Präsenzveranstaltung

Thema:
Monika Maron: Verhaltenslehren der Dissidenz
Veranstaltungstyp:
Online-Seminar
Zielgruppe:
BA KuWi: Modul 25303/L3; Modul 25304/L4; Modul 25305/L5; MA NdL: Modul 26301/MANDL 1; Modul 26302/MANDL 2; Modul 26303/MANDL 3; und alle Interessierten
Ort:
Online
Termin:
28.04.2023 bis
26.05.2023
Zeitraum:
Fr., 28.4., 17.30 Uhr - 19.30 Uhr
Sa., 29.4., 10.00 Uhr - 12.00 Uhr
Fr., 5.5., 17.30 Uhr - 19.30 Uhr (Sitzung fällt aus)
Sa., 6.5., 10.00 Uhr - 12.00 Uhr (Sitzung fällt aus)
Fr., 19.5., 17.30 Uhr - 19.30 Uhr
Sa., 20.5., 10.00 Uhr - 12.00 Uhr
Fr., 26.5., 18:00 - 20:00 Uhr
Leitung:
Professor Dr. Uwe Steiner
Dr. Wim Peeters
Anmeldefrist:
16.04.2023
Auskunft erteilt:
Dr. Wim Peeters , E-Mail: wim.peeters
> Das Seminar ist ausgebucht. <

Seminarbeschreibung:

In der Biographie Monika Marons (*1941) spiegelt sich die Unheilsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Ihr Großvater, ein zum Baptismus konvertierter polnischer Jude, wurde von den Nationalsozialisten ermordet. Die Mutter wurde zur überzeugten Kommunistin; der Stiefvater Karl Maron gehörte als Innenminister der DDR in den 1960er Jahren zur Nomenklatura des SED-Staats. Die Opfer kommen nach dem Zeitenbruch auf der Seite der neuen Machthaber an und werden zu Tätern an nachfolgenden Generationen. Monika Maron emigriert 1988 in die Bundesrepublik: Ihre Werke, darunter der Bitterfeld-Roman Flugasche, durften in der DDR nicht publiziert werden. Im Jahr 2020 trennt sich der Fischer-Verlag von ihr, nachdem ihm Maron eines unbedacht gewählten kleineren Publikationsorts wegen ideologisch verdächtig erschienen war. Zuvor waren ihre jüngsten Romane Artur Lanz und Munin zum Gegenstand feuilletonistischer Debatten geworden, in denen ihre Schriften erneut zum Objekt ideologischer Verdächtigungen depotenziert wurden.

Warum konnte „eine Idee, die zum Glück aller erdacht war, sich in das Unglück aller, selbst ihrer treuesten Anhänger verkehren“, fragt Maron in ihrem Essay Ich war ein antifaschistisches Kind (1989). Warum bringt alte Schuld neue Schuld hervor? Wie widersteht man ideologischen Sogkräften, wie sie sich in dieser fatalen Geschichte stets erneut bekunden? Wie kann das Recht der Literatur auf eigene, gar ‚boshafte‘ Beobachtungen gegen die Zwing- und Wirkmächte tribunalisierender öffentlicher Stimmen verteidigt werden? Im Titel des Seminars, „Verhaltenslehren der Dissidenz“, soll auch der Versuch indiziert werden, solche Fragen im Horizont literarischer Verfahren zu stellen.

In Marons Romanen werden sie nicht zuletzt anthropologisch aufgeworfen. Zwar befindet die Autorin die „Frage nach der menschlichen Natur“ (ebd.) als „unbeantwortbar“. Das hindert sie aber nicht, ihr literarisch nachzugehen.

Vor den zeitgeschichtlichen Hintergründen interessieren sich Marons Romane insbesondere für „die fortgesetzten Brüche in den Lebensläufen aller beteiligten Generationen“. (Rollenwechsel 1999) Sie verstehen sich dabei weniger als literarische Geschichtsschreibung, vielmehr als eine sanfte Empirie des konkreten, von überindividuellen Kräften bewegten Lebens vor einem anthropologischen Horizont. Zum Gegenstand werden immer wieder die Affekthaushalte der Beobachter und ihre Verstrickung ins Beobachtete. Denn „das vermag Literatur im glücklichsten Fall: im einzelnen Menschen verstehen, was uns allen innewohnt, und die Umstände erkennen, die es zutage fördern können. Die Literatur als intuitiver Weg der Erkenntnis, die in der Sprache ihre Zuspitzung oder ihren Ausgleich findet, die in den Exzess oder zur Versöhnung führt“ – so beschreibt die Autorin selbst ihren Antrieb. (Rede zum Nationalpreis 2009)

Wir lesen die folgenden Romane in der angegeben Reihenfolge:

  • Artur Lanz (2020)
  • Munin oder Chaos im Kopf (2018)
  • Stille Zeile sechs (1991)
  • Pawels Briefe. Eine Familiengeschichte (1999)

Zum Einlesen empfehlen wir auch die Lektüre von Marons Essays, darunter die folgenden:

  • Ich war ein antifaschistisches Kind (1989)
  • Lebensentwürfe, Zeitenbrüche (2002)
  • Rede zum Nationalpreis (2009)

Literaturhinweis:

Monika Maron: Essays und Briefe, Hamburg 2022.

Leyla Pektas | 08.04.2024