Projekt

Globale Wissenszirkulation und die Verwaltung der außereuropäischen Missionsgebiete: Das Beispiel des Jesuitenordens in Südamerika (Quellenedition und einleitende Studie)

Projektleitung:
Guillermo Wilde
Jürgen G. Nagel
Fabian Fechner
Fabián R. Vega
Status:
abgeschlossen
fördernde Einrichtungen:

Kurzbeschreibung

Die Dynamik weltumspannender Informationsnetzwerke ist zu einem der bestimmenden Themen der Frühneuzeitforschung geworden. Dadurch werden die Grenzen der örtlich fokussierten Fallstudien und imperienbezogenen Blickwinkel geweitet. Dabei bieten die verschiedenen kolonialen Akteure in Mittel- und Südamerika besonders frühe und ergiebige Quellenbestände zu den Großthemen Kommunikation und Administration. Die rasche und andauernde iberische Expansion wurde von einer Ausdifferenzierung von Dokumenttypen begleitet, die auf unterschiedlichen Ebenen ein konstitutives und strukturierendes Element der Kolonisierungsprozesse waren.

Die Missionsorden nahmen bei der Produktion und Zirkulation von Informationen über die neu entdeckten Gebiete eine entscheidende Rolle ein. Einerseits produzierten die Missionsorden Informationen aus unterschiedlichsten Themenbereichen, wodurch sie Formen (proto)wissenschaftlicher Informationen konfigurierten, die ein Bewusstsein von Globalität schaffen und Ende des 18. Jahrhunderts eine Ausdifferenzierung der Wissenschaften befördern würden. Andererseits etablierten die Missionsorden systematische Informationsflüsse, um interne Abläufe reibungslos zu gestalten und eine effiziente politisch-administrative Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Missionsorden wie die Gesellschaft Jesu wurden vermehrt in dieser Hinsicht untersucht, was vor allem durch die dichte Überlieferung aus drei Jahrhunderten ermöglicht wurde. Die Jesuiten waren hinsichtlich der modernen Interkonnektivität, wie Luke Clossey herausgestellt hat, überaus anpassungsfähig, überraschend dezentral und auch multilateral ausgerichtet.

Das Ziel des Forschungsaufenthalts in Hagen ist abschließender Teil eines größeren Forschungsvorhabens über ein Quellenkorpus, das von den Jesuiten für die Verwaltung und den Informationsfluss in Übersee geschaffen worden war. Das Projekt beinhaltet eine systematische Untersuchung bislang praktisch unbekannter Quellentypen über die Kommunikation zwischen Missionsgebieten in Südamerika und den europäischen Zentren und die damit verbundenen Entscheidungsprozesse. Ausgehend von einer Analyse exemplarischer, umfangreicher Einzeldokumente zielt das Projekt auf einen innovativen Vergleich von Kommunikationsprozessen in Südamerika, Nordamerika, Indien und Japan. Allen Quellen ist gemeinsam, dass es sich um ortsspezifische, handgeschriebene Gesetzessammlungen handelt, die in ihrer Zeit explizit nicht zur Veröffentlichung gedacht waren, um das Ideal einer homogenen und universalen Gesellschaft Jesu in der Außenwirkung aufrecht zu erhalten. Oftmals werden in der Kulturkontaktforschung zu Missionsorden – wenn überhaupt legislative Dokumente hinzugezogen werden – die gedruckten römischen Gesetzestexte konsultiert, was ortsspezifische Anpassungsprozesse und zentrifugale Verwaltungstendenzen ausblendet.

Karin Gockel | 08.04.2024