Vorwort zur Reihe »Recht und Rhetorik«

Nach einer Weile der Entfremdung kommen sich Recht und Rhetorik wieder näher. Sie besinnen sich ihrer fachlichen Gemeinsamkeiten und des langen Wegs gemeinsamer Geschichte, den sie seit der Antike zurückgelegt haben.

Ihre Allianz beginnt als disziplinäre Einheit im 5. Jh. v. Chr. auf Sizilien. Dort wirkt der Redner KORAX, der als Begründer der Rhetorik gilt. Er ist wohl der erste, der das Reden gegen Entgelt lehrt und außerdem über seine Einsichten Bücher verfasst. Seine Kenntnisse schöpft er aus eigener politischer und forensischer Erfahrung. Zu seiner Zeit erlebt Syrakus eine Phase der Demokratisierung, welche die öffentliche Rhetorik entfacht. Zugleich versuchen Bürger, die Tyrannenvergangenheit durch Restitutionsprozesse um die Rückgabe unrechtmäßig enteigneter Immobilen zu bewältigen. Angesichts dieser Umstände wird begreiflich, dass das Redeschema, das KORAX entwirft, für die prozessuale Verhandlung eines Rechtsanspruchs taugt und die Struktur einer Gerichtsrede zeigt (UEDING): Einleitung (prooemium) – Tatsachen (narratio) – Begründung (argumentatio) – Exkurs – Epilog.

Das Redemodell des KORAX bewährt sich. Es wird – als ein, wenn man so möchte, professionell entwickeltes Strategie , Gliederungs- und Präsentationskonzept – zu einem bis heute weltweit genutzten Erfolgsmuster und zugleich zum Grundschema zweier großer Lehrfächer: der Rhetorik und des Rechts.

In der Rhetoriklehre bleibt KORAX’ Gliederung als Genus iudicale (Gerichtsrede) erhalten: der Redegattung, die für das Vergangene zuständig ist. Als Ausgangspunkt und erstes Muster wird sie aber vermutlich auch die Herausbildung der anderen Redeschemata beeinusst haben. Die Gattungen Beratungsrede (Gegenwart) und Lobrede (Zukunft) wie auch die Predigt oder die Werbung können als Variationen eines Themas gesehen werden. So steht zu Beginn der okzidentalen Redekunst die forensisch-argumentierende Rhetorik des Pro und Contra, was zu ihrer – schon von ARISTOTELES hervorgehobenen – rationalen Orientierung beigetragen haben mag.

Die Jurisprudenz wiederum folgte KORAX ebenfalls bis heute, und zwar nicht in ihrer Theorie und ihrem Selbstverständnis, sondern da, wo sie die Rechtswirklichkeit bestimmt: in der Abfassung ihrer Gerichtsurteile und Plädoyers, Rechtsgutachten und Entscheidungen. Sie tradierte die syrakusische Systematik, deren Vorzug es ist, innerhalb einer gezielten Wirkungsstrategie einen Redegegenstand streng geordnet und sachlich zu entfalten. Bezeichnend für sie ist die Unterscheidung zwischen Sachverhalt und Begründung. Diese Haupteinteilung wird im 2. Jh. v. Chr. durch die – für das Straf- und Deliktsrecht unvermindert aktuellen – Prüfungsfragen der Status-Lehre differenziert (HERMAGORAS VON TEMNOS). Zum bleibenden Bestand professionellen juristischen Könnens zählt auch die Argumentationskunst, in der man bei KORAX offenbar unterrichtet werden konnte. Er sah, was bis heute gilt: In Rechtssachen will man vor allem durch Beweise überzeugt werden. Beweise sind von den Streitenden mit Blick auf ihr Handlungsziel (z. B. ihren Anspruch) auf der Grundlage von Tatsachen argumentativ vorzutragen, und zwar so, dass sie den – rhetorisch angemessen eingeführten – Gegenargumenten vorzuziehen sind. Unter dem Titel „Exkurs“ folgt die Ethos-Kommunikation wie die Respektadressen an den Unterlegenen, Mahnungen, Ratschläge, Bekenntnisse, Selbstverpichtungen.

