Soziologie III - Organisationssoziologie und qualitative Methoden

Profil
„Organisationen halten Leute beschäftigt, unterhalten sie bisweilen, vermitteln ihnen eine Vielfalt von Erfahrungen, halten sie von den Straßen fern, liefern Vorwände für Geschichtenerzählen und ermöglichen Sozialisation. Sonst haben sie nichts anzubieten.“
Diese pointierte Aussage, mit der der Organisationsforscher Karl E. Weick sein Buch „Der Prozeß des Organisierens“ (1985) beschließt, stimmt so natürlich erst einmal überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ohne Organisationen sind moderne Gesellschaften nicht vorstellbar. Es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich, in dem Organisationen keine Rolle spielten und viel anzubieten hätten, sei es in der Verwaltung, in der politischen Gestaltung, im Wirtschaftsleben, in der Freizeitgestaltung, der Bildung oder im Gesundheitswesen. Überall sind Organisationen notwendig, um die Dinge ‚zu organisieren‘ – zu ordnen, zu bündeln, zu steuern, zu koordinieren, bearbeitbar zu machen, erledigt zu bekommen.
Auf der anderen Seite stimmt Weicks Aussage aber auch. In Organisationen finden Prozesse statt, die nicht per se ‚organisationstypisch‘, sondern konstitutiv für das soziale Leben überhaupt sind: Kommunikation, Interaktion, Sinngebung, Entscheidungsfindung, Beziehungs- und Identitätsbildung, Bewertung, Sozialisation, Lernen, die Konstruktion von Wissen. Organisationen sind also in zweierlei Hinsicht alltäglich: zum einen mit Blick auf ihre Allgegenwärtigkeit, zum anderen mit Blick auf die grundlegenden sozialen Prozesse, die mit Organisation verbunden sind. Und: Das Organisieren ist ein Prozess, der nicht allein auf Organisationen begrenzt ist.
Diese Besonderheit: dass Organisationen einerseits ‚gewöhnlich‘ sind, wie andere soziale Phänomene auch ‚funktionieren‘, und andererseits ein besonderes soziales Phänomen mit spezifischen Eigenschaften und Funktionsweisen sind, steht im Mittelpunkt von Forschung und Lehre im Lehrgebiet Soziologie III. Grundlegende Forschungsfragen sind für uns beispielsweise: Wie entsteht soziale Ordnung in Organisationen? Wie laufen organisationale Prozesse ab, wie sind organisationale Praktiken ausgestaltet? Wie schlagen sich gesellschaftliche Prozesse in organisationalen Strukturen und Prozessen nieder? Wie beeinflussen, umgekehrt, Organisationen gesellschaftliche Strukturen und Prozesse?
Solche Fragen untersuchen wir in verschiedenen Feldern von Arbeit und Organisation, zum Beispiel mit Blick auf das Entscheiden in alltäglichen und in Krisen-Situationen oder Entscheidungsprozesse in der Personalauswahl, mit Blick auf Organisations- und Personalberatung oder die Arbeit von Managern und Betriebsräten. Dabei forschen wir unter anderem in privatwirtschaftlichen (Groß)Unternehmen, im Feld der Polizei, der kommerziellen Luftfahrt sowie sozialen Online-Netzwerken.
In der empirischen Organisationsforschung verwenden wir qualitative Methoden, die wir kontinuierlich weiterentwickeln. Unser Ansatz ist geprägt von einem ethnographischen Zugang, der Grounded Theory und der hermeneutischen Wissenssoziologie. Darüber hinaus interessieren wir uns auch für die Arbeit mit historischen Methoden. Auf der Basis unserer empirischen Forschung erarbeiten wir Grundlagen einer interpretativen Organisationssoziologie. Dabei schließen wir insbesondere an theoretische Pespektiven an, die Kommunikation, Wissen und alltägliche Praktiken in den Vordergrund stellen; zentrale Bezugspunkte sind praxistheoretische Ansätze, die Strukturationstheorie und die Wissenssoziologie.
Diese Schwerpunkte vermitteln wir auch in der Lehre. Wir zeigen, wie Organisationen aus soziologischer Perspektive und mit unterschiedlichen theoretischen Zugängen analysiert werden können, und wir geben eine Einführung und Anleitung zum Arbeiten mit qualitativen Methoden. Die Lehrinhalte knüpfen dabei an die empirische Forschung des Lehrgebiets an.
Lehre

