Jonas Hummels
„Studieren wollte ich immer!“
Wenn der Fußballer Jonas Hummels nach einem anstrengenden Trainingstag beim Drittligisten Spielvereinigung Unterhaching ins Bett fiel, waren seine Beine müde, die Muskeln ausgepowert. Voll und ganz ausgelastet fühlte er sich dennoch nicht: „Der Beruf des Profisportlers ist im allgemeinen unheimlich physisch. Dementsprechend steht das Kognitive immer ein bisschen hinten an, es entsteht eine Art Defizit“, erklärt Hummels seine Entscheidung, Psychologie an der FernUniversität in Hagen zu studieren. „Nach einer längeren Phase, in der ich nur Sport getrieben habe, wurde mir klar: Es fehlt mir einfach etwas!“
Das beste Futter fürs Gehirn gibt es an der Hochschule – das war dem heute 27-Jährigen schon in seiner Jugend bewusst. Seine Haltung wurde dabei stärker vom elterlichen Background beeinflusst als von der Profi-Karriere seines älteren Bruders Mats Hummels: „Studieren wollte ich immer! Das war sogar eher ein Ziel für mich als unbedingt Profifußballer zu werden. Meine Eltern haben beide studiert. Sie erzählten immer begeistert von ihrer Studienzeit und den Bildungsmöglichkeiten.“
Und so machte Jonas Hummels, der von 2011 bis 2016 Mitglied und zeitweise auch Kapitän der ersten Hachinger Mannschaft war, Nägel mit Köpfen: Zum Wintersemester 2012/13 schrieb er sich für den Bachelorstudiengang Psychologie an der FernUniversität ein – in Teilzeit. Den letzten Ausschlag dafür hatte eine längere Auszeit gegeben: „Ich habe mir kurz nach Saisonstart 2011/12 das Kreuzband gerissen. Anschließend musste ich für ein Jahr in die Reha – das war manchmal schon ein bisschen langweilig. Umso mehr wollte ich etwas finden, dass mich geistig fördert und fordert“, erinnert sich Hummels. „Außerdem konnte ich nicht erwarten, ewig von meinem Gehalt als Drittligaspieler leben zu können. Also fing ich aus Räson und Interesse an, nach Studienangeboten zu suchen.“
Besser flexibel
Eine private Hochschule kam für den Profikicker nicht infrage: „Ich wollte unbedingt staatlich studieren, habe mir Meinungen eingeholt und mich schließlich für die FernUni und das Fach Psychologie entschieden.“ Ein wichtiges Argument war die Flexibilität im Fernstudium: „Durch den Fußball war ich zeitlich sehr eingeschränkt. Lange Seminare und feste Präsenzphasen wären deshalb nicht möglich gewesen. Im Teilzeitstudium der FernUni kann man sich die Arbeit frei einteilen“, meint Jonas Hummels. „Die Zeiten zwischen, vor oder nach den Trainingseinheiten, auf Reisen oder an den trainingsfreien Tagen konnte ich flexibel verwenden. Eine gewisse Struktur und einen Plan benötigt man aber schon, sonst wächst einem der Lernstoff über den Kopf.“
Fußball und Selbstbestimmung
Der Plan ging auf. Im Sommer 2017 stellte Hummels seine Bachelorarbeit fertig, deren Forschungsgegenstand eine Brücke zurück zur Heimat und dem alten Verein schlägt: „Ich habe meine Arbeit extern geschrieben und hatte einen Zweitbetreuer von der TU-München – das hat mit der FernUni super geklappt. Die empirischen Daten habe ich in der Spielvereinigung Unterhaching erhoben.“
Das Thema der Abschlussarbeit nimmt Bezug auf aktuelle Trends im Profisport. „Die ganzen neuen Trainer sind ja unglaublich auf Kontrolle bedacht. Davon ausgehend habe ich analysiert, wie sehr Jugendfußballer überhaupt noch in ihrer Autonomie unterstützt werden“, resümiert Hummels. Er hat selbst in den Jugendmannschaften von Unterhaching und FC Bayern München gespielt und weiß, was dort von einem gefordert wird. „Gerade bei Jugendlichen sollte die persönliche Entwicklung großgeschrieben werden. Ich wollte deshalb herausfinden, welche Auswirkung der Faktor ‚Selbstbestimmung‘ auf die Psyche von jungen Spielern hat.“
Seine aktive Profikarriere beendete Hummels 2016, den Bachelor of Science hat er mittlerweile in der Tasche. Was nun kommt und ob er für ein Präsenzstudium aus seiner jetzigen Heimatstadt München wegziehen wird, ist noch ungewiss: „Ich überlege, vielleicht erst noch ein paar Praktika zu absolvieren, um mich zu orientieren, bevor ich direkt ein Masterstudium anschließe.“ Doch unabhängig davon, worin genau der nächste Schritt besteht: Mit den im Fernstudium erlernten Fähigkeiten und „Soft-Skills“ stehen Jonas Hummels viele Wege offen – in der Welt des Fußballs und außerhalb.
Stand: Oktober 2017