Die Einheit von Recht und Rhetorik als Lehrfach der Sophisten, der Rede- und Rechtskundigen, war ein bezeichnender Beginn; die Europa prägende Kulturleistung gelingt jedoch den Römern mit der Verselbstständigung des Rechts zu einem besonderen Handlungs- und Sozialsystem. Recht und Rhetorik differenzieren sich aus, wobei die Rhetorik dem Recht zunächst unausdrücklich in ihrer alten Gestalt verbunden bleibt: als humane, sprachgebundene Ordnung und allgemeine Bildungsdisziplin. Der Bildungsstatus rührt daher, dass sich die für die Rechtsentwicklung maßgebliche Schicht in ihrer Schulzeit, meist bei griechischen Lehrern, immer auch mit der Rhetorik beschäftigen muss.

Deutlich ist, dass die Redekunst in den Curricula des Abendlandes von Beginn an ihren Platz erhält. Im Trivium, dem spätestens seit dem Mittelalter anerkannten Studien-Kanon (der erste Teil der Freien Künste, der septem artes liberales), erscheint sie unter verschiedenen Bezeichnungen und erneuert und modifiziert ihre Nähe zum Recht. Das Trivium ist ein Dreiweg aus den Fächern Grammatik, Rhetorik und Dialektik. Die erste Kunst, die „Grammatik“, lehrt im Wesentlichen die Schlüsselqualifikation Latein, die internationale Fachsprache, die der Jurist dieser Epoche beherrschen musste. Die zweite Kunst, die ausdrücklich den Namen „Rhetorik“ trägt, behandelt die Stil- und Figurenlehre. Sie deckt also aus heutiger – und aus aristotelischer – Sicht nur einen, den auf die Formulierung (elocutio) gerichteten Teil der Redelehre ab. Die dritte Kunst, meist als „Dialektik“, „Topik“ oder später zeitgerecht als „Logik“ bezeichnet, vermittelt in einer Einheit Denk-, Rede-, Argumentations- und Disputationsvermögen. Damit lehrt das Fach, wenn auch z. T. unter anderem Selbstverständnis, einen weiteren Teil der Redekunst, der für die Konzeption eines Textes erheblich ist (Invention und Disposition).

Das Trivium ist – propädeutisch – vor dem eigentlichen Rechtsstudium (bzw. nach Gründung der Universitäten: vor dem Eintritt in die Rechtsfakultät) zu absolvieren.

An den Universitäten, d. h. ab dem 11.–12. Jh., gingen Trivium und Quadrivium in den so genannten Artistenfakultäten auf. Einige von ihnen hielten sich bis in das 18. Jh. Wo sie Bestand hatten, blieb der Bakkalaureus (der Abschluss des Triviums) Voraussetzung für die Immatrikulation in die Rechtsfakultät und gab dem angehenden Juristen eine allgemeine Bildung, ein Studium generale mit auf den Weg. Dieses Erziehungsmodell, das auch heute noch in den USA zur Grundierung großer Karrieren angeboten und genutzt wird, fand mit der allmählichen Ablösung der Artistenfakultäten durch die eigenständigen philosophischen Fakultäten ihr Ende.

Das Gewicht der Rhetorik allerdings schwand überwiegend auch schon vor dem 18. Jh. Dieser Prozess betraf wohlgemerkt die Rhetorik im Sinne der von der Scholastik geprägten Dialektik sowie die Stil- und Figurenlehre und wurde, von Region zu Region unterschiedlich, über die Jahrhunderte durch verschiedene Impulse beeinusst. Ein erster Widerstand gegen die Rhetorik regte bereits im 13. Jh. mit den Ideen des Humanismus; den tiefen Schlag, von dem sie sich lange nicht mehr zu erholen schien, versetzt ihr jedoch die „neue Methode“ (VICO): Der später so genannte Rationalismus, der sich in der Folge DESCARTES’ im 17. Jh. ausbreitete – unterstützt durch den Aufzug der Naturwissenschaften.

