Aufmerksamkeit und Informationsdefizite auf dem deutschen Markt der strukturierten Finanzprodukte im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Umbrüchen
Das Promotionsprojekt widmete sich dem Anlageverhalten von Privatanlegern und ihrem Verhältnis zu professionellen Marktteilnehmern. Mit dem Aufkommen des elektronischen Handels haben Privatpersonen zunehmend Zugang zu Märkten erhalten, die früher ausschließlich professionellen Investoren vorbehalten waren. Diese Entwicklung wirft neue wirtschaftswissenschaftliche Fragen auf: Wie unterscheiden sich Privatanleger in ihren Entscheidungen von institutionellen Akteuren? Und welche Rolle spielen Informationsunterschiede und Wahrnehmungsverzerrungen dabei?
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht der deutsche Markt für strukturierte Produkte – ein Marktsegment, in dem Privatanleger nahezu ausschließlich mit Emittenten handeln. Er bietet damit einen besonders geeigneten Rahmen, um Informationsasymmetrien und die sogenannte Aufmerksamkeitshypothese (Salienz-Theorie) empirisch zu untersuchen. Diese Theorie besagt, dass Anleger ihre Entscheidungen oft auf besonders auffällige oder medial betonte Faktoren stützen und dadurch andere relevante Informationen vernachlässigen.
Zwei zentrale wirtschaftliche Umbrüche bilden die Grundlage der Analyse:
1. Die Finanz- und europäische Schuldenkrise: Hier wird untersucht, ob Privatanleger das Zahlungsausfallrisiko von Emittenten angemessen berücksichtigen und ob sich deren Aufmerksamkeit für dieses Risiko nach der Krise verändert hat.
2. Der Übergang zu einer nachhaltigen Weltwirtschaft: Im Fokus steht, wie die Kennzeichnung von Finanzprodukten als „nachhaltig“ das Anlageverhalten beeinflusst – insbesondere im Kontext der gestiegenen medialen Aufmerksamkeit nach den Fridays-for-Future-Protesten 2019.
Erkenntnisse:
Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Aufmerksamkeit als auch Informationsdefizite maßgebliche Einflussfaktoren für Preisbildung und Anlageentscheidungen sind. Während in der Schuldenkrise deutlich wird, dass Privatanleger Ausfallrisiken häufig unterschätzen, zeigt sich im Bereich der nachhaltigen Geldanlage, dass die Kennzeichnung von Produkten als „grün“ das Kaufverhalten deutlich beeinflusst – ohne dass sich dies in höheren Kosten niederschlägt. Nachhaltigkeit wirkt somit vor allem als Aufmerksamkeits- und Marketingeffekt.
Insgesamt bestätigt die Arbeit, dass wirtschaftliche Ereignisse, mediale Aufmerksamkeit und Informationsverfügbarkeit entscheidend dazu beitragen, wie Privatanleger Risiken und Chancen wahrnehmen – und damit, wie Märkte funktionieren.
Dissertationsprojekt von Dr. Falk Jensen
Publikationen
- R. Baule, F. Jensen
How is Credit Risk Priced in the German Market for Structured Products?
Working Paper, Hagen 2025. - R. Baule, F. Jensen, D. Shkel
How Proprietary Sustainability Labels Affect Private Investor Behavior
Working Paper, Hagen 2025.