Forschungsfeld Missionarisches Wissen

Quellen von Missionar*innen wurden in den vergangenen Jahren auch in ihrem gesellschafts- und kulturgeschichtlichen Wert erkannt, über eine reine „Eigengeschichte“ der Institutionen und die Fragestellungen der Kirchengeschichte hinaus. Als Kernpunkte einer vergleichenden Geschichtsbetrachtung haben sich dabei Querschnittsthemen wie die Sprachenfrage und das Bild vom Anderen erwiesen. Die Begegnungssituation in peripheren Missionsstationen ist zu einem quellenmäßig gut abgesicherten Fall des Kulturkontakts geworden.

Dieses Forschungsfeld ist Ausdruck der langjährigen Kooperation unseres Lehrgebiets mit der Archiv- und Museumsstiftung der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) in Wuppertal. An diese Ausrichtung anknüpfend war Prof. Guillermo Wilde (Buenos Aires/Paris) im Sommer 2020 Gastwissenschaftler an der FernUniversität in Hagen, um ein Projekt der Edition und Kommentierung lokaler Gesetzestexte von Missionaren im kolonialen Paraguay abzuschließen („Globale Wissenszirkulation und die Verwaltung der außereuropäischen Missionsgebiete“).

Aus diesem Aufenthalt entwickelte sich ein Diskussionskreis zu missionsgeschichtlichen Themen, zu dem Doktoran*innen und Lehrende verschiedener Universitäten dazugestoßen sind. In unregelmäßigen Abständen findet nun in englischer Sprache ein Diskussionstreffen „Missionary Knowledge“ statt. Dabei werden auf breiter geographische rund zeitlicher Grundlage Charakteristika des missionarischen Wissens herausgearbeitet, wobei insbesondere

die (vermeintlichen) Schwellenzeiten um 1500 bzw. 1800 diskutiert werden. Auch ein Vergleich verschiedener Missionsorden bzw. -gesellschaften wird nach Möglichkeit vorgenommen. Unter anderem folgende Fragen stehen bei der Diskussion von laufenden Forschungsprojekten im Vordergrund:

  • Haben Missionar*innen vom Mittelalter bis zur Zeitgeschichte spezifische Wissensbestände hervorgebracht, die sich von denjenigen anderer Akteure der europäischen Expansion unterscheiden?
  • Worin unterscheidet sich generell missionarisches Wissen von anderen Arten von Wissen?
  • Welche Rolle spielen geopolitische Rahmensetzungen bei der Formung von missionarischem Wissen?
  • Wie gingen Missionar*innen mit früheren Wissensbeständen um (dem Wissen anderer Missionsorden und -gesellschaften; indigenem Wissen; historisiertem Wissen der eigenen Institution)?

Folgende Themen haben sich dabei als roter Faden herausgestellt:

  • die materielle Kultur der Konversion (liturgische Objekte, Sakralkunst, neue Ikonographien)
  • das „going native“ der Missionar*innen (die Kritik von Seiten der Superiore, interne Debatten über kulturelle Akkommodation)
08.04.2024