Andererseits findet man aber auch Anhaltspunkte, dass die Studenten der Rechte bis in das 19. Jh. hinein über Rhetorikkenntnisse verfügten. Wenn auch die Erforschung der Studieninhalte in diesem Punkt noch viele Fragen offen lassen, so kann man doch angesichts einiger Literatur vermuten, dass sich Juristen in der gewohnt-trivialen Zweiteilung „Rhetorik“ und „Dialektik“ auf ihren Beruf vorbereiteten. Hinzu kommt, dass die meisten Ordinarien, nicht minder wie heute, der Rechtspraxis durch entgeltliche Gutachter- oder Beratertätigkeit verbunden waren. Durch diese Verechtung mit dem Handlungsgeschäft konnte ihnen die pragmatische Einbettung der Rechtsfindung trotz des gegenläufigen Zeitgeists – der Akademisierung der Jurisprudenz zur Rechtswissenschaft – unschwer entgehen.

In der Rechtsphilosophie und der Hochdogmatik brach die Allianz zwischen Recht und Rhetorik allerdings ab dem 16. Jh. auseinander. Mit dem Interesse an dem neuen axiomatisierenden Begriffsdenken verlor sie den Rückhalt der Intellektuellen. Diese Entfremdung begann langsam als akademische Bewegung – manchen Rechtslehrern verlangte es nach der Verwissenschaftlichung ihres Stoffes – und wurde von neuen, begriffs- und systempostulierenden Strömungen in der Theorie unterstützt. Im 19. Jh. schließlich ergriff sie das öffentliche Selbstverständnis der gesamten Jurisprudenz, die sich in Konsequenz fortan Wissenschaft nannte und vollends Rhetorik als Methode ablehnte. So begann die Spaltung zwischen einer öffentlichen, angeblich nicht-rhetorischen Rechtswissenschaft und der täglich-rhetorischen Jurisprudenz, denn: Reden, schreiben und argumentieren mussten Juristen genau so wie zuvor.

Im 20. Jh., spätestens nach dem Terror des Nationalsozialismus, war den Juristen endgültig der Zugang zum rhetorischen Erbe versperrt. Rhetorik wurde Unwort; man setzte es mit Demagogie und Manipulation gleich. Es bedurfte der weltweiten Mission von Chaïm PERELMAN, um die Humanität des Rhetorischen deutlich zu machen. Gleichzeitig und unabhängig davon zündete ein weiterer Funke. Der Rechtstheoretiker Theodor VIEHWEG, zunächst versöhnlich den Begriff Rhetorik meidend („Topik und Jurisprudenz“), regte an, sich auf das rhetorische Erbe der Jurisprudenz in einer forschenden, fragenden („zetetischen“) Haltung zu besinnen. VIEHWEGs Schrift hatte eine weltweite Wirkung, wurde in Deutschland aber nach heftiger Diskussion für die nächsten Jahrzehnte in breitem Einvernehmen abgelehnt.

Trotzdem sammelten sich einige Wissenschaftler um VIEHWEG und ließen sich nach dessen Wirkort als Mainzer Schule bezeichnen. Der ihm am nächsten stehender Schüler war Ottmar BALLWEG; er brachte die Radikalität der viehwegschen Idee ans Licht: dass das Recht nicht wissenschaftlich („prudentielle“) und rhetorisch sei („Rechtswissenschaft und Jurisprudenz“). In der von ihm entwickelten Analytischen Rhetorik wird die Jurisprudenz zum Gegenstand der Beobachtung, die Rhetorik hingegen zu einem Instrument, das als analytische Disziplin die Kategorien der Beobachtung stellt („Analytische Rhetorik“). In BALLWEGs Denken ist Rhetorik skeptisch-konstruktivistische Rechtsreexion in sophistischer und moralistischer Tradition; sie liefert aber auch Kategorien für ein zeichentheoretisch strukturiertes Forschungsprogramm.

Der einzige unmittelbare Schüler VIEHWEGs, der als Rhetoriker je mit einem Lehrstuhl bedacht wurde, ist Waldemar SCHRECKENBERGER. Während er höchste, politiknahe Ämter bekleidete, habilitierte er mit einer grundlegenden zeichentheoretischen Analyse der Rhetorik des Bundesverfassungsgerichts und analysierte fortan die Rhetorik im verfassten Staat unter dem Einuss von Politik und Gesellschaft. Rhetorik und Zeichentheorie (Semiotik) gehen auch in dem vielseitigen Œuvre Thomas-Michael SEIBERTs eine aufschlussreiche Verbindung ein; hervorzuheben sind seine Arbeiten, in denen er – aus der eigenen richterlichen Erfahrung schöpfend – das rechtskonstruktive Sprachverhalten im Vorfeld und innerhalb der Gerichtsverfahrens induktiv erfasst. Hubert RODINGEN zählt zu den Vorkämpfern der pragmatischen Wende.

