Gespräche am Tor - Karlsruher Begegnungen zu Wissenschaft, Politik und Kultur

Thomas Sokoll im Online-Vortrag Foto: FernUni
Thomas Sokoll im Online-Vortrag

„Aufruhr mörderischer Rotten“ oder „Revolution des gemeinen Mannes“?

Historischer Stellenwert und aktuelle Bedeutung des Bauernkriegs von 1525

14. Mai 2025, 18 Uhr
Prof. Dr. Thomas Sokoll

Flyer zur Veranstaltung (PDF 192 KB)

Freiheit oder Ungleichheit als göttliches Ordnungsprinzip auf Erden – Streitfrage und Erbe des Bauernkriegs von 1525

Aufruhr und Revolution: diese beiden Stichworte markieren eine historische Spanne von 450 Jahren“ – mit diesen Worten öffnete Prof. Dr. Thomas Sokoll (Professor i.R. für Neuere Geschichte/Frühe Neuzeit, FernUniversität in Hagen) den Blick auf den historischen Deutungswandel des Bauernkriegs von 1525. Dessen anfängliche Verurteilung als „Aufruhr mörderischer Rotten“ durch den Zeitzeugen Martin Luther quittierte der Historiker Peter Blickle viereinhalb Jahrhunderte später mit seiner positiven Deutung einer „Revolution des gemeinen Mannes“ (1975). Anlässlich des 500. Jahrestags des Bauernkriegs bot der Referent eine kompetente Bilanz der erinnerungsgeschichtlichen Einordnung und historiografischen Deutung dieses historischen Ereignisses.

Nach der Klärung des räumlichen und zeitlichen Rahmens des Bauernkriegs (vom deutschen Südwesten unter Berührung der Schweiz und Österreichs bis nach Thüringen, 1524-1526) sowie der Schilderung seiner sozialgeschichtlichen Hintergründe (herrschaftliche Anmaßung im Rahmen der Leibeigenschaft) rückte Thomas Sokoll die „Zwölf Artikel“ von 1525 in den Fokus seines Vortrags. Mit seiner eingehenden Analyse dieses zentralen, in Memmingen zusammengetragenen und als Flugschrift publizierten Forderungskatalogs machte er dessen historische Bedeutung als übergreifende, diskursiv und medial mit der Reformation verknüpften Programmschrift des Bauernkriegs verständlich. Die durch obrigkeitliches Militär mit exzessiver Gewalt herbeigeführte Unterdrückung der Aufstände hatte den Segen Martin Luthers, der die „fleischliche“ Missdeutung seines Freiheitsversprechens durch die Bauern verurteilte. Mit seiner abschließenden Forschungsbilanz stellte der Referent die positive Deutung des Bauernkriegs in der Tradition Peter Blickles in den Vordergrund, wonach die Feudalherren den Bauernkrieg zwar gewonnen, aber dadurch „nichts dazugewonnen“ hätten – sahen sie sich doch in der Folge im Interesse der Absicherung ihrer Grundherrschaft zu manchen Zugeständnissen gegenüber der Bauernschaft gezwungen.

Der sich an den Vortrag anschließende Austausch mit dem in Präsenz versammelten und online zugeschaltetem Publikum veranlasste den Referenten zur Vertiefung mehrerer Teilaspekte des Themas. So bilanzierte er nun auch ausführlich die spezifische DDR-Forschung zum Bauernkrieg. Auch die Frage, inwieweit das lokal und regional recht unterschiedliche Aufstandsgeschehen nicht eher als „Bauernkriege“ zu bezeichnen sei, wurde erörtert. Weiterhin ging es um die Deutung des Bauernkriegs als Auslöser für die Traditionsbildung eines deutschen Untertanenstaats mit gewaltbereiter Obrigkeit. Der Genderaspekt, der nicht mehr berücksichtigt werden konnte, verweist schließlich auf die weiterführende Frage, welche Rolle die Frauen im Bauernkrieg spielten.

Thomas Sokoll, geb. 1954, war bis 2019 außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte (Frühe Neuzeit) an der FernUniversität in Hagen und ist seitdem im Ruhestand. Seine aktuellen Forschungsinteressen: vergleichende Strukturgeschichte Alteuropas, Geschichte der sozialen Ungleichheit, Geschichte der Industrialisierung, Theoriegeschichte des modernen Kapitalismus.

Weiterführende Literatur:

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