Alles überall zur gleichen Zeit – Rückblick auf das University:Future Festival 2023, Teil 2

Das diesjährige University:Future Festival konnte sich alleine mit den reinen Zahlen schon sehen lassen: mehr als 600 Speaker*innen, mehr als 5000 angemeldete Personen und ein vollgepackter Session-Plan. Deswegen wurde der Rückblick in zwei Beiträge geteilt. Der erste Teil wurde vor zwei Wochen veröffentlicht, hier folgt jetzt Teil 2 zum zweiten und dritten Tag. Da kommt noch einiges dazu…

Evidenzbasierte Lehre – immer wieder gerne…

Los ging es am zweiten Tag mit einem Vortrag der AG Psychologie und Lehr-Lern-Forschung der DGHD. Unter dem Titel „Digitale Selbstlernphasen gut gestalten“ gab es eine Zusammenfassung der aktuellen Forschung zum Lehren und Lernen. Dabei ging es vor allem um das Thema „Selbstregulation“ und wie Lehrende dabei unterstützen können. Die AG schlug die folgenden Aspekte vor, die durch entsprechende Aufgabenstellungen Studierenden in den Selbstlernphasen helfen:

  • Die Studierenden können bei ihren Zielsetzungen unterstützt werden. Das geschieht natürlich vor allem über die (individuellen) Lernziele, aber auch über die Möglichkeiten zum Vergleich von Soll- und Ist-Zuständen auf Seiten der Studierenden. Realisierbar ist das z. B. über Selbsttests.
  • Durch das Informieren über und das Einüben von Lernstrategien können Studierende Hilfsmittel bekommen, wenn es mit dem Lernen mal nicht so funktioniert. Dabei geht es um kognitive, motivationale und metakognitive Aspekte. Inspiration findet man z. B. auf den Seiten der Humboldt-Universität Berlin zu Lernstrategien.
  • Der schwierigsten Aspekte beim Thema Lernstrategie sind sicherlich die Motivation und das Zeitmanagement, die deshalb als eigener Punkt aufgeführt wurden. Auch hier finden sich im Angebot der HU Anhaltspunkte, die Lehrende für Unterstützungsangebote heranziehen können.
  • Eine gezielte Auswahl von Sozialformen (Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit) hilft ebenfalls bei der Selbstorganisation. Mit den Aspekten, die dabei beachtet werden können, müsste ein eigener Beitrag gefüllt werden. Das sollten wir dann demnächst mal nachholen.
  • Schließlich wurde noch der wichtige Punkt der formativen Selbstevaluation inklusive informativem Feedback genannt. Formatives Feedback wird in Studien immer wieder als lernförderlicher Faktor herausgestellt. John Hattie und Shirley Clarke schrieben dazu 2019 das zu empfehlende Buch „Visible Learning – Feedback“.

Insgesamt handelte es sich bei den Punkten nicht um Neues, aber die Aufbereitung war trotzdem gewinnbringend.

Offene Bildungstechnologien

In seiner Keynote „Rethinking our education infrastructure using open technologies of the future“ stellte der Gründer von Moodle, Martin Dougiamas, den Ansatz einer komplett offenen Bildungsinfrastruktur vor. Dabei geht es nicht nur um ein „aufgebohrtes“ Moodle, sondern um ein Gesamtpaket aus qualitativ hochwertigen Inhalten, Spaces für Lehrende und Lernende und institutionelle Spaces. Verfügbar soll das Angebot in einer ebenfalls offenen Cloudstruktur sein und Künstliche Intelligenz ist ebenfalls ein Faktor. Dougiamas Vision ist dabei, die Abhängigkeit von großen Firmen wie Apple, Google, Amazon usw. zu verringern. Ähnlich wie andere offene Technologien, wie z. B. E-Mail, BitTorrent oder Blockchain, soll auch hier ein lebenslanger, kostenloser Zugang für Lehrende und Lernende möglich sein.

Gleichzeitig soll die Sicherheit gewährleistet werden, dass die Bildungsinhalte und die Plattform frei von Unterdrückung, dem Einfluss großer Firmen und nicht nachhaltigen Ansätzen sind. Inwieweit diese Vision Wirklichkeit werden wird, muss sich zeigen. Verfolgenswert ist sie allemal. Wer sich an der Vision beteiligen möchte, findet auf der Website der Vereinigung weitere Informationen.