Neben der Semiotik hat das rechtsrhetorische Forschungsfeld zahlreiche weitere Fachgebiete angezogen. In ungefährer historischer Reihenfolge seien hier nur erwähnt die Kommunikationswissenschaft (Dieter HORN wird mit „Rechtssprache und Kommunikation“ ebenfalls den Mainzer Rhetorikern zugerechnet), die Kybernetik, die Soziologie, besonders die von LUHMANN geschaffene Systemtheorie, die Meinungsforschung und die konstruktivistische Alltagsforschung (Ethnomethodologie). Mit Neugier verfolgt werden auch Ansätze in den Geisteswissenschaften wie der Literaturtheorie, der Geschichte oder Kunst; verständlich ist die ständige Verbindung zur Sprachphilosophie, Argumentations- und Entscheidungstheorie sowie zur Logik. Die klassischen Themen der Rechtsphilosophie und Rechtstheorie werden ebenfalls immer wieder auch von Rhetorikern aufgeworfen. So sind Fragen der juristischen Rationalität und Argumentation ein besonderes Anliegen von Heino GARRN, ebenfalls ein Schüler VIEHWEGs, der auf diese Weise die Idee der Topik vertieft.

Während die theoretischen Einsichten der Mainzer Schule über Jahrzehnte einem kleinen Kreis vorbehalten blieben, erreichte Wolfgang GASTs „Juristische Rhetorik“ viele jüngere und auch erfahrene Juristen, denen er die Rhetorik als verfeinerte Denk- und Argumentationskultur nahe brachte. Über sieben Auflagen erschien schließlich die titelgleiche Schrift Fritjof HAFTs, der zwar kein akademischer Mainzer, aber ein Vertreter derselben (wenigen) Prämissen und pragmatischen Folgerungen ist. HAFTs sämtliche Werke sind effiziente Handreichungen in der Tradition der Topik, verstanden als strukturierende und typisierende Techne. Sowohl GAST wie HAFT gelang es, Generationen von Studierenden nach Jahren der Rhetorikablehnung wieder vor Augen zu führen, dass der Gebrauch eines rhetorischen Reexionsrasters für das juristische Denken und die kognitive Selbstorganisation vorteilhaft ist.

Als Forschungsfach blieb die Rhetorik jedoch in der Rechtswissenschaft umstritten – im Gegensatz zu der historischen Rhetorikforschung, die mit dem Tübinger Lehrstuhl und dem Namen von Gert UEDING verbunden ist. Nach den lebhaften Diskussionen um VIEHWEGs Topik in den siebziger Jahren wurde es auf den deutschen Rechtskongressen wieder still um das Thema; auf den Rednerlisten der folgenden dreißig Jahre standen ausschließlich Vertreter nicht-rhetorischer Rechtskonzepte. Erst in der jüngsten Vergangenheit wendete sich das Blatt. Durch das Zusammentreffen unterschiedlichster Einüsse, wie die zunehmende Marktorientierung der Universitäten und der Berücksichtigung des Anwaltsberufs in der Juristenausbildung regte sich ein zunächst auf das Praktische gerichtete Interesse an der Rhetorik. Wenn die curriculare Einrichtung auch noch Jahre dauern mag, so scheint das Rhetorikstudium doch mit dieser Tendenz langsam wieder in die Nähe seines alten Platzes zu rücken: in das Trivium als Teil des Bakkalaureus, heute Schlüsselqualifikation genannt.

