ONLINE-SEMINAR

Thema:
The Middle Ground - Indianer und Waldläufer, Siedler und Missionare an den Großen Seen 1650-1815
Veranstaltungstyp:
ONLINE-Seminar
Zielgruppe:
BA KuWi: Modul G4; MA EuMo: Modul 6G; MA GeEu: Modul II; Modul IV; Modul IX; Modul X; offen für alle Geschichtsstudierenden
Ort:
Online / Zoom
Termin:
09.02.2022 bis
23.02.2022
Zeitraum:
Mittwoch, 09.02.2022, 17.00 bis 21.00 Uhr
Mittwoch, 16.02.2022, 17.00 bis 21.00 Uhr
Mittwoch, 23.02.2022, 17.00 bis 21.00 Uhr
zusätzlich: Gruppenarbeit in eigenständiger Organisation
Leitung:
Prof. Dr. Jürgen G. Nagel
Anmeldefrist:
17.12.2021
Anmeldung:
ONLINE-Anmeldung s. unten
Auskunft erteilt:
Prof. Dr. Jürgen G. Nagel , E-Mail: juergen.nagel , Telefon: +49 2331 987 - 2114
Karin Gockel , E-Mail: karin.gockel , Telefon: +49 2331 987 - 2122

“On the middle ground diverse people adjust their differences through what amounts to a process of creative, and often expedient, misunderstandings. People try to persuade others who are different from themselves by appealing to what they perceive to be the values and practices of those others. They often misinterpret and distort both the values and the practices of those they deal with, but from these misunderstandings arise new meanings and through them new practices – the shared meanings and practices of the middle ground.” (White 2011, xxvi)

So beschreibt der amerikanische Historiker Richard White in seiner mittlerweile klassischen, erstmals 1991 erschienenen Studie zur Region um die Großen Seen in Nordamerika während des 17. und 18. Jahrhunderts den Raum, den er als middle ground bezeichnet. Damit ist weit mehr gemeint als die geographische Region, in der vornehmlich indianische Nationen siedelten und auf zahlreiche Vorboten französischer und englischer Kolonisation wie Missionare, Waldläufer oder Siedlungspioniere trafen. Gemeint ist ein Begegnungsraum (oder eine Kontaktzone), in dem sich kulturell Fremde auf Augenhöhe begegnen und einen Weg des Umgangsmiteinander finden müssen, was letztendlich zur Herausbildung einer eigenen Welt mit eigenen Modalitäten des Austauschs und der Kommunikation führt. White hat damit ein alternatives Konzept zur „kulturellen Grenze“ nach Jürgen Osterhammel vorgelegt und eine alternative Perspektive zu den gängigen kolonialhistorischen Narrativen von Eroberung, Unterdrückung, Ausbeutung und kultureller Assimilation (oder auch Persistenz).

Sein Konzept wurde empirisch fundiert anhand der konkreten Geschichte der indianisch-europäischen Beziehungen in den Waldlanden rund um die Großen Seen, von den Franzosen als pays d’en haut bezeichnet, entwickelt. Hier setzt das Online-Seminar an, indem es zunächst auf das Konzept grundlegend eingeht, um dann anhand ausgewählter Beispiele, Literaturauszüge und Quellentexte auf die indianischen Gesellschaften der Region, auf die Formen (vor-)kolonialer europäischer Präsenz sowie auf die Kontaktformen und Aushandlungsprozesse zwischen Indianern und Europäern einzugehen. Es will damit ein weniger bekanntes Kapitel dieser Beziehungsgeschichte beleuchten, die zwar durchaus mit – auch gewaltsamen – Konflikten einherging, im Kern jedoch eine Welt der Koexistenz und Verflechtung erkennen lässt. Auf diese Weise soll auch die Relevanz des Konzeptes von Richard White nach knapp drei Jahrzehnten hinterfragt, mit anderen Überlegungen zur Geschichte von Kulturkontakten in Beziehung gesetzt und hinsichtlich seiner Übertragbarkeit auf andere kulturelle Kontaktsituationen in der neuzeitlichen Weltgeschichte geprüft werden.

Das Seminar besteht aus drei Online-Sitzungen und einer frei zu organisierenden Gruppenarbeitsphase. Die erste Sitzung dient der Diskussion der Überlegungen von Richard White, die zweite Sitzung wird vornehmlich auf Quellen zum Middle Ground beruhen. In der abschließenden Sitzung werden dann die Gruppenarbeitsergebnisse präsentiert und eine abschließende Bewertung des Konzepts Middle Ground versucht.

Literaturhinweise

Englebert, Robert (Hg.): French and Indians in the Heart of North America 1630-1815, East Lansing: Michigan State University Press, 2013.

Leavelle, Tracy N.: The Catholic Calumet. Colonial Conversions in French and Indian North America, Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2012.

Mattioli, Aram: Verlorene Welten. Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas 1700-1910, Stuttgart: Klett-Cotta, 2017. [verfügbar auch als Sonderausgabe der Bundeszentrale für Politische Bildung]

Murphy, Lucy E.: Great Lakes Creoles. A French-Indian Community on the Northern Borderlands, Prairie de Chien, 1750-1860, New York: Cambridge University Press, 2014.

Nichols, David A.: Peoples of the Inland Sea. Native Americans and Newcomers in the Great Lake Regions, 1600-1870, Athens: Ohio University Press, 2018.

Post, Franz-Joseph: Schamanen und Missionare. Katholische Mission und indigene Spiritualität in Nouvelle-France (Europa – Übersee, 7), Münster: Lit, 1997.

Skinner, Claiborne A.: The Upper Country. French Enterprise in the Colonial Great Lakes, Baltimore: Johns Hopkins University Press, 2008.

Steckley, John: The Eighteenth Century Wyandot. A Clan-Based Study, Waterloo/Ontario: Wilfried Laurier University Press, 2014.

Trenk, Marin/Lindner, Markus: Weiße Indianer. Die Grenzgänger zwischen den Kulturen in Nordamerika, Wismar: Persimplex, 2009.

Wagner, Thomas: Irokesen und Demokratie. Ein Beitrag zur Soziologie interkultureller Kommunikation (Kulturelle Identität und politische Selbstbestimmung in der Weltgesellschaft, 10), Münster: Lit, 2004.

White, Richard: The Middle Ground. Indians, Empires, and Republics in the Great Lake Region, 1650-1815. Twentieth Anniversary Edition, Cambridge: University Press, 2011. [online verfügbar unter archive.org]

Karin Gockel | 08.04.2024