Kolloquium

Thema:
Prekäre Heroen? Rückkehr deutscher Soldaten aus dem Boxerkrieg.
Referent/-in:
Dennis Schmidt, Hagen
Adresse:
Digital über Zoom

Anmeldung bitte per Mail an karin.gockel@fernuni-hagen.de
Termin:
02.11.2021, 18:15 Uhr

Der Vortrag dient als Skizze eines Habilitationsprojekts und stellt einen frühen Werkstattbericht dar. Den Ausgangspunkt der Untersuchung markiert die Beobachtung einer doppelten Ambivalenz. Erstens einer Ambivalenz auf gesellschaftlicher und politischer Ebene: Das zu Beginn des „Boxerkrieges“ laut vernehmbare imperialistische „Hurra“ im Deutschen Reich war in relativ kurzer Zeit Skepsis und kritischer Infragestellung gewichen. Zweitens eine damit verbundene Ambivalenzerfahrung der im „Boxerkrieg“ eingesetzten Freiwilligen, die als nationale Heroen in einen Krieg zogen, dort vielfach zu Gewaltakteuren wurden, nach der Rückkehr aber von der Öffentlichkeit vermeintlich vergessen waren.

Einerseits interessieren für die Untersuchung die mittelfristigen Folgen des „Boxerkrieges" auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Diese sollen diskursgeschichtlich (Dynamisierung und Veränderungen kolonialer Diskurse in Folge der Beteiligung am „Boxerkrieg“) sowie wissensgeschichtlich (imperiale Selbstverortung, Chinabild) befragt werden. Andererseits sollen die aus dem „Boxerkrieg“ zurückgekehrten Soldaten erfahrungsgeschichtlich untersucht und als prekäre Heroen in den Blick genommen werden. Hier ist auch zu fragen, ob es ein spezifisches self-fashioning als „Chinakämpfer“ (oder synonym verwendet: „Chinesen“, „Ostasiaten“) gab. Als Grundlage ist dafür eine eher quantitativ und kollektivbiographisch orientierte Untersuchung dieser Gruppe geplant, exemplarische Lebensgeschichten gewährleisten qualitative Tiefe.

Systematisch verknüpft werden sollen die Fragen und methodischen Ansätze durch das praxeologisch ausbuchstabierte Scharnier „Rückkehr/Heimkehr“. Es figuriert einen Übergangsprozess, einen multiplen Knotenpunkt: zeitlich, räumlich, mental. Gefragt wird nach Praktiken der Rückkehr/Heimkehr – einem Prozess langer Dauer, in manchen Fällen ohne Ende.

Karin Gockel | 08.04.2024