Alle gehören dazu

Von der Offenheit ging es weiter zur Barrierefreiheit, was ja insgesamt kein allzu großer Schritt ist. Der Aktivist Raul Krauthausen stellt unter anderem Plattformen vor, die mit Crowdsourcing Barrieren überwinden helfen sollen. Dazu gehören wheelmap.org und brokenlifts.org. Krauthausen sieht in der Digitalisierung ein enormes Potential, um die Teilhabe von behinderten Menschen am alltäglichen Leben zu verbessern. Das kann aber nur dann gut funktionieren, wenn sie von Anfang an in die Entwicklung von Angeboten mit einbezogen werden. Digitalisierung darf nicht zum gesellschaftlichen Katzentisch werden, so Krauthausen. Aus dem Ansatz des Design Thinkings zitierte er zwei Sätze, die auch hier gelten: „Die Nutzenden haben immer Recht.“ und „Fail early, fail often.“

Dem abschließenden Wort seiner Keynote kann man nur uneingeschränkt zustimmen: „Es gibt keine Barrierefreiheit, die nicht-behinderten Menschen jemals geschadet hätte.“ Das kann so auch auf die digitale Hochschullehre übertragen werden.

Tipps zum Nachschauen

Hier sind einige Aufzeichnungen, bei denen sich das Reinschauen lohnt.

  • Educational Escape Games: Dazu haben Jonas Lilienthal und Hans Peter Ludescher von der FH Münster einen informativen Vortrag gehalten.
  • On Demand E-Assessment: Prof. Dr. Ingo Stadler und Dirk Heuvermann von der TH Köln gaben Einblicke für diejenigen, die schon mal darüber nachgedacht haben, ob E-Assessment noch flexibler gestaltet werden kann.
  • Lightning Talks: Zeitgemäßes Prüfen: Mit Beiträgen zu Klausuren, die von Studierenden entworfen wurden, E-Assessment für grafisches Modelling, Portfolios in der Physik und Micro Credentials.
  • Didaktische Perspektiven auf Learning Analytics: Im Talk von Jonas Leschke (Ruhr-Uni Bochum) und eigentlich auch Malte Persike (RWTH Aachen) wurde die Frage behandelt, wie Lerndatenanalyse zum konkreten Lernhandeln anstiften kann.

Computerspiele und Lernszenarien

Ein guter Abschluss am letzten Tag des Festivals war der Workshop „Was kann man aus Computerspielen für die Gestaltung von Lernszenarien mitnehmen?“ Die beiden Vortragenden Saskia Buschker und Carolyn Gebhardt hatten ein sehr umfangreiches Miro-Board mit einer Vielzahl von Links und Resourcen zusammengestellt, das leider nicht mehr verfügbar ist. Es ist zu hoffen, dass sie die Sammlung in anderer Form noch einmal veröffentlichen werden.

Besonders interessant waren die Einteilung von Spielertypen, mit denen in der Spieltheorie die Motivation von Spieler*innen untersucht wird, und eine App, die einen sogenannten Skill Tree visualisiert. Hier ist eine starke Verbindung zu Kompetenzmodellen zu sehen. In Computerspielen, die mit solchen Skill Trees arbeiten, können Spieler*innen durch das Sammeln von Ressourcen Fähigkeiten für die Spielfigur aufbauen. „Tree“ heißt es deswegen, weil die Kompetenzen wie Äste dargestellt werden und bestimmte höherwertige Kompetenzen erste durch das vorherigen Erlangen anderer Kompetenzen erreicht werden können. Viel Fantasie braucht es nicht, um sich vorstellen zu können, dass dies auch auf andere Bereiche übertragen werden kann. Die Frage ist nur, wie gut fachliche Kompetenzen in einer solchen Struktur abgebildet werden können. Es wäre ein Versuch wert, das mal auszuprobieren.

Fazit

Auch diesmal war das University:Future Festival ein Gewinn. Viele der Vorträge sind mittlerweile im YouTube-Kanal des Hochschulforums Digitalisierung erreichbar. Stöbern lohnt sich!



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