Präsenzveranstaltung

In kaum einem anderen Bereich haben Kolonialismus und Imperialismus deutlichere Spuren hinterlassen als im Gebrauch der Sprache. Die Sprachpolitik in kolonisierten Gebieten bietet also ein reiches Feld, um verschiedenen historischen Fragestellungen nachzugehen. War Sprachpolitik ein „Tool of Empire“ (Headrick 1981)? In welchem Maße bedeutete Sprachpolitik auch Kulturtransfer? Welche sozialgeschichtlichen Auswirkungen zeigten sich mit der eingeschlagenen Sprachpolitik? Förderte der (kulturelle) Imperialismus auch eine konsequentere Sprachpolitik? In welchen Bereichen von Sprache und Schrift zeigten sich Faktoren für einen Ausbau der Kolonialherrschaft? Und schließlich stellt sich ebenso die Frage, wann und wie sich Widerstand bei den Kolonisierten hinsichtlich der Sprachpolitik formierte und darstellte.

Quellentechnisch sind diese Fragen gut zu fassen. Vorbereitend soll konzeptionell erarbeitet werden, welche sprachphilosophischen und regionsspezifische Forschungsansätze sich mit dem Phänomen „Sprache“ im Kontext des (kulturellen) Imperialismus sowie vor dem Hintergrund des kolonialen Machtgefälles in den deutschen und britischen Kolonialgebieten befassen (Mitte des 19. Jahrhundert bis zum 1. Weltkrieg). Anhand von Quellenbeispielen zu sprachpolitischen Themen in Deutsch-Ostafrika, im Pazifik, Ceylon und Indien werden die verschiedenen Ebenen der Umsetzung, beispielsweise in Bereichen der Bildung, Wissenschaft und Administration verdeutlicht.

Das Seminar soll auch dazu anregen, Prüfungsthemen quellenbasiert und forschungsnah vorzubereiten. Wer ein Referat halten möchte, um der Gruppe ein entstehendes Thema vorzustellen, kann sich gerne an mich wenden (ute.kemmerling).

Literatur:

Austen, Ralph A.: „Ich bin schwarzer Mann, aber mein Herz ist Deutsch“. Germanophobes and „Germanness“ in Colonial Cameroon and Tanzania, in: Marianne Bechhaus-Gerst/ Reinhard Klein-Arendt (Hg.): Die (koloniale) Begegnung. AfrikanerInnen in Deutschland 1880-1945. Deutsche in Afrika 1880-1918, Frankfurt/Main 2003, S. 23-40.

Headrick, Daniel R.: The Tools of Empire. Technology and European Imperialism in the Nineteenth Century, New York 1981.

Mühlhäusler, Peter: Die Deutsche Sprache im Pazifik, in: Hermann Joseph Hiery (Hg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 239-262.

Naregal, Veena: Language, Politics, Elites and the Public Sphere. Western India under Colonialism. London 2001.

Owzar, Armin: Swahili oder Deutsch? Zur Sprach- und Religionspolitik in Deutsch-Ostafrika, in: Mark Häberlein/ Alexander Keese (Hg.): Sprachgrenzen – Sprachkontakte – kulturelle Vermittler. Kommunikation zwischen Europäern und Außereuropäern (16.-20. Jahrhundert). Beiträge zur europäischen Überseegeschichte, 97, Stuttgart: 2010, S. 281-303.

Philipson, Robert: Linguistic Imperialism, Oxford/ New York 1992.

Reinhard, Wolfgang: Sprachbeherrschung und Weltherrschaft. Sprache und Sprachwissenschaft in der europäischen Expansion, in: ders., Ausgewählte Abhandlungen, Berlin 1997, S. 401-433.

Steinbach, Almut: Sprachpolitik im Britischen Empire. Herrschaftssprache und Integration in Ceylon und den Föderierten Malaiischen Staaten, München 2009.