8.000 biographischen Dokumenten die wohl größte Sammlung unveröffentlichter Autobiographien in Deutschland. Die mit dem Tod von Kempowski abgeschlossene Sammlung wird heute als Kempowski-Archiv in der Akademie der Künste, Berlin, betreut.
Durch eine mehrjährige Kooperation zwischen Walter Kempowski und der FernUniversität in Hagen Anfang der 1990er-Jahre konnte im Institut für Geschichte und Biographie eine Nebenstelle des „Archivs für unpublizierte Autobiographien“ aufgebaut werden, in der gut dreihundert Dokumente dieser Sammlung unter dem Namen „Kempowski Archiv“ einer weiteren wissenschaftlichen Nutzung zur Verfügung gestellt werden.
Walter Kempowski, seine Sammlungstätigkeit und das Kempowski-Archiv im „Deutschen Gedächtnis“ (PDF 71 KB)
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Das Roeßler-Archiv ist eine Sammlung von rund 76.000 Schulaufsätzen, die das Pädagogenehepaar Wilhelm und Elfriede Roeßler in den 1950er-Jahren mit Unterstützung der Schulämter und Kultusministerien im gesamten Bundesgebiet schreiben ließ. Schüler und Schülerinnen aller Altersstufen und Schultypen wurden aufgefordert, innerhalb des Deutschunterrichtes unbenotete Erlebnis- und Besinnungsaufsätze zu bestimmten Themen zu schreiben, wie Familie und deren Umwelt, Verhältnis zum eigenen Körper, Verhalten gegenüber Erwachsenen und untereinander, Einstellung zu Schule, Beruf, Freizeit und verschiedenen Aspekten des öffentlichen Lebens sowie Erinnerungen an die Kriegs- und Nachkriegszeit.
Eine erste Auswertung auf Basis von 20.000 Aufsätzen veröffentlichte Wilhelm Roeßler 1957 unter dem Titel „Jugend im Erziehungsfeld“. Das Ehepaar Roeßler überließ seine umfangreiche Sammlung Ende der 1980er-Jahre der FernUniversität. Die Aufsätze sind heute als „Roeßler-Archiv“ im Archiv „Deutsches Gedächtnis“ zugänglich.
- Aufsatzthemen (PDF 250 KB)
- Recherchemöglichkeiten (PDF 186 KB)
Beispiele:
- „Wie stellen Sie sich zur Gleichbehandlung von Mann und Frau?“ (PDF 124 KB)
- „Europa, Wunschbild oder Möglichkeit?“ (PDF 1 MB)
- „Was verstehen Sie unter demokratischer Lebensform?“ (PDF 720 KB)
- „Mein Arbeitsplatz“ (PDF 92 KB)
- „Persönliche Erinnerungen aus Kriegs- und Nachkriegstagen“ (PDF 4 MB)
- Eine ausführliche Beschreibung des Bestandes und seiner Geschichte ist nachzulesen in: Heinz Abels, Heinz-Hermann Krüger und Hartmut Rohrmann: „Jugend im Erziehungsfeld“ (PDF 807 KB). Schüleraufsätze aus den fünfziger Jahren im Roeßler-Archiv, in: BIOS - Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, 1989, 139 ff.
Kontakt
FernUniversität in Hagen
Institut für Geschichte und Biographie
Archiv „Deutsches Gedächtnis“
Universitätsstr. 47
58097 Hagen
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E-Mail: deutsches-gedaechtnis