14. Studienwoche Literatur- und Medienwissenschaft 2022

Seminar: Filmgespräche "Politik und Tabus: verbotene Filme"

Leitung: Jun.-Prof. Dr. Irina Gradinari und Prof. Dr. Michael Niehaus

Termine: Montag, 09. Mai bis Donnerstag, 12. Mai, jeweils von 17:15-18:45 Uhr

Raum: Gebäude 2, Universitätsstr. 33, 1.OG, Raum 4/5

Erläuterungen:

Je nach ideologischer Situation oder historischem Kontext kann die Politik durch Zensur, spezifische Einschränkungen oder gar Verbote in die Kunst intervenieren. Die verbotene Kunst ermöglicht Rückschlüsse darüber, welche politischen und sozialen Tabus die entsprechenden Filme gebrochen haben. Aus politischen Gründen verbotene Filme sind für die Thematik des Tabus von großer Bedeutung, denn sie müssen in ihrer Analyse historisch-diskursiv kontextualisiert werden – sie erfordern also eine andere Rezeption und fungieren heute als gesellschaftliche Archive und Erinnerungsmedien für vergangene ideologische Umstände, an denen die Ästhetik und die Politik ineinandergreifen. Sie sind somit zugleich auch als historische Dokumente zu verstehen, die zum einen auf die Übertretung des institutionalisierten Rahmens der Kunst hinweisen und zugleich politische Ängste verraten.

Im Seminar werden wir zwei Beispiele aus zwei verschiedenen Diktaturen besprechen, um die politischen Tabus und ihre Funktionsweise zu rekapitulieren und zugleich über die Funktion der Filme im Kontext unterschiedlicher politischer Regime zu reflektieren. Jud Süß (D 1940, R. Veit Harlan), ein propagandistischer antisemitischer Film im Auftrag der NS-Regierung, stand nicht im Widerspruch zur NS-Ideologie und wurde erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit der Verurteilung des Nationalsozialismus verboten. Doch weshalb wurde der Film verboten, obwohl der Antisemitismus im Dritten Reich heutzutage an sich kein Tabu, sondern ein zentrales kritisches Wissen über diese politische Epoche darstellt? Der DEFA-Film Die Russen kommen (DDR 1968, R. Heiner Carow) wurde hingegen vor der Premiere durch das eigene SED-Regime in der DDR verboten. Die Filmschaffenden haben somit das angesehene, gut finanzierte Genre des Antifaschismusfilms, das ein zentrales, zum größten Teil auch propagandistisches und identitätsstiftendes Medium der DDR darstellt, dazu genutzt, die kommunistische Ideologie anzugreifen. Wie ist es jedoch möglich gewesen, dass der Film zunächst zur Produktion zugelassen und dann erst nach seiner Vollendung als gefährlich eigestuft wurde?

In diesem Seminar werden wir die Filme zusammen anschauen. Auf jede Sichtungssitzung folgt eine Sitzung zur Besprechung des Films. Dabei sollen die jeweiligen Verbotsgründe durch eine konkrete Filmanalyse nachvollzogen und hinterfragt sowie in einen allgemeineren Problemhorizont eingebettet werden. Zugleich soll darüber nachgedacht werden, inwiefern auch und gerade im Medium Film Verbote aus politischen Gründen mit politischen Tabuisierungen zusammenhängen.

Anfragen zu dieser Veranstaltung richten Sie bitte an Jun.-Prof. Dr. Irina Gradinari oder
Prof. Dr. Michael Niehaus.

Webredaktion | 08.04.2024