Innovative Lehrprojekte – Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz (KI) zur Unterstützung von Abschlussarbeiten in der Bildungspsychologie

In der Reihe „Innovative Lehrprojekte“ stellen wir die Projekte vor, die im Rahmen der Zertifikatsprogramme HD-NRW und E-Teaching-Zertifikat entstanden sind. Diesmal mit: Dr. Julia Zimmermann und Dr. Juan Serrano Sánchez vom Lehrgebiet Bildungspsychologie der Fakultät für Psychologie. Sie haben gemeinsam einen Selbstlernkurs auf Moodle entwickelt, der Studierende, die in der Bildungspsychologie ihre Abschlussarbeiten schreiben, an die Nutzung generativer KI heranführt, ethisch vertretbare Nutzungsmöglichkeiten aufzeigt und mittels praxisnaher Übungen und Beispiele Anwendungskompetenzen der Studierenden fördert.

Wie seid Ihr auf die Idee zu Eurem Projekt gekommen?

Juan: Ich glaube, das fing mit einer Mischung aus Faszination und Verunsicherung an, also meiner eigenen. Ich habe ChatGPT ausprobiert und gedacht: „Wow, das ist mächtig, aber kann man das sinnvoll und ethisch nutzen? Und wenn ja, wie bringen wir es den Studierenden bei?“ Als Lehrende haben wir keine einfache Position: Auf einer Seite wollen wir den Studierenden beibringen, wie man sinnvoll und im Einklang mit wissenschaftlichen Standards mit KI arbeiten kann. Andererseits sehen wir auch die Nachteile der Nutzung, da die KI  eine „Bombe“ für die Umwelt ist und das Risiko von Missbrauch da ist da. Durch den Austausch mit Kolleg*innen haben wir auch festgestellt, dass das ein vieldiskutiertes Thema war und ist und die Unsicherheit sowie der Informationsbedarf groß sind.

Portraitfoto Dr. Julia Zimmermann und Dr. Juan Serrano Sánchez
Dr. Julia Zimmermann (Foto: fotostudio arlene knipper) und Dr. Juan Serrano Sánchez (Foto: atelier 5b)

Welche Überlegungen lagen der Umsetzung des Projekts zugrunde?

Juan: Im Grunde wollten wir zwei Dinge zusammenbringen: wie man generative KI für die Forschung in Psychologie nutzen kann und wie man sie nutzen darf. Wir brauchten ein Format, das nicht nur technische Anwendung zeigt, sondern auch zur Reflexion anregt. Und zwar so, dass Studierende sich nicht kontrolliert, sondern begleitet fühlen. Kurz gesagt: Wir wollten kein einseitiges „So benutzt du ChatGPT“-Tutorial, sondern einen Lernraum schaffen, der zum Denken und Ausprobieren einlädt.

Julia: Da wir den Eindruck hatten, dass der Informationsbedarf der Studierenden hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung von KI im Rahmen von Abschlussarbeiten besonders groß ist und wir zudem beide regelmäßig Abschlussarbeiten betreuen, war die Idee naheliegend, den Kurs zunächst auf diesen Rahmen zu fokussieren. Natürlich lassen sich viele der Anwendungsbeispiele und auch die grundlegende kritische Reflexion der Anwendung von KI-Tools im wissenschaftlichen Kontext, die wir mit dem Kurs unterstützen wollen, aber auch auf andere Themen- und Aufgabenbereiche im Studium und darüber hinaus übertragen.

Wie habt Ihr den Kurs strukturiert, um die Motivation und das Durchhaltevermögen der Studierenden zu fördern?

Juan: Wir haben versucht, den Kurs so zu gestalten, dass die typischen Fragen von den Studierenden (und vielleicht auch von Kolleg*innen) beantwortet werden: Wie kann ich KI-Tools nutzen, welche Vorgaben gibt es und was ist zu beachten, um wissenschaftlich korrekt und ethisch verantwortungsvoll damit zu arbeiten? Kleine Einheiten, klare Lernziele, interaktive Aufgaben und ein paar spielerische Elemente. In Zukunft wollen wir ein Level-Up-System einbauen, das die Studierenden für kontinuierliches Lernen belohnt, Fortschritte sichtbar macht und zusätzliche Inhalte oder Herausforderungen freischaltet, sodass Motivation und Lernerlebnis gesteigert werden.

Julia: Dabei haben wir uns auch bemüht, unsere Erfahrung aus der Betreuung von Abschlussarbeiten einfließen zu lassen und Anwendungsbeispiele zu Themen einzubringen, die besonders häufig nachgefragt werden oder bei denen bei vielen Studierenden im Verlauf der Abschlussarbeiten Unsicherheiten bestehen. Ein Beispiel ist die Frage, wie man KI-Tools für die Überprüfung oder das bessere Verständnis von statistischen Syntaxbefehlen nutzen kann.

Welche Herausforderungen sind Euch während der Planung und der Durchführung begegnet?

Julia: Für mich waren KI-Tools zu Beginn des Projekts selbst noch Neuland und ich musste mich erst mal einfinden und habe viel rumprobiert. Das war aber auch sehr hilfreich, weil ich mich so gut in die Lage von Studierenden hineinversetzen konnte, die bislang noch keine oder wenig Erfahrung mit ChatGPT und ähnlichen Tools haben.

Juan: Ich finde, die größte Herausforderung war, all diese technischen, ethischen und didaktischen Perspektiven sinnvoll zu verknüpfen, da wir nicht einfach nur „Tipps für ChatGPT“ geben, sondern ein richtiges Lernangebot schaffen wollten.

Wie war die Reaktion der Studierenden?

Julia: Das Interesse an dem Moodle-Kurs war sehr groß und das Feedback war insgesamt positiv. Wir waren etwas überrascht, wie viele Studierende offenbar noch keine oder wenig Erfahrung mit der Nutzung generativer KI für Studienzwecke hatten. Wir hatten den Eindruck, dass gerade diese Studierenden von einem Kursangebot, das sehr konkrete Anwendungsmöglichkeiten für bestimmte Studienaufgaben aufzeigt, profitierten. Einige merkten jedoch an, dass der Kurs zu stark auf Anfänger*innen ausgerichtet sei. Das sehen wir als konstruktive Kritik und planen, den Kurs entsprechend zu erweitern.

Was plant Ihr noch für die Zukunft im Zusammenhang mit dem Projekt?

Juan: Ein Folgeprojekt im Rahmen des zweiten Förderprogramms ‚Praxisprojekte KI:edu.nrw‘ wurde bereits bewilligt. Wir planen, den bestehenden Kurs technisch und inhaltlich kontinuierlich zu aktualisieren, didaktisch auszubauen und stärker auf ethische, inklusive sowie barrierefreie Aspekte auszurichten. Außerdem soll der Kurs langfristig als offene Bildungsressource (OER) zur Verfügung stehen, regelmäßig evaluiert und in Kooperation mit weiteren Institutionen disziplinübergreifend weiterentwickelt werden.



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