Veranstaltung

Der Erinnerung zum Trotz: Warum China immer noch an Mao glaubt

Gespräche am Tor - Karlsruher Begegnungen zu Wissenschaft, Politik und Kultur

Hybridveranstaltung (online und in Präsenz) in Kooperation mit dem Dimitris-Tsatsos-Institut für Europäische Verfassungswissenschaften

Termin(e) Leitung
Ort/Raum
Mi, 20.05.2026
18:00 - 20:00
Prof. Dr. Barbara Mittler
Campus Karlsruhe der FernUniversität,
Kriegsstr. 100 (2. OG),
76133 Karlsruhe,
Seminarraum ELSASS
Online-Zugang: siehe unten.

Vortrag von Prof. Dr. Barbara Mittler
Professorin für Sinologie an der Universität Heidelberg

In der Geschichte der Volksrepublik China gilt die Herrschaft von Mao Zedong (1949–1976) als eine der umstrittensten Phasen. Nachdem er die Kommunistische Partei im chinesischen Bürgerkrieg zum Sieg geführt und China geeint hatte, setzte er radikale Sozialreformen und politische Kampagnen in Gang, denen Millionen von Menschen zum Opfer fielen. Insbesondere für die tödliche Hungersnot infolge des „Großen Sprungs nach vorne“ (1958–1961) sowie grausame politische Verfolgungen während der Anti-Rechts-Kampagne (1957–1959) und der Kulturrevolution (1966–1976) ist Mao verantwortlich zu machen. Dessen ungeachtet wird dem „Großen Steuermann“ in China bis heute eine große, von breiten Bevölkerungskreisen getragene Verehrung zuteil.

Anlässlich seines diesjährigen 50. Todestages untersucht die Veranstaltung die um Mao Zedong entstandene Erinnerungskultur. Warum hat er immer noch so große Bedeutung, dass sogar Xi Jinping versucht, ihm gleich zu werden? Bei den Feiern zum 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei (2021) wurde dies Bestreben sehr deutlich: Xi trug einen grauen „Mao Anzug,“ der ihn als direkten Erben des „Vaters der Nation“ markierte, er sprach am Tor des Himmlischen Friedens, platziert über dem Großen Portrait Mao Zedongs, um der „großartigen, glorreichen und immer korrekten Kommunistischen Partei Chinas“ und dem „großartigen, glorreichen und heldenhaften chinesischen Volk“ zu seinem 100-jährigen Bestand zu gratulieren. Dass nun dieses Verlangen Xis – Mao zu beerben, ja zu ersetzen – eine Anmaßung ist, ist keine Einzelmeinung. Dennoch mag es einem verwunderlich erscheinen: Wie kommt es, dass sogar Regierungskritiker ausgerechnet Mao auf eine andere, offensichtlich höhere Stufe setzen als andere Politiker? Woher kommt die so manifeste Mao-Verehrung – die etwa in Deutschland vor dem Hintergrund der Hitler-Vergangenheit besonders schwer nachvollziehbar ist – und wie weit ist sie verbreitet?

Barbara Mittler, Prof. Dr., geb. 1968, studierte in Oxford, Taipei und Heidelberg Sinologie, Musikwissenschaft und Japanisch. Seit 2004 ist sie Professorin für Sinologie in Heidelberg, wo sie das Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“ (seit 2007) und darauf aufbauend das „Centrum für Asienwissenschaften und Transkulturelle Studien“ (CATS, eröffnet 2019) mitbegründete und leitete. Ihre Forschungsarbeit fokussiert auf Fragen von Kulturpolitik in China, Hong Kong und Taiwan. Gegenwärtig leitet sie zwei größere Projekte, die die China-Kompetenz und den Dialog mit der sinophonen Welt befördern sollen: die China-Schul-Akademie (www.china-schul-akademie.de) und den Heidelberger Teil des BMBF-Verbundkollegs zu Epochalen Lebenswelten (www.worldmaking-china.org/projekte/3). Ihre zahlreichen Publikationen zur chinesischen Kultur, Kunstmusik, Literatur, frühen Presse, Kulturrevolution sowie den bildlichen und textuellen Elementen in der Formation von kulturellem Gedächtnis sind mehrfach preisgekrönt worden (bspw. 2012 mit dem Fairbank Prize für ihre Studie zur chinesischen Kulturrevolution). Sie ist in mehreren Fachgremien vertreten (bspw. Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften seit 2008, Heidelberger Akademie der Wissenschaften seit 2013) und weilte als Fellow bzw. Gastprofessorin an der Academia Sinica in Taiwan, am Humanities Center der Stanford University und an der EHESS in Paris.

Die Veranstaltung wird hybrid durchgeführt; es ist keine Anmeldung erforderlich:

  • Für die Online-Teilnahme:
    Zoom-Zugangslink: https://e.feu.de/gespraeche-in-zoom
    Meeting-ID: 852 7280 4600
    Kenncode: 80696338.
  • Für die Teilnahme in Präsenz kommen Sie bitte auf dem Campus Karlsruhe der FernUniversität in den Seminarraum ELSASS (Adresse siehe oben).

Eine ausschnittweise Aufzeichnung der Veranstaltung wird zeitnah – auch mit Möglichkeit zur nachträglichen Kommentierung oder Rückmeldung an den Referenten – im Veranstaltungsrückblick veröffentlicht.

Weitere Informationen

Gespräche am Tor - Karlsruher Begegnungen zu Wissenschaft, Politik und Kultur

Werner Daum | 30.10.2025