Marc Ole Bulling

Ein ganz anderer Blickwinkel

Mann in Pilotenuniform im Flugzeug-Cockpit Foto: privat
Marc Ole Bulling im Cockpit...

Für das Interview schaltet sich Marc Ole Bulling aus den USA zu. Nach einem langen Frachtflug hat er die Nacht in Cincinnati, Ohio verbracht. Dort ist es 5 Uhr morgens, als er in die Kamera lächelt. Eine ordentliche Prise Selbstdisziplin – daran ist der 33-Jährige gewöhnt. Neben seinem ohnehin anspruchsvollen Job als Cargo-Pilot studiert er seit 2022 an der FernUniversität im Bachelor Informatik.

Marc Ole Bulling kommt aus der Nähe von Köln. Doch bereits nach dem Abitur 2009 zieht es ihn ins Ausland – ein Jahr Work and Travel in Neuseeland. Eine gute Zeit: „Viel rumgereist, viel gesehen, viele Leute kennengelernt.“ Sein beruflicher Fahrplan steht damals schon fest: „Mir war seit der Kindheit klar, dass ich Pilot werden möchte.“ Zurück in Deutschland bewirbt er sich prompt bei der Lufthansa. „Weil solche Bewerbungsverfahren relativ lange dauern, oft länger als ein Jahr, habe ich in der Zwischenzeit eine App geschrieben.“ Eigentlich nur eine kleine Anwendung, die während Autofahrten SMS vorliest. Die nötigen Programmierkenntnisse bringt Bulling aus der Schulzeit mit.

In der Goldgräber-Stimmung rund um die ersten Android-Smartphones findet seine App jedoch überraschenden Absatz. Bulling beschließt, sie im größeren Stil zu verkaufen. Für eine Weile ein gutes Geschäft: „Ich wäre schon damit zufrieden gewesen, die Entwicklungskosten wieder reinzubekommen. Am Ende habe ich damit meine Wohnung und mein Essen finanzieren können während der Ausbildung. Das war schon ziemlich cool.“

Ins Cockpit hochgearbeitet

Und die Ausbildung? „Habe ich letztendlich nicht bei der Lufthansa gemacht, sondern privat.“ Das war 2012 bis 2014. Weil es mit dem Traumjob im Cockpit nicht sofort klappt, heuert Bulling zunächst bei Britisch Airways als Flugbegleiter an. Knapp zweieinhalb Jahre arbeitet er in England, bis sein eigentlicher Plan aufgeht und er bei einer österreichischen Airline als Pilot einsteigen kann. „Inzwischen bin ich seit ein paar Jahren bei einer großen deutschen Frachtairline. Dort fliege ich hauptsächlich nach Asien und Amerika.“

Fracht statt Passagiere zu befördern – das ist ein Unterschied: „Es hat beides Vor- und Nachteile“, urteilt Bulling. „Cargo zu fliegen, ist oft relaxter.“ Das liegt auch an den Pausen zwischen den Flügen. Oft hat er mehrere Tage am Stück frei. Wertvolle Zeit, die er zum Beispiel gerne mit seiner Freundin in Duisburg verbringt. Dafür sind die Langestreckenflüge besonders intensiv: „Oft fliege ich die ganze Nacht durch, ruhe mich 24 Stunden aus und muss genau zum Zeitpunkt, an dem ich zuletzt eingeschlafen bin, wieder raus.“

Foto: Torsten Silz
...und auf dem FernUni-Campus in Hagen

Pausen für Bildung nutzen

Dieser Arbeitsrhythmus strengt an. Als Profi hat sich Bulling inzwischen daran angepasst. Außerdem nutzt er die Leerläufe zwischen den Flügen nun bewusst fürs Fernstudium. „Während der Corona-Zeit durften wir in vielen asiatischen Ländern nicht mal unsere Hotelzimmer verlassen. In Hongkong mussten wir ins Quarantäne-Camp, wenn wir auch nur die Tür geöffnet haben“, erinnert sich Bulling. „Ich dachte mir: Bevor ich jetzt die ganze Zeit nur Filme gucke, könnte ich auch was Sinnvolles machen. Da bin ich auf die FernUni gekommen.“ Erst startete er mit Wirtschaftsinformatik, wechselte dann zum Bachelor Informatik, um sich ganz auf die technische Seite zu konzentrieren. „Jetzt bin ich im zweiten Semester. Und bisher macht es auf jeden Fall Spaß!“

Informatik als zweites Standbein

„Man muss sich natürlich schon reinhängen. Ohne Fleiß kein Preis“, räumt Bulling ein. „Das Gute am Fernstudium ist dafür, dass man super flexibel ist. Gerade in meinem Job ist das ein Vorteil.“ Kompakte Studienbriefe erlauben dem Weltreisenden die Inhalte in eigenem Rhythmus aufzuarbeiten – oft lernt er, wenn in Deutschland tiefste Nacht herrscht.

Die Mühe lohnt sich aus Bullings Sicht, gibt ihm langfristige Sicherheit: „Mir ist das Studium als zweites Standbein wichtig. Es passiert schnell, dass man den Job wegen eines Unfalls oder einer Krankheit plötzlich nicht mehr ausüben kann.“ Außerdem ist er sich sicher, dass IT auch die Flugbranche noch stärker prägen wird – zum Beispiel mit Blick auf Assistenzsysteme. „Bis vor circa 40 Jahren war es undenkbar, dass eine Cockpit-Crew aus weniger als drei Personen besteht. Durch die technischen Fortschritte wurde jedoch der Flugingenieur durch Computer ersetzt“, sagt Bulling, „und ich vermute, dass in naher Zukunft Flugzeuge wie der A350 dafür zertifiziert sein werden, mit einer reduzierten Crew zu fliegen.“

Foto: privat
Rosettennebel, von Marc Ole Bulling durch ein Teleskop fotografiert

Impressionen aus dem All

Lange Flüge, Hotelzimmer, Studienbriefe – was macht Marc Ole Bulling, um zwischendurch runterzukommen? „Ich wakeboarde, programmiere, fotografiere und reise viel“, verrät er. Außerdem schaut er auch in seiner Freizeit gerne himmelwärts, befasst sich mit kosmischer Fotografie: Am Teleskop auf seinem Balkon hat er ein Kamerasystem installiert. Damit entstehen beeindruckende Aufnahmen aus dem All. „Man kriegt dadurch noch einmal einen ganz anderen Blick auf den Kosmos.“

Stand: August 2023

Benedikt Reuse | 20.03.2024