Online-Seminar
- Thema:
- NS-Täter: innen vor Gericht: ‚Vergangenheitsbewältigung‘ am Beispiel des Dresdner „Euthanasie“-Prozesses 1947 und des Hagener Sobibor-Prozesses 1965/66
- Zielgruppe:
- BA KuWi: Modul 25205/G5; offen für alle Geschichtsstudierenden
- Ort:
- online
- Termin:
- 29.05.2026
bis
30.05.2026 - Zeitraum:
- Fr.: 16.30 Uhr bis 20.30 Uhr
Sa: 9:00 Uhr bis 16:00 Uhr - Leitung:
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PD Dr. Eva Ochs
Dr. Dorothee Neumaier - Anmeldefrist:
- 27.04.2026
- Anmeldung:
- Online-Anmeldung ab März 2026
- Auskunft erteilt:
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Eva Engelhardt
E-Mail: eva.engelhardt
Telefon: +49 2331 987-4010
Als einer der frühesten Versuche einer juristischen Aufarbeitung der NS-Krankenmorde im Rahmen der „Euthanasie“ gilt der Dresdner „Euthanasie“-Prozess in der sowjetischen Besatzungszone. Er fand vom 16. Juni bis 7. Juli 1947 am Landgericht Dresden vor einem Schwurgericht statt. Rechtsgrundlage war das Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20.12.1945, das unter anderem die Bestrafung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorsah. Die Anklage verhandelte gegen 15 ehemalige Ärzt:innen, Pfleger und Krankenschwestern der Anstalten Großschweidnitz und Pirna-Sonnenstein, die an den nationalsozialistischen Krankenmorden beteiligt waren.
Durch die Medien fand der Prozess regional und überregional in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit. Das „Sächsische Tageblatt“ veröffentlichte wöchentliche Zusammenfassungen, während die „Sächsische Zeitung“ als SED-Presseorgan sogar täglich über den Prozessverlauf berichtete. Trotz umfangreicher medialer Berichterstattung geriet der Prozess bald in Vergessenheit bzw. erhielt keinen Platz in der ostdeutschen Erinnerungskultur.
Der größte Prozess gegen die Täter des Vernichtungslagers Sobibor fand von 1965 bis 1966 vor dem Landgericht in Hagen statt. Zwölf Angeklagte mussten sich für ihre grausamen Taten verantworten.
Im Unterschied zum kurz vorher zu Ende gegangenen Frankfurter Auschwitz-Prozess nahm die Öffentlichkeit kaum Anteil an den Verhandlungen. Der engagierte ZEIT-Journalist Ferdinand Ranft teilte sich die Zuschauerbank bald mit einem einzigen Lokaljournalisten. Eine zentrale Rolle als Zeug: innen beim Hagener Sobibor-Prozess spielten die wenigen überlebenden Lagerhäftlinge, die u. a. aus den USA und Israel anreisten, um nach über 20 Jahren gegen ihre Peiniger auszusagen.
Im Zusammenhang mit dem Hagener Prozess fand auch die weitere Aufarbeitung des Vernichtungslagersystems der sog. „Operation Reinhardt“ statt, durch die fast 2 Millionen Menschen grausam ermordet wurden. Der Prozess selbst ist noch kaum beforscht.
Ein Vergleich der beiden fast zwanzig Jahre auseinander liegenden Prozesse kann den Blick schärfen für die Unterschiede in Ost- und Westdeutschland und die Entwicklung der Ahndungspraxis der NS-Verbrechen nach 1945. Wir wollen unsere Aufmerksamkeit richten auf die Rechtfertigungsstrategien der Täter und Täterinnen, die mediale Darstellung der Prozesse und den Umgang mit den Zeugen und Zeuginnen, die in den Prozessen aussagten.
Sämtliche Literatur und Quellen stehen entweder auf einer Moodle-Umgebung bereit, sind über lizensierte UB-Angebote oder frei im Internet zugänglich. Voraussetzung für die Seminarteilnahme: Selbständige, vorbereitende Lektüre und die verpflichtende Vorbereitung sowie Präsentation eines (Gruppen-)Referates.
Empfohlene Einführungslektüre:
Jörg Echternkamp: Die Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen. 30.04.2015 für bpb.de, online: https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/der-zweite-weltkrieg/199413/die-verfolgung-nationalsozialistischer-gewaltverbrechen/ (12.06.2025).