Das Interesse an der Rhetorik ist aber nicht nur berufsbezogener Art; es wird auch von immer mehr jungen Forschern geteilt. Anders als die Nachkriegsgeneration lassen sich junge Wissenschaftler nicht mehr von der Hypothese der Rhetorizität der Jurisprudenz, ja des Rechts, provozieren. Der Ablehnung ist Offenheit gewichen: Man ist neugierig, wie juristische Texte wirken und die Rechtspraxis aus rhetorischer Sicht zustande kommt. Überdies möchte man begreifen, wie man andere von seiner Rechtsmeinung überzeugt, wie man Entscheiden und Begründen kunstgerecht herstellt und darstellt (SOBOTA bzw. SCHLIEFFEN). Dabei wird die junge Rhetorikforschung weiterhin von Theoretikern unterstützt, die über bedeutende Praxiserfahrung verfügen, wie Walter GRASNIK, Oberstaatsanwalt a. D., und Joachim STRAUCH, ehemals Richter am Bundesverwaltungsgericht und erster Präsident des Thüringer Oberverwaltungsgerichts.

Förderlich ist schließlich, dass sich auch die übrige Rechtstheorie im Laufe der vergangenen dreißig Jahre bewegt hat; die Standpunkte, die damals die heftigsten Angriffe gegen die Topik führten, würden heute wohl keine Vertreter mehr finden. Einst zeichneten gezielte Missverständnisse harte Fronten: Die Rhetorik (Topik), diese bedeutende Kulturtechnik der Strukturierung – der Schaffung von Gewissheit im Ungewissen –, erklärten ihre Gegner als Aufruf zur „Beliebigkeit“ in der Rechtsfindung. Inzwischen jedoch sind die führenden Rechtstheorien, ohne dies wahrzunehmen, durchaus zu Annahmen und Einsichten gekommen, die originär rhetorisch sind. Vereinfacht gesagt: Die herrschenden Rechtstheorien haben sich, wenn auch nach Facetten unterschiedlich, durch eine Abfolge von anti-normativen Erschütterungen insgesamt der Rhetorik angenährt. Die wichtigen Impulse gingen dabei von der internationalen Diskussion, besonders den Debatten in den USA und Frankreich aus; die deutsche Landschaft wurde, wenn man eine Unterteilung wagen möchte, von einem pragmatischen, einem semiotischen, einem systemtheoretisch-konstruktivistischen und einem dekonstruktivistischen Schub ergriffen. Aktuell kommen die rechtskritischen Wellen hinzu – seien sie ökonomisch, politisch oder moralisch motiviert –, die an der Verankerung jeder als Supradogmatik betriebenen Rechtstheorie rütteln und zunächst bis zu einem gewissen Grad (nämlich der Kritik des Bestehenden) für einen rhetorischen Zugang Verständnis haben.

Fünfzig Jahre nach VIEHWEGs Anstoß kann man festhalten, dass die Rhetorik innerhalb der deutschen Rechtstheorie, Rechtswissenschaft und dem Rechtsstudium ein Fundament gelegt hat. Zu Beginn des dritten Jahrtausends zeigt sie sich als ein korrespondenzfähiger Beobachter der Praxis. Ihr gelingen aufschlussreiche Einblicke, wenn sie die Jurisprudenz und das Sozialsystem Recht in Ansehung der Sprachgebundenheit, der fortlaufenden Konstruiertheit und der pragmatischen Bezogenheiten betrachtet.

Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rhetorik innerhalb der Rechtstheorie immer noch ungewöhnlich ist. Wenige Forscher untersuchen dieses Feld und lehren das Fach. In dieser Lage machen Rhetoriker, was sie immer tun: Sie gestehen einander – je nach Temperament melancholisch oder fröhlich – ihre Ungewissheit ein, um sodann, wie sie es gelernt haben, zu einem Topos zu greifen: einem nur herbeigesprochenem Ort, durch den man aber im Ungewissen Boden unter die Füße bekommt. So ein Platz für Rechtswissenschaftler und Rhetoriker soll diese Buchreihe werden. Unter der Überschrift „Recht und Rhetorik“ könnten sich die Beiträge zusammenfinden, die das Recht aus einer rhetorischen Perspektive betrachten oder rhetorische Kategorien nutzen, kritisieren und fortentwickeln, und zwar im Verhältnis zum Recht oder vergleichbaren Ordnungen.

Katharina Gräfin von Schlieffen
Hagen, Frühjahr 2008