Informationen zum Lehrangebot innerhalb der Bachelor- und Masterstudiengängen und einen Überblick über die vom Lehrgebiet Soziologie III betreuten Module finden Sie hier.
Forschung

Weitere Informationen zu den Forschungsschwerpunkten und Projekten finden Sie hier.
Aktuelles
- Buchvorstellung mit anschließender Diskussion von Martin Harbusch, März 2023, University of Auckland
Im März 2023 stellte Dr. Martin Harbusch sein Buch „Troubled Persons Industries“ im Rahmen einer Veranstaltung zum Thema "Mental Health" an der Universität Auckland vor. Nach der Präsentation gab es die Möglichkeit einer Diskussion mit dem Publikum, an der sich sowohl Kollegen und Kolleginnen als auch Studierende beteiligten. - Ehrung von Simone Balčys durch die SIHK zu Hagen
Simone Balčys wurde von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen für ihren sehr guten Abschluss der Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement geehrt. - Berufung von Professorin Sylvia Marlene Wilz in die Arbeitsgruppe „Evaluation des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw)“ des Wissenschaftsrates
Professorin Sylvia Marlene Wilz gehört der Arbeitsgruppe zur Evaluation des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) und des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr (MHM) an und nimmt an der Sitzung der Arbeitsgruppe vom 7. bis 9. Dezember 2022 in Potsdam und Dresden teil. - Workshop „Formatierung von Nachhaltigkeit“ – Forschungskooperation mit der Universität Luzern
Im Sommersemester 2022 forscht Dr. Hannah Mormann, Universität Luzern, als Gastwissenschaftlerin im Lehrgebiet Soziologie III. Gemeinsam mit Professorin Sylvia Marlene Wilz untersucht sie am Beispiel von Unternehmen, Banken und Gewerkschaften, in welchen kommunikativen Settings Organisationen den Nachhaltigkeitsbegriff aufnehmen und definieren bzw. «formatieren». - Vortrag von Sylvia Wilz und Max Kaufmann, Juni 2022, Memorial University of Newfoundland
I ain’t getting’ nowhere – Gaining Access to Organizations as „Dancing in the Dark”. Conference “Analytic Schema and Getting Closer”, Juni 22-24, 2022 - Vortrag von Martin Harbusch, Juni 2022, Memorial University of Newfoundland
The Arrival. Psychiatric Knowledge in Narratives of Clients of Social Workers. Conference “Analytic Schema and Getting Closer”, Juni 22-24, 2022
Neu erschienen:
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Harbusch, Martin (2023): Reiserouten der Medikalisierung. Über Traveling Concepts und die verschlungenen Pfade zwischen Akademie und Lebenswelt. In: Schübel, Thomas/Friele, Boris (Hrsg.): Medikalisierung und Soziale Arbeit. Wiesbaden: SpringerVS, S. 139-155.
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Harbusch, Martin (2022) (Ed.): Troubled Persons Industries: The Expansion of Psychiatric Categories beyond Psychiatry. Palgrave Macmillan. London.
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Martin Harbusch & Renè Pingel-Rathke (2021): Diagnosen im Außendienst. Formen der Aneignung und Verwendung psychiatrischen Wissens in der Sozialen Arbeit. In: Kriminologisches Journal. 53. Jg., Heft 4, S. 258 – 274
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Wilz, Sylvia Marlene (2021): „Wir haben uns für den Herrn Kluge entschieden.“ Kommunikationsmacht und Macht in Organisationen. In: Schröer, Norbert et al. (Hrsg.) (2021): Facetten der Kommunikationsmacht. Weinheim: Beltz Juventa, S. 147-165.
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Kaufmann, Max (2021): Ungewiss, uneindeutig und unscharf. Mediatisierte Situationen der Personalauswahl in sozialen Netzwerken. In: Dimbath, Oliver/Pfadenhauer, Michaela (Hrsg.): Gewissheit. Beiträge und Debatten zum 3. Sektionskongress der Wissenssoziologie. Weinheim: Beltz Juventa, S. 268